Gasexplosion im Weinviertel: Ein Toter, Brand nach Stunden gelöscht
In aller Kürze
- Die Explosion ereignete sich Dienstagvormittag bei der Gasstation in Baumgarten (NÖ).
- Das Landeskriminalamt ermittelt. Ein technisches Gebrechen gilt als Ursache.
- Um 15 Uhr wurde bekannt gegeben, dass der Brand mittlerweile gelöscht werden konnte.
- Es gab ein Todesopfer. Eine schwerverletzte Person und 20 Leichtverletzte sind mittlerweile wieder zuhause.
- Augenzeugen berichten von einem lauten Knall.
- 240 Feuerwehrleute, etwa 70 Polizeibeamte und 40 Helfer im Einsatz.
- Der Gas-Transit ist gestoppt. Die heimische Gasversorgung ist laut E-Control gesichert.
- Die Gaspreise in Europa zogen scharf an.
- Bundespräsident Alexander Van der Bellen kondolierte auf Facebook.
Eine Explosion in der Gasstation der Gas Connect Baumgarten in der Gemeinde Weiden a.d. March (Bezirk Gänserndorf) hat am Dienstag gegen 9.00 Uhr ein Todesopfer gefordert. 21 weitere Menschen wurden verletzt, davon eine schwer. Bei den Opfern handle es sich mehrheitlich um Gas Connect-Mitarbeiter, sagte Unternehmenssprecher Andreas Rinofner. Der Tote sei allerdings Angestellter einer Fremdfirma. Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag gaben die Einsatzkräfte dann Entwarnung: Der Brand sei gelöscht und auch der Schwerverletzte durfte das Krankenhaus bereits wieder verlassen.
Die Gasstation ist die größte Import- und Übernahmestation für Erdgas in Österreich. Erdgas aus Russland, Norwegen und anderen Ländern wird dort übernommen, gemessen, geprüft und für den Weitertransport verdichtet. Betreiber Gas Connect Austria versichert, dass die nationale Erdgasversorgung auf "absehbare Zeit abgedeckt werden kann". Nach einer ausführlichen Überprüfung und Analyse dürfte man die Anlage bald wieder in Betrieb setzen können.
Opfer sind mehrheitlich Mitarbeiter
Das mit Verbrennungen schwerverletzte Opfer wurde nach ÖAMTC-Angaben von "Christophorus 9" ins AKH Wien geflogen. Weitere Verletzte wurden ins Wiener SMZ Ost und UKH Meidling sowie ins Landesklinikum Hainburg transportiert, teilte Kellner mit. Sie berichtete zudem, dass das Wohnhaus der Lebenshilfe in der Katastralgemeinde von Weiden an der March nach der Explosion evakuiert worden sei. Es habe sich um eine Maßnahme aus Sicherheitsgründen gehandelt. Etwa 50 Personen seien in der Folge von Kriseninterventionsteams (KIT) betreut worden.
Großaufgebot an Einsatzkräften
Die Explosion hat ein Großaufgebot an Einsatzkräften gefordert. So wurden etwa 22 Feuerwehren mit 240 Mann alarmiert, wie Landeskommandant Dietmar Fahrafellner mitteilte. Das Rote Kreuz stellte 40 Mitarbeiter. Hinzu kamen laut Sprecherin Sonja Kellner noch vier Notärzte und drei Mediziner aus der unmittelbaren Region sowie zwei Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams (KIT). Seitens der Rettungskräfte waren zudem "Christophorus 3" und "Christophorus 9", zwei Notarzteinsatzfahrzeuge und zwölf Rettungswägen aufgeboten. Die Polizei entsandte laut Sprecher Heinz Holub 14 Streifen und 41 Mann der Einsatzreserve. Zudem wurde die Feuerwehr vom Hubschrauber "Libelle" aus mit Live-Bildern bei der Findung des Brandherdes unterstützt.
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bedankte sich für die gute Zusammenarbeit der Einsatzkräfte. Der Einsatz zeuge "von der Schlagkraft unserer Organisationen".
FF-Sprecher Franz Resperger berichtete von einer "ohrenbetäubenden Explosion" und einer heftigen Druckwelle. In ein bis zwei Metern Tiefe sei eine Gasleitung explodiert. Die Explosion habe sich im westlichen Teil der Anlage ereignet, im Bereich der Filterseparatoren. Später hieß es, es habe sich um einen außergewöhnlichen Brand für die Einsatzkräfte gehandelt. Kunststoff an PKWs seien noch in 300 Meter Entfernung zum Brandort abgeschmolzen. Dieser Brandherd sei etwa 100 mal 100 Meter groß gewesen und werde über die kommende Nacht noch bewacht, damit ein neuerlicher Brand ausgeschlossen werden kann. Er sei an einem Ort ausgebrochen, wo zuletzt Bauarbeiten stattgefunden hätten.
Armin Teichert (Gas Connect Austria) über die Hintergründe der Explosion
Im Zuge der Explosion kam es zu einem Großbrand. "Die Anlage wurde im kontrollierten Zustand heruntergefahren und ist außer Betrieb", sagte der Sprecher von Gas Conncect, Armin Teichert. Sechs Nebengebäude haben gebrannt. "Brand aus" wurde kurz nach 15 Uhr vermeldet. Anrainer waren nicht betroffen.
Das Landeskriminalamt hat Ermittlungen aufgenommen. Das Innenministerium geht von einem technischen Gebrechen aus. Ein terroristischer Hintergrund wird ausgeschlossen.
Augenzeugin: "Dachte, ein Flugzeug stürzt ab"
"Plötzlich gab es einen lauten Knall, die Scheiben bei uns haben gezittert“, berichtet Erich Müllebner von der Lebenshilfe. "Dann habe ich eine 30 bis 50 Meter hohe Rauchsäule gesehen", schildert der dem KURIER. Anschließend mussten rund 50 Behinderte aus dem Heim in Sicherheit gebracht werden. Gerda Ruggenthaler dachte, "ein Flugzeug stürzt ab." Der Boden habe zehn Minuten vibriert, meint die Augenzeugin.
Augenzeugen in Baumgarten
"Retten im Vordergrund", aber Ermittlungen laufen
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat sich am Dienstag tief betroffen über die Explosion gezeigt. "Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei sind vor Ort. Bei der Bezirkshauptmannschaft, Feuerwehr, Rotem Kreuz und Landespolizeidirektion wurden koordiniert Einsatzstäbe eingerichtet. Jetzt steht das Retten und Bergen im Vordergrund."
Bundespräsident Alexander Van der Bellen drückte auf Facebook seine Anteilnahme aus: "Meine Gedanken sind bei der Familie, den Freunden und Arbeitskollegen des Mannes, der heute im Marchfeld ums Leben gekommen ist. Meine aufrichtige Anteilnahme sowie viel Kraft für die schweren Stunden der Trauer". Den Verletzten wünschte Van der Bellen "alles Gute" und eine "rasche Genesung".
Wie Niederösterreichs Landespolizeidirektor Konrad Kogler im Gespräch mit dem KURIER bestätigt, geht man bei der Gasexplosion von keinem terroristischen Hintergrund aus. "Es gibt keinerlei Hinweise darauf und es gab auch keine Bedrohungen im Vorfeld. Wie wir von der Betreiberfirma der Gasstation wissen, muss man derzeit von einem technischen Gebrechen ausgehen. Natürlich schauen sich unsere Ermittler die Sache ganz genau an", so Kogler. Die Brandgruppe des niederösterreichischen Landeskriminalamtes hat Ermittlungsarbeit übernommen.
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E-Control: Versorgung sichergestellt
Die Gasstation ist eine Pumpstation für das Erdgas der Pipeline aus Russland. Die Versorgung Österreichs mit Gas ist sichergestellt, heißt es von der E-Control, es sei genug Gas in den Speichern. Der Gas-Transit durch die Gasleitung, die Österreich und andere Länder Europas mit Gas versorgt, ist bis auf Weiteres gestoppt. Laut KURIER-Informationen wird ganz Italien von hier aus mit Gas beliefert. Die Wiederherstellung der regulären Gasversorgung nach der Explosion in Baumgarten wird nach Einschätzung der OMV "Tage, nicht Stunden" dauern.
Im Nachbarland Italien zeigte man sich besorgt. Es sei jedoch nicht mit Engpässen in den Gaslieferungen zu rechnen, da Italien auf Reserven zurückgreifen könne, hieß es in einer Presseerklärung des Wirtschaftsministeriums. Die Lage sei unter Kontrolle.
Der italienische Industrieminister Carlo Calenda betonte, dass Italien seine Gaslieferungen diversifizieren sollte. Wäre die Trans Adriatic Pipeline (TAP) bereits in Betrieb, hätte Italien wegen der Explosion in Baumgarten keine Probleme. Die TAP ist bei Umweltaktivisten ein umstrittenes Großprojekt.
Infos zur Gasstation und zur Gas Connect Austria
In Baumgarten befindet sich seit 1959 eine Gasstation mit zwei Verdichterstationen. Es ist Österreichs größte Import- und Übernahmestelle für Erdgas.
Eigentümer und Betreiber des Leitungssystems ist die TAG GmbH (TRans-Austria-Gasleitung). Die Trans Austria Gasleitung GmbH, kurz TAG, hat ihren Firmensitz in Wien-Wieden und gehört seit 2014 zu fast 85 Prozent direkt dem italienischen Erdgas-Fernleitungsnetzbetreiber Snam S.p.A., der bis 2001 zum italienischen Erdöl- und Energiekonzern Eni gehörte.
Die restlichen Anteile (15,5 Prozent) hält die österreichische Gas Connect Austria GmbH, an der die OMV Gas & Power 51 Prozent und die Snam 49 Prozent halten. Die Trans Austria Gasleitung GmbH hat im Vorjahr mit 265 Beschäftigten rund 309,5 Millionen Euro umgesetzt, der Jahresgewinn betrug 118,68 Millionen Euro. Das Eigenkapital wird mit fast 223 Millionen Euro beziffert.
Das Leitungssystem verläuft von der slowakisch-österreichischen Grenze nahe Baumgarten/March durch NÖ, Burgenland, Steiermark und Kärnten nach Arnoldstein zur österreichisch-italienischen Grenze. Die Pipeline versorgt Italien, Slowenien und Kroatien; in Österreich: NÖ, Steiermark, Burgenland und Kärnten. Das Leitungssystem ist seit 1974 in Betrieb.
Es gibt zwei Untergrundspeicher, in denen das Gas hineingepumpt und gelagert wird. Ob die Speicher in Mitleidenschaft gezogen wurden, ist noch unklar.
Der Ort Baumgarten hat 192 Einwohner.
4. Mai 1995, Bregenz: Bei Isolierungsarbeiten an einer Wasserleitung kommt es zu einem Defekt an einer Gasleitung. Die Explosion in einem Gebäude der Talstation Pfänder-Seilbahn fordert zwei Schwerverletzte.
3. Dezember 1999, Wilhelmsberg, Bezirk St. Pölten: Bei Bauarbeiten bohrt ein Blitzschutzmonteur eine Gasleitung an. Nachdem eine Evakuierung des Gebäudes wieder aufgehoben wird, kommt es zur Explosion. Zehn Menschen sterben.
20. März 2000, Mitterndorf im Mürztal: Bei einer Explosion einer Gasflasche werden sieben Arbeiter schwer verletzt. Sie erleiden zum Teil Verätzungen der Atemwege.
1. Mai 2001, Atzenbrugg, Bezirk Tulln: Eine Gasexplosion in einem Einfamilienhaus kostet einem 24-Jährigen das Leben. Ursache war ein Defekt einer Flüssiggasanlage.
1. Mai 2003, Wien-Landstraße: Die falsche Bedienung eines Gasherds löst in einem Gemeindebau eine Explosion aus. Der Sohn des Wohnungsinhabers erleidet schwere Verletzungen, drei weitere Menschen werden leicht verletzt.
15. August 2004, Wien-Meidling: Ein 66-Jähriger stirbt bei Gasexplosion, zwei Personen werden verletzt. Das Wohnhaus, in dem es zu dem Unfall kommt, wird verwüstet.
8. November 2004, Linz: Als eine Trafikantin elektrische Geräte einschaltet, kommt es wegen eines Rohrbruchs zu einer Explosion, die die Frau schwer verletzt.
10. April 2006, Wien-Floridsdorf: Nachdem ein 68-Jähriger in seiner Wohnung mit einer Propangasflasche hantiert, kommt es zu einer Explosion die sieben Verletzte zur Folge hat.
27. April 2006, Wien-Hernals: Ein Gasleck fordert drei Leichtverletzte, vier Wohnungen werden beschädigt.
16. März 2007, Wien-Liesing: Gas, das über die Kanalisation in ein Firmengebäude eindringt entzündet sich und verletzt drei Menschen leicht.
24. August 2007, Mondsee: Beim Entleeren von Gasflaschen tritt Gas aus – es kommt zur Explosion. Vier Personen werden dabei verletzt.
20. März 2009, Hagenbrunn, Bezirk Korneuburg: Eine 59-jährige Bäuerin wird getötet und ihr Mann schwer verletzt, nachdem es auf ihrem Hof zu einer Gasexplosion gekommen war.
11. April 2010, Fernitz, Bezirk Graz-Umgebung: Eine mutwillig ausgelöste Explosion verletzt einen Mann leicht. Er hatte die Gasleitung im Haus seiner Ex-Frau angesägt.
23. Mai 2010, Patronell-Carnuntum: Ein 29-Jähriger wird schwer verletzt als er einen Gasofen einschaltet und dieser in die Luft fliegt.
3. Juni 2010, St. Pölten: Ein Mehrfamilienhaus stürzt nach einer Explosion teilweise ein. Fünf Menschen starben.
31. Dezember 2011, Wien-Donaustadt: In Suizid-Absicht öffnet ein 44-Jähriger die Gaszufuhr in einem Haus und stirbt nach der anschließenden Explosion. Die angrenzenden Reihenhäuser werden schwer beschädigt.
21. November 2013, Wien-Brigittenaus: Ein Gasofen explodiert. Der Mann der ihn einschalten wollte erleidet schwere Verbrennungen.
26. April 2014, Wien- Rudolfsheim-Fünfhaus: Ein 19-Jähriger manipuliert in Selbstmordabsicht einen Gasherd in der äußeren Mariahilfer Straße. Das Wohnhaus stürzt teilweise ein. Eine Bewohnern kann erst nach acht Stunden gerettet werden.
16. April 2014, Wien- Innere Stadt: Eine Explosion am Hohen Markt kostet einer 23-Jährigen das Leben. Ein Mann soll in seiner Wohnung Benzin angezündet haben.
26. Jänner 2017, Wien-Hernals: Während eines Delogierungsversuchs in einem Wohnhaus kommt es zu einer Explosion. Ein Mann stirbt im Spital, ein Baby wird schwer verletzt.
20. September 2017, Hollabrunn: Bei Bauarbeiten gelangt Gas in ein Einfamilienhaus. Es kommt zur Explosion und die Hausbesitzerin erleidet schwere Verletzungen.
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