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Österreich hat ein Cholesterin-Problem

Zu hohe Blutfettwerte sind tückisch: Wer sie hat, spürt davon meist nichts. Oft machen sie sich erst spät bemerkbar, wenn die Fetteinlagerungen Gefäße verkalken und es zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kommt. Ein zu hoher Cholesterinspiegel ist einer der größten Risikofaktoren für Gefäßverkalkung (Atherosklerose) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Doch obwohl das "böse LDL-Cholesterin" seit Jahren vielen ein Begriff ist, haben laut WHO mindestens drei Millionen Österreicher zu hohe Werte. Manche Screenings liefern sogar noch höhere Zahlen, etwa, dass jeder Zweite Werte von 200 mg/dl oder mehr hat (siehe Grafik unten). Nur jeder Siebente hat Idealwerte von weniger als 160 mg/dl. Risikopatienten, etwa Diabetiker oder solche, die Faktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht oder bereits Herzerkrankungen aufweisen, sollten sogar LDL-Werte von weniger als 70 mg/dl haben.

Statine

Bei vielen mit zu hohen Werten würde eine Veränderung des Lebensstils in Bezug auf Ernährung und Bewegung ausreichen. Von den Risikopatienten erreichen trotz guter Therapiemöglichkeiten aber nur wenige die Zielwerte. "Mit den bisherigen Medikamenten, den Statinen, lässt sich eine um 30 Prozent niedrigere Herzinfarktrate erreichen", sagte Bernhard Föger von der Österreichischen Atherosklerose Gesellschaft bei der Präsentation des Österreichischen Cholesterin-Reports 2015, unterstützt durch den Pharmakonzern Sanofi.

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Mit der Kombination aus einem Statin und dem Cholesterin-Wiederaufnahme-Hemmer Ezetimib sei gar eine Reduktion der Herzinfarkte um minus 40 bis 50 Prozent erreichbar. Zentral sei dabei allerdings ein gesunder Lebensstil. "Cholesterinarme Ernährung heißt vor allem tierische Fette zu meiden, pflanzliche Öle zu verwenden und mehr Fisch zu essen", meint Univ.-Prof. Susanne Greber-Platzer, Leiterin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am AKH Wien. Doch nicht bei allen Menschen mit hohem Cholesterinspiegel ist der Lebensstil schuld.

Etwa 30.000 bis 40.000 Österreicher sind von familiärer Hypercholesterinämie (FH) betroffen. Diese ist genetisch bedingt, vererbbar und führt aufgrund eines teilweisen oder völligen Funktionsverlusts der LDL-Rezeptoren in der Leber dazu, dass LDL-Cholesterin nicht abgebaut werden kann – die Blutfettkonzentration ist sehr hoch. In der Folge kommt es schon in jungen Jahren zu Atherosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

"FH ist sehr häufig – etwa eines von 300 Kindern ist betroffen. Es sind aber lange nicht so viele in Behandlung", betont Greber-Platzer. Viele erhalten die Diagnose erst spät, mit Medikamenten sei die Krankheit jedoch gut behandelbar. Für Betroffene, bei denen bisherige Therapien nicht ausreichend anschlagen, gibt es zudem ein neues Medikament: Künstliche Antikörper, die das Enzym PCSK9 blockieren. Dieses Protein bremst die Aufnahme des schlechten LDL-Cholesterins in die Zellen. Wird es blockiert, können die Körperzellen mehr Cholesterin aufnehmen, der Cholesteringehalt im Blut sinkt.

Patienten erfassen

Um FH-Patienten behandeln zu können, müssen diese aber zunächst gefunden werden – genaue Daten fehlen bisher. Österreichische Experten mehrerer Fachrichtungen setzen sich jetzt in Zusammenarbeit mit der Patientenorganisation FHchol Austria dafür ein, ein Register Betroffener und jener in Behandlung einzurichten sowie die Früherkennung bei Kindern zu verbessern.

Um Risikopersonen zu identifizieren, bräuchte es breite Untersuchungen aller Kinder in Österreich. Greber-Platzer: " Am AKH Wien gibt es z.B. ein Projekt mit Schulärzten, das nächsten Herbst startet, und Risikokinder identifizieren sowie zu einer Untersuchung weiterleiten wird. Auch die Labormediziner werden stärker einbezogen und in Blutbefunden hohe Werte mit Warnsätzen versehen, um Patienten aber auch Ärzte stärker darauf aufmerksam zu machen."