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Susanna Haas: "Kinder ab dem 1. Lebensjahr fördern"

Susanna Haas ist pädagogischen Leiterin der St. Nikolausstiftung (Wiener Pfarrkindergärten) und Mitglied des KURIER-Bildungsbeirats. Sie weiß aus der Praxis, welche Probleme Kinder haben.

KURIER: Warum kommen Kinder trotz Kindergartenbesuchs mit Defiziten in die Schule?

Susanna Haas: Es ist zwar schön, dass mittlerweile angekommen ist, dass der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist. Doch in der Politik tut man immer noch so, als ob hier Kinder nur betreut würden. Deshalb haben wir noch Personalschlüssel und Gruppengrößen wie vor 30 Jahren. Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit, wie z.B. Planung, gibt es kaum. Wenn eine Pädagogin für 25 Kinder zuständig ist, kann man nicht zu viel erwarten.

Dennoch soll der Kindergarten fit für die Schule machen.

Es ist unser Anspruch, aber aufgrund der Umstände haben wir ein Personalproblem: Viele Pädagoginnen und Pädagogen gehen nach ihrer Ausbildung erst gar nicht in den Beruf, manche bleiben nur ein, zwei Jahre. Selbst ältere Kollegen gehen. Das passiert, weil die Kindergärtnerinnen immer mehr Aufgaben bewältigen sollen.

Was zum Beispiel?

Der Sprachbeobachtungsbogen ist aufgrund der 15a-Vereinbarung (Bund-Länder-Regelung über die Vorschulpädagogik) neu konzipiert worden. Schon heuer müssen wir ihn verwenden, und wir müssen mehr als 500 Pädagoginnen und Pädagogen in kürzester Zeit und ohne zusätzliche Ressourcen neu schulen. Das bringt uns als Trägerorganisation unter Druck.

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Wie früh sollten Kinder mit Defiziten in den Kindergarten?

Je früher desto besser – das kann schon mit ein, zwei Jahren sein, auch weil Eltern durch den täglichen Kontakt die Bildungsarbeit im Kindergarten erleben können. Es gibt z.B. Projekte, wo bildungsfernere Familien Bücher für zu Hause geschenkt bekommen. Aber alles wird der Kindergarten nicht schaffen, denn in die Entwicklung der Kinder spielen viele Faktoren, wie Familie, Begabungen, Soziales oder ihre körperliche Verfassung, hinein.

In welchen Bereichen müssen Kinder gefördert werden?

Die Sprache, insbesondere die Deutschkenntnisse, werden derzeit diskutiert. Dabei spielt die Sicherheit in der Erst- bzw. Muttersprache eine wesentliche Rolle im weiteren Spracherwerb. Aber auch das Soziale und Emotionale ist ein großes Thema: Ein Kind muss z.B. warten können, wenn es ein Spiel nicht gleich bekommt. Es muss lernen, mit Enttäuschungen umzugehen und seine Gefühle zu steuern. Das ist eine wichtige Kompetenz, die im Kindergarten erworben werden kann. Mit dem emotionalen geht das soziale Lernen einher, etwa teilen zu lernen.

Was können die Pädagoginnen tun, wenn sie sehen, dass ein Kind große Defizite hat?

Bei uns hat sich das „Mobile Team“ bewährt, ein interdisziplinäres Team aus Psychologinnen, Ergotherapeutinnen und Sonderpädagoginnen. Die Kindergartenpädagogin verfügt nicht über dieses Fachwissen und kann bei Problemen auf unser Expertenteam zurückgreifen. Gerade bei Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen ist das sehr hilfreich. Gemeinsam mit den Eltern schauen wir, wie wir das Kind unterstützen können.

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