Der oberste Blaue hat eine rote Linie überschritten

Der oberste Blaue hat eine rote Linie überschritten
FPÖ-Vizelandeshauptmann Tschürtz hat ORF-Redakteur öffentlich gemaßregelt und tendenziöse Berichterstattung vorgeworfen, der ORF reagiert empört

Dass eine Landespartei ihre Bundespartei lobt, darf zwar nicht mehr umstandslos vorausgesetzt werden (siehe SPÖ), wäre aber dennoch nicht weiter berichtenswert. Was die mittwöchige Pressekonferenz des freiheitlichen Führungsquartetts unter dem Titel „#Blau-wirkt! FPÖ steht auch im Bund für Erneuerung“ aber bemerkenswert macht, ist ein Tadel.

FPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Hans Tschürtz nutzte das Podium im blauen Landtagklub im Eisenstädter Landhaus, um buchstäblich von oben herab den anwesenden ORF-Redakteur namentlich anzusprechen und ihm tendenziöse Berichterstattung zum Nachteil der FPÖ vorzuwerfen (beim PK-Thema blieben Landesrat Alexander Petschnig, Landtagspräsidentin Ilse Benkö und Klubchef Géza Molnár).

Um seine Kritik zu „belegen“, verwies der blaue Frontmann etwa auf angeblich unvollständig zitierte Presseaussendungen: Der Journalist sei nur „auf negative Dinge fokussiert, um der FPÖ Schaden zuzufügen“, ereiferte sich der 58-jährige Parteichef vor einer verdutzten Journalistenschar, ehe er „unsere Stellungnahmen zu den Bundesthemen“ darlegte. Diese bestanden im Wesentlichen aus der Beteuerung, Burgenlands Koalitionäre von Rot und Blau würden trotz unterschiedlicher Meinungen zu Bundesthemen „respektvoll“ zusammenarbeiten...

Dass die „Zusammenarbeit“ von ORF-Landesstudio und Regierungsparteien (jahrzehntelang SPÖ und ÖVP) immer wieder im Zeichen wenig respektvoller Interventionen und Maßregelungen stand und steht, wird von ORF-Insidern bestätigt. Insofern könnte man der FPÖ nunmehr endgültig Regierungstauglichkeit attestieren – auch wenn SPÖ und ÖVP meist subtiler, weil hinter den Kulissen, vorgehen.

Die Attacke vor Publikum, die man auch als Versuch der Demütigung eines missliebigen Berichterstatters verstehen kann, sorgte im Landesstudio für Aufregung: Man werde den Vorfall „intern besprechen“, sagte Mario Kanitsch, einer der Redakteurssprecher, dem KURIER. Nachdem es sich um einen „sehr persönlichen Angriff“ auf den Kollegen gehandelt habe, gehe er von einer Stellungnahme des Redakteursrates aus. Eine solche kam bereits von der Leitung des Landesstudios. Direktor Werner Herics und Chefredakteur Walter Schneeberger wiesen Tschürtz‘ „Angriffe auf einen langjährigen Redakteur und die Berichterstattung des ORF auf das Schärfste zurück“. Man berichte „stets unabhängig, objektiv, ausgewogen und gesetzlichen Vorgaben entsprechend“. Zudem empfinde man es als unfair, wenn ein „höchstrangiger Politiker einen Mitarbeiter des Hauses vor anderen Journalisten maßregelt“. Burgenlands ORF-Stiftungsrat Werner Dax will Tschürtz‘ Recht auf Kritik nicht anzweifeln, aber man müsse bei Vorwürfen gegen Medien „sehr vorsichtig sein, weil man damit Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit in Frage stellt“.

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