Warum die Zeitumstellung den Organismus verwirrt
Von Ingrid Teufl
Wenn Sie Anfang nächster Woche während der Arbeitszeit häufiger auf Internetseiten unterwegs sind, die gar nichts mit Ihrer Arbeit zu tun haben, könnte das an der Zeitumstellung liegen. Forscher der Singapore Management University haben festgestellt, dass dieses Cyberloafing genannte Phänomen gerade in den Tagen nach der Zeitumstellung im Frühjahr häufiger auftritt. Sie folgern daraus, dass sich das alljährliche Vordrehen der Uhren um eine Stunde (am Sonntag) auf Denkleistung und Konzentration auswirkt.
Anpassungsprobleme
Ihre Ergebnisse erklären die Autoren nicht allein mit körperlichen Umstellungsschwierigkeiten. "Menschen erleben es als Belastung, wenn ihre frei verfügbare Zeit beschränkt wird", sagt Studienautor Daniel Kühnle. Das gelte besonders für Mütter und Väter, "die ohnehin wenig Zeit für sich haben". Vor allem, wenn auf die Sommerzeit umgestellt werden muss, sorgt das für mehr Beschwerden – die innere Uhr kommt durcheinander. Häufig ist von einem "Mini-Jetlag" die Rede. In einer Umfrage der deutschen Krankenkasse klagten 27 Prozent der Befragten über Schlafstörungen oder Gereiztheit.
Zuletzt haben Forschungen darauf hingewiesen, dass Hell-dunkel-Impulse, die die innere Uhr steuern, auch bei der Zeitumstellung durcheinander geraten. Münchener Psychologen der Ludwig-Maximilians-Universität fanden vor einigen Jahren heraus, dass die Dämmerung als biologischer Taktgeber fungiert. "Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird vom lichtgesteuerten Hormon Melatonin reguliert", erklärt Schlafforscher Manfred Walzl von der MedUni Graz. "Ist es morgens dunkel, wird mehr Melatonin ausgeschüttet."
Die Dämmerung verschiebt sich im März bereits nach vorne. "Mit der Sommerzeit fühlt sich der Körper wieder zurückgesetzt", sagt Charlotte Förster vom Biozentrum der Uni Würzburg, wo sie zur inneren Uhr forscht und Grundlagenforschung, unter anderem mit Taufliegen betreibt. "Es steht absolut fest, dass die Zeitumstellung manche Menschen und Tiere beeinflusst. Aber es ist nur eine Stunde. Ich würde nicht sagen, dass dadurch schwerwiegende Krankheiten entstehen."
Geringe Schlafdauer
Mit Studien ist es überhaupt so eine Sache. Nehmen wir nur einen Vergleich im Wissenschaftsmagazin spektrum bezüglich der Häufung von Verkehrsunfällen zu Beginn der Sommerzeit: Manche Studien bestätigten dies, andere nicht. Eine Untersuchung der Universität Minnesota kam überhaupt zum Ergebnis, dass sich mit Beginn der Sommerzeit Verkehrsunfälle reduzieren. Und zwar, weil mehr Autofahrer dank mehr Tageslicht bessere Sicht hätten.
Wenn die innere Uhr aus dem Takt gerät
Biorhythmen sind daran schuld, dass sich so mancher mit der Zeitumstellung unwohl fühlt: Sie erlauben es dem Organismus, sich an die Erdrotation anzupassen und Aktivitäten in Gruppen abzustimmen. Sie steuern Körperfunktionen von Hormonhaushalt bis Zellteilung und bestimmen, wann wir uns wachoder schläfrig fühlen. Von Säugetieren weiß man, dass ihre innere Uhr aus etwa 20.000 Neuronen besteht, die über komplizierte Strukturen mit der Umwelt kommunizieren.
Jetlag und auch Mini-Jetlag sind darauf zurückzuführen, dass sich die Lichtverhältnisse plötzlich ändern. Widersprüchliche Neuronen-Feuer im Gehirn verwirren den Organismus. Das Hirn braucht mitunter sechs Tage, um sich darauf einzustellen.
Übrigens: Babys "ticken" nach der Geburt generell noch nicht richtig, weil es in der Gebärmutter ständig dunkel war und sie daher mit dem Tag-Nacht-Wechsel noch nichts anfangen können.