Wissen/Wissenschaft

Armut lässt sich an nächtlichen Satellitenbildern ablesen

Satellitenbilder der nächtlichen Erde zeigen nicht nur die Ausbreitung menschlicher Siedlungen, die Stärke der Beleuchtung gibt Wissenschaftern auch Aufschlüsse über Infrastruktur, Bevölkerungsdichte oder wirtschaftliche Entwicklung eines Ortes. Forscher zeigen nun in einer Studie im Fachblatt "Nature Communications", wie gut sich auch das Gegenteil - nämlich bittere Armut - auf den Bildern nachvollziehen lässt. Rund 20 Prozent aller Siedlungen bleiben demnach dunkel.

Inwiefern sich aus den immer genauer werdenden Erdbeobachtungsdaten auch Schlüsse über wirtschaftlich weniger entwickelte Länder ziehen lassen, wurde in der Wissenschaft bisher noch weniger beachtet, heißt es am Donnerstag in einer Aussendung des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Forscher um Ian McCallum oder Steffen Fritz vom IIASA leiteten die aktuelle Studie, mit beteiligt war u. a. auch Jesús Crespo Cuaresma von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Gerade in Gegenden mit wenig Infrastruktur, über die mitunter auch nicht viele Informationen vorliegen, sollten sich anhand der Helligkeit - respektive der dort bei Nacht herrschenden Dunkelheit - auch Schlüsse über Wirtschaftswachstum, Armut oder Verteilungsgerechtigkeit ziehen lassen, vermuteten die Wissenschafter.

49 Länder

Ihr Schwerpunkt lag auf 49 Ländern Afrikas, Asiens und Amerikas. Hier lagen regionale Daten über die Vermögensstruktur der Haushalte vor. Diese Informationen verglichen die Forscher mit Satellitenaufnahmen, die in den Nachtstunden gemacht wurden. Nach der Analyse konnten rein aufgrund des Anteils an Siedlungen, die kein von Satelliten aus erkennbares Licht abstrahlten, Rückschlüsse über das ungefähre Einkommen von 2,4 Millionen Haushalten gemacht werden. Diese Ergebnisse stimmten zu 87 Prozent mit den Wirtschaftsdaten überein, so die Wissenschafter.

Zu wenig Licht

Legte man den Fokus auf die gesamt Welt, zeigte sich, dass im Jahr 2015 von 19 Prozent der Siedlungen zu wenig Licht ausging, um es auf den Bildern aus dem All zu sehen. Das galt für 39 Prozent der bekannten Siedlungen Afrikas und immerhin noch für 23 Prozent der asiatischen Dörfer oder Städte. Deutlich höher war dieser Anteil in ländlicheren Gebieten, wo einerseits die Siedlungen selbst kleiner, aber auch die Anbindung an das Stromnetz von mitunter dichter bewohnten Orten schlechter ausgebaut ist. Insgesamt konnte am Anteil spärlich beleuchteter Siedlungen das Einkommensniveau einer Region erstaunlich gut abgelesen werden. Besonders viele "dunkle Orte" gab es in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria, Bangladesch oder Vietnam, aber auch in industrialisierteren Ländern wie China.

"Durch das Identifizieren solcher unbeleuchteter Gegenden, können wir Maßnahmen zur Armutsbekämpfung besser abstimmen und Regionen finden, wo man sich auf einen besseren Zugang zu Elektrizität konzentrieren sollte", so Fritz. Dies sei besonders interessant, weil sich Planungen meistens auf städtische Gebiete konzentrieren würden. Dabei brächte ein Anschluss an die Stromversorgung gerade vielen Menschen am Land die Chance, sich aus großer Armut zu befreien, meinen die Wissenschafter. Das gelte vor allem für das südliche Afrika, wo auch durch die Covid-19-Pandemie Bemühungen zur Verbesserung der Lebenssituation vieler Menschen um Jahre zurückgeworfen wurden. Ob Industriestaaten ihren Energieaufwand für Beleuchtung zurückfahren, lasse sich mit der neuen Methode darüber hinaus ebenso nachvollziehen.