Nach Mail-Fauxpas: Chemie-Nobelpreis für Entdecker von Quantenpunkten
Der diesjährige Nobelpreis für Chemie geht an in den USA tätigen Wissenschafter Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Jekimow (alternative Schreibweise Ekimov) für die Entdeckung und das Herstellen von Quantenpunkten. Das gab die Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm am Mittwoch bekannt, nachdem zuvor bereits Informationen zu den Preisträgern in schwedischen Medien kursierten.
Quantenpunkte - oder "künstliche Atome" - sind "Nanopartikel, mit einzigartigen Eigenschaften", z.B. für Bildschirm-Technologien und LED-Lampen oder zur Beleuchtung von Tumorgewebe, wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften die Entscheidung begründete.
"Große Relevanz für die Nanotechnologie"
Quantenpunkte bestehen aus einigen Tausend Atomen, die sich gemeinschaftlich wie ein künstliches "Makroatom" verhalten. Es handelt sich dabei um nur wenige Nanometer große Strukturen mit "eingesperrten" Elektronen, mit verschiedenen Energielevels für die Elektronen. Die drei Nobelpreis-Laureaten in Chemie hätten erfolgreich Quantenpunkte und damit so kleine Partikel erzeugt, deren Eigenschaften durch Quantenphänomene bestimmt werden - mit heute "großer Relevanz für die Nanotechnologie", hieß es in der Erklärung, die bereits vor der offiziellen Verlautbarung am Mittwochvormittag in Medien kursierte.
Der Vorsitzende des Nobelpreiskomitees für Chemie, Johan Åqvist, erklärte, dass die zentrale Eigenschaft der Quantenpunkte darin besteht, dass sich mit ihrer Größe auch ihre Farbe ändert. Während kleine Punkte bläulich erscheinen, verschiebt sich dies mit zunehmender Größe in Richtung rot. Damit hat man es mit einer "neuen Materialklasse" zu tun, bei der erstmals bei gleicher grundlegender chemischer Zusammensetzung Eigenschaften gezielt verändert werden können, erklärte der Physiker Heiner Linke im Rahmen der Bekanntgabe.
Die Veränderung der Farbe ist ein "quantenmechanischer Effekte", der darauf beruht, dass in kleineren Quantenpunkten weniger Elektronen vorhanden sind, auf die sich die Energie aufgeteilt. Je mehr Energie, desto blauer strahlt der Quantenpunkt ab. In der Theorie seien derartige Strukturen bereits in den 1930 er Jahren vorhergesagt worden. "Es brauchte aber fünf Jahrzehnte, um sie zu realisieren", so Linke.
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Möglichkeiten für kommerzielle Anwendungen
Zuerst beobachtet wurden sie dann von Jekimow in Glas und Brus in Form von frei fließenden Partikeln in Flüssigkeit. Beide beschrieben bereits die Farbveränderung mit der Größe. Rund zehn Jahre lang dachte man aber, dass die Größe nicht ausreichend genau kontrollieren werden könne. Das änderte sich dann durch die Arbeit von Bawendi, der eine Methode entwickelte, um durch Kontrolle von Hitze den Wachstumsprozess der Partikel zu kontrollieren.
"Das brachte Möglichkeiten zu kommerziellen Anwendungen", so Linke, der etwa QLED-Bildschirme oder medizinische Anwendungen ins Treffen führte. Potenzial hätten die Quantenpunkte, bei denen auch die elektrischen oder magnetischen Eigenschaften bzw. sogar der Schmelzpunkt sozusagen eingestellt werden kann, auch zur Herstellung von Photonen für Quantenkommunikation - eine Stoßrichtung, die etwa in Österreich verfolgt wird - bzw. in Katalyseprozessen.
Mail-Fauxpas: Gewinner schon vorher geleakt
Die ausgewählten diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger sind schwedischen Medienberichten zufolge möglicherweise vorzeitig versehentlich preisgegeben worden. Wie mehrere schwedische Medien am Mittwoch übereinstimmend berichteten, standen die Namen der Preisträger am Morgen in einer per Mail verschickten Pressemitteilung der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften (KVA) - vier Stunden vor der eigentlichen Bekanntgabe.
Mitglieder der Akademie sagten verschiedenen schwedischen Medien am Morgen, dass es sich um ein Versehen handle und ein Beschluss über die Preisträger noch nicht gefasst sei. Die Sprecherin der Akademie teilte auf Anfrage mit: "Die Akademie hat noch keine Entscheidung getroffen."
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In der Mitteilung stand demnach, dass drei Forscher den Chemie-Nobelpreis 2023 "für die Entdeckung und Synthese von Quantenpunkten" erhalten. Es waren jene drei in den USA tätigen Forscher Moungi G. Bawendi, Louis E. Brus und Alexei I. Ekimov, berichteten unter anderem der Rundfunksender SVT und die Zeitungen "Dagens Nyheter" und "Aftonbladet". Sie wurden nun tatsächlich ausgezeichnet.
Akademie bedauert Durchsickern der Namen
Die Schwedische Königliche Akademie der Wissenschaften hat zerknirscht auf das Durchsickern der Namen der diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger reagiert. "Das ist natürlich misslich. Wir bedauern zutiefst, was passiert ist", sagte der Generalsekretär der Akademie, Hans Ellegren, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Stockholm.
Schwedische Medien hatten bereits Stunden vor der offiziellen Verkündung um kurz vor 12.00 Uhr berichtet, dass der Preis dieses Jahr an Moungi Bawendi, Louis Brus und Alexei Ekimov geht, drei in den USA arbeitende Entdecker von sogenannten Quantenpunkten. Die schwedische Zeitung "Dagens Nyheter", der öffentlich-rechtliche Rundfunk SVT und das schwedische Wissenschaftsmagazin "NyTeknik" beriefen sich dabei auf eine Pressemitteilung der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die allerdings nicht deren Website zu finden war.
Die Akademie hatte daraufhin versichert, dass die Entscheidung über die diesjährigen Preisträger noch gar nicht gefallen sei. Die drei Preisträger waren vorab nicht als Favoriten gehandelt worden. Vielmehr war in Fachkreisen darauf getippt worden, dass Forschungen in der synthetischen Biologie oder der DNA-Sequenzierungen ausgezeichnet werden könnten.
Dass die Namen von Nobelpreisträgern im Voraus durchsickern, kommt eher selten vor. Die Akademie-Vertreter sind sehr darauf bedacht, dass ihre Beratungen über die Preisträger geheim bleiben. Selbst die Liste der Nominierten wird unter Verschluss gehalten. Als ein weiteres Beispiel für eine Panne hatte 2010 allerdings die schwedische Zeitung "Svenska Dagbladet" den Namen des neuen Medizin-Nobelpreisträgers Robert Edwards schon Stunden vor der offiziellen Verkündung gemeldet.
Reaktionen der Preisträger
Der gebürtige Pariser Bawendi, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge tätig ist, zeigte sich im Rahmen der Pressekonferenz in einer ersten Reaktion "sehr überrascht, schläfrig, schockiert und sehr geehrt". Durch die vorab geleakte Information über die heurigen Preisträger sei er allerdings nicht vorinformiert worden. Er sei von der Schwedischen Akademie mit einem Anruf geweckt worden. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Preis bekommen kann", gab Bawendi zu Protokoll.
Ko-Nobelpreislaureat Brus ist an der New Yorker Columbia Universität tätig, seine Arbeiten "als Wegbereiter für die Quantenpunkte" wurde 2008 mit einem hoch dotierten Kavli-Preis geehrt.
Der russische Forscher Jekimow, der ebenfalls als ein Entdecker kolloidaler Halbleiter-Nanokristallen gilt, ist heute im New Yorker Unternehmen Nanocrystals Technology Inc. tätig.
Die Auszeichnung ist heuer mit elf Millionen Schwedischen Kronen (rund 930.000 Euro) dotiert, um eine Million Kronen mehr als im Vorjahr. Übergeben wird der Preis traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an die beiden US-Forscher Carolyn R. Bertozzi und Barry Sharpless sowie ihren dänischen Kollegen Morten Meldal. Sie wurden "für die Entwicklung der Click-Chemie und der bioorthogonalen Chemie" ausgezeichnet, für die Akademie ein "geniales Werkzeug zum Bau von Molekülen". Für Sharpless war es bereits der zweite Chemie-Nobelpreis nach 2001.