Johann Strauss & Co. - Eine schrecklich musikalische Familie

Der Walzerkönig tritt ins Abseits. Tatsächlich werden beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker immer weniger Kompositionen von Johann Strauss Sohn gespielt. Am heutigen Neujahrsmorgen sind‘s nur drei, während von seinem jüngeren Bruder Josef nicht weniger als acht Walzer und Polkas aufgeführt werden. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren, beim Neujahrskonzert 2003, waren von Johann, dem populärsten aller „Sträusse“, noch 16 Musikstücke zu hören, von Josef nur zwei und von Eduard gar keines.
Dessen Urenkel, der in Wien lebende Jurist Eduard Strauss, ist mit dieser Entwicklung durchaus zufrieden. Als Präsident des Wiener Instituts für Strauss-Forschung ist er immer schon dafür eingetreten, „die Strauss-Walzer und -Polkas zu entkitschen, was auch bedeutet, weniger bekannte Melodien aufzuführen. So hat Johann Strauss Vater 250 Kompositionen hinterlassen, gespielt wird jedoch immer nur der Radetzkymarsch.“

„Musik entkitschen“: Urenkel Eduard Strauss
Unbekannte Melodien
Wie aber kam es zu der Neuaufstellung des musikalischen Weltereignisses?
Franz Welser-Möst, heute zum dritten Mal Dirigent des Neujahrskonzerts, verriet vorige Woche im KURIER-Interview, dass er die Pandemiezeit dazu genützt hatte, um die Partituren der Strauss-Brüder eingehend zu studieren. „Dabei hat er Musiknummern entdeckt, die kaum je aufgeführt wurden“, erklärt Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer. „So kam es zum Schwerpunkt Josef Strauss. Johann steht dann wieder 2025 im Mittelpunkt, wenn sein 200. Geburtstag gefeiert wird.“

Als Lehrer in der Steiermark tätig: Eduards Ururenkel Thomas Strauss
Dr. Eduard Strauss ist einer der drei heute lebenden direkten Nachfahren der Walzerdynastie – mit Musik haben sie alle drei zu tun, zwei von ihnen machten sie zum Hobby, einer zum Beruf. „Es gab in jeder Generation ein Familienmitglied, das von der Musik lebte“, sagt Eduard Strauss, „aber der Name war dabei eher Belastung. Wenn ein Strauss komponiert hat, sagten die Leute: Sehr gut, aber Donauwalzer is es keiner! Auch mein Vater Eduard Strauss II. musste als Dirigent zur Kenntnis nehmen, dass man als musizierendes Mitglied der Familie Strauss auf Neid, Neid und noch einmal Neid stößt.“
Livrierte Kartenverkäufer
Der 67-jährige Eduard Strauss war Senatspräsident des Wiener Oberlandesgerichts und lebt seine Liebe zur Musik als Sänger und Präsident der Chorvereinigung „Schola Cantorum“ aus. In seinem Kampf, die Werke seiner Vorfahren zu entkitschen, meint er „vor allem die Tourismusindustrie, in der Strauss- and Mozart-Concerts mit livrierten Kartenverkäufern auf einem Niveau vermarktet werden, das sie nicht verdient haben“.

Franz Welser Möst dirigiert das Neujahrskonzert
Eduards Sohn Thomas, der zweite heute lebende Strauss, ist 32 Jahre alt, wohnt in Graz und unterrichtet an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Krieglach. Er besucht mit seiner Frau regelmäßig Tanzkurse, in denen sie „die Liebe auch zum Wiener Walzer und die Fähigkeit, uns korrekt zur Familienmusik bewegen zu können“, ausleben.

Als Sänger der einzige Profimusiker: Josefs Ururenkel Willy Strauss IV.
Namensstreit. Strauß oder Strauss – das ist hier die Frage. Gut, bei Richard Strauss ist die Antwort eindeutig. Der Komponist Oscar Straus („Walzertraum“) wiederum schreibt sich mit einem S. Aber Johann? Der Walzerkönig? Der Operettenmeister? Der von vielen auch als „Schani“ bezeichnete Meister des Dreivierteltakts und all seine Verwandten? Die Nachfahren wünschen sich einen Strauss mit doppeltem S, der ihnen etwa im Strauß/Strauss-Jahr 2025 (200. Geburtstag von Johann) zumindest vom Intendanten des Festjahres Roland Geyer auch erfüllt werden wird. Mit einem Budget von 20 Millionen Euro wird die Stadt Wien zur Geburtstagsparty für das Genie bitten. Und zwar als Strauss-Jahr!
Die Wiener Philharmoniker halten allerdings – wie andere Institutionen – am scharfen S fest. Auch beim Neujahrskonzert. Da dieses auch eine Veranstaltung des Orchesters ist, schließt sich der KURIER der Schreibweise der Wiener Philharmoniker, somit also Johann, Josef, Eduard Strauß, hier an.
Willy Aigner-Strauss ist als einziger der heutigen „Sträusse“ Berufsmusiker: Der bei Villach lebende 68-jährige Ururenkel von Josef Strauss hat sich unter dem Namen Willy Strauss IV. darauf spezialisiert, Italo- und Discohits zu singen. Aufgetreten ist er in halb Europa, aber auch in Kuba und Thailand. In China wurde er als „letzter musizierender Strauss“ triumphal empfangen, in der Peking-Oper ist er drei Mal aufgetreten, auch auf Chinesisch. Ins Stadion von Shanghai kamen 22.000 Menschen. „Als Höhepunkt erklang zum Abschluss der Radetzkymarsch.“ Und in Oberlech am Arlberg sang Willy Strauss vor Prinzessin Diana.
Keine Nachkommen gibt es nach dem Walzerkönig Johann Strauss, dessen drei Ehen kinderlos blieben.
„Über die Familie Strauss werden viele falsche Klischees und Fakes verbreitet“, sagt Eduard Strauss, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, diese zu korrigieren. Für den KURIER hat er drei davon zusammengestellt:
k. k. Hofballmusik-Direktor Allgemein wird angenommen, dass Strauss Vater mit dem Titel eines k. k. Hofballmusik-Direktors ein bezahltes Amt innehatte. Tatsächlich war das nur ein Titel, den er für sich selbst erfunden hatte. Das Obersthofmeisteramt des Kaisers stimmte seinem Wunsch am 24. Jänner 1846 zu.
Für Johann Strauss Sohn wurde derselbe Wunsch hingegen 1856 abgelehnt – auch wegen seines „leichtsinnigen, unsittlichen und verschwenderischen Lebenswandels“. Dahinter steckt, dass der Walzerkönig 1848 einige Werke für die Revolutionäre komponiert hat. 1863 wurde ihm der Titel dennoch verliehen.
Die Nachfahren „Viele Leute glauben, dass wir unheimlich reich sind“, erklärt Eduard Strauss, „weil wir als Nachfahren der Strauss-Brüder ein Vermögen geerbt haben müssen. Davon ist keine Rede, in Österreich erhalten Erben bis 70 Jahre nach dem Tod eines Komponisten Tantiemen. Diese Frist ist längst abgelaufen. Hätte die Familie das Vermögen in eine Stiftung eingebracht, wäre es auch künftigen Generationen zugute gekommen. Aber die drei Brüder waren so zerstritten, dass nichts übrig blieb.“
Doppel-S Ein Anliegen ist es Eduard Strauss, die meist „falsche“ Schreibweise des Familiennamens (mit scharfem S) zu korrigieren. Es gibt Notenblätter und Unterschriften, die beweisen, dass die Komponisten „Strauss“ und nicht „Strauß“ hießen. Zu der etablierten Schreibweise kam es, weil sie ihre Namen in Kurrent schrieben, die dann in der modernen Schreibweise nicht korrekt übernommen wurden. Eduard Strauss ist froh, dass „immer mehr Institutionen dem Wunsch der Familie folgen und den Namen korrekt mit Doppel-S schreiben.“ (Die Wiener Philharmoniker u. a. müssten noch überzeugt werden).
Um noch einmal zum Rückzug des Walzerkönigs zu kommen: Neben den nur drei Werken von Johann Strauss Sohn (inklusive Donauwalzer als Zugabe) und den acht von Josef werden beim heutigen Neujahrskonzert zwei von Eduard Strauss und zwei von Johann Strauss Vater (inklusive Radetzkymarsch) aufgeführt. Dazu kommen Melodien von Carl Michael Ziehrer, Franz von Suppè und Josef Hellmesberger junior.
georg.markus
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