Die Passionsspiele mit dem doppelten Jesus

Die „größte Geschichte aller Zeiten“ ist für die 150 Laiendarsteller und den ganzen Ort Dorfstetten alle sechs Jahre eine große Sache
Der ganze Ort Dorfstetten ist auf den Beinen, um die biblische Leidensgeschichte darzustellen. 150 Laien spielen im Stück mit, 100 Aktivisten sind um die Infrastruktur und die Organisation des Spektakels bemüht.

Es duftet am Ortsplatz nach frisch gebackenem Brot, Weingläser klingen und aus dem Tor des Pfarrhofs strömen 350 sichtlich gut gelaunte Menschen und freuen sich über die Labung. Die Gäste haben gerade bei den Passionsspielen in Dorfstetten (Bezirk Melk) eine ganz besondere Theateraufführung miterlebt. Für den 560 Einwohner zählenden Ort ein prägendes Erlebnis.

Nach neun Jahren Pause werden die Passionsspiele heuer endlich wieder aufgeführt. Kaum jemand im Ort, der nicht involviert wäre. Immerhin sind rund 250 Personen vom Darsteller bis zum Schankburschen oder Parkplatzeinweiser der Feuerwehr an dem tiefgründigen, aber auch buntem Spektakel beteiligt.

150 Darsteller

Gut 150 Laien, vom Kindes- bis ins Greisenalter, seien wieder als Darsteller oder Musiker auf der Bühne aktiv, schildert der Koordinator der Passionsspiele, Stefan Radinger. „Die Stimmung im Ort ist einzigartig, der Zug fährt und alle sind in irgendeiner Form aufgesprungen und tragen ihren Teil bei“, schwärmt er.

Vor allem nach der umjubelten Premiere am vergangenen Sonntag flossen Tränen der Freude und der Erleichterung. Und auch Premierengast Diözesanbischof Alois Schwarz lobte das Dargebotene in höchsten Tönen.

Die Passionsspiele mit dem doppelten Jesus

Neun Jahre hat es gedauert, bis die Dorfstettner ihre 1990 erstmals gespielte Jesus-Inszenierung nun wieder aufführen können. Nach dem letzten Termin 2014 verhinderten die Corona-Jahre die Durchführunge im gewohnten Sechsjahresrhythmus.

Neugestaltung

„Wir haben im Text und in der musikalischen Inszenierung massive Änderungen vorgenommen. Mit der Livemusik zum Theaterstück ist uns aber etwas sehr Stimmungsvolles gelungen“, berichtet Radinger über begeisterte Reaktionen. In einem Passionsspieljahr werde die Gemeinschaft im Ort jedenfalls besonders zusammengeschweißt, heißt es in Dorfstetten. Bestmöglich bemühe man sich, die Wirte und Geschäfte im Ort einzubinden und an der Versorgung der rund 4.000 erwarteten Besucher teilhaben zu lassen, so Radinger.

Viele der Bewohner tragen in so einem Festspieljahr aber auch stolz einen zweiten biblischen Vornamen aufgrund der Rolle, die sie im Stück zu spielen haben. So wie auch der örtliche Bäckermeister Gerhard Göbl.

Die Passionsspiele mit dem doppelten Jesus

Teilen sich die anstrengende Rolle des Jesus:  Der  erfahrene Josef Höbart (li.) und Neuling Gerhard Göbl

Jesus mal zwei

Er hat 2014 den Apostel Petrus dargestellt und sich die Ehre erarbeitet, heuer die unumstrittene Hauptrolle, nämlich Jesus Christus, darstellen zu dürfen. Göbl teilt sich die anstrengende und zugleich ehrenvolle Rolle mit dem Landesstraßenbediensteten Josef Höbart. Dieser hat die Rolle bereits mehrmals gespielt und wechselt sich heuer bei den elf Spielterminen mit Göbl ab.

Ehrgeiz und Ernst

„Natürlich werde ich oft auf die Rolle angesprochen, viele zeigen Respekt“, schildert Göbl. Es bedürfe auch eines gewissen Ehrgeizes und Ernstes der Rolle gegenüber, „aber es ist nicht so, dass ich ständig in der Bibel lese“, erzählt der Bäcker. In Anspielung auf seinen Beruf hört er den Evangeliumssatz „ich bin das Brot des Lebens“ recht häufig. Nach seinem Jesus-Partner Höbarth am vergangenen Sonntag bestreitet nun auch Göbl bei der morgigen Aufführung seine Jesus-Premiere.

Die Passionsspiele mit dem doppelten Jesus

Dabei ist die emotionale Kreuzigungsszene für den Laienschauspieler Göbl gar nicht neu. „Am Beginn der Passionsspiele 1990 hab’ ich einen der zwei Schächer gespielt, die neben Jesus ans Kreuz geschlagen werden“, so Göbl. In der Inszenierung empfindet er die Ölberg-Szene, das letzte Abendmahl oder die Geißelung als intensive Gänsehautmomente.

Die Passionsspiele mit dem doppelten Jesus

Solche Gefühle garantiert auch eine der Schlussszenen rund um die Auferstehung Jesu. Ein Urgestein der Passionsspiele, der 93-jährige Emmerich Gruber, betritt als biblischer Verkünder das Geschehen und spendet dem Publikum den Friedensgruß.

Wissenswertes

Ein Besuch der Passionsspiele im  deutschen Oberammergau, wo seit dem 17. Jahrhundert gespielt wird, ließ 1988  die Idee für solche Inszenierungen in Dorfstetten entstehen. Die Passionsspiele in Dorfstetten finden seit 1990 alle sechs Jahre statt. Im zum Theater umgebauten Hof des Pfarrhofs finden genau 355 Besucher Platz.Die noch zehn  Vorstellungen bis 12. August sind gut gebucht. Karten kosten zwischen 10 und 27 Euro. Buchbar über www.passion.dorfstetten.at

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