Neue Debatte um Mammografie
Von Ingrid Teufl
Es ist eine der größten Studien, die je zur Mammografie (Röntgenuntersuchung der Brust) gemacht wurden – und ihr Ergebnis überrascht: Ob Frauen zur Mammografie gingen oder nicht – bei den Todesfällen an Brustkrebs gab es keinen Unterschied.
90.000 Frauen im Alter von 40 bis 59 nahmen ab 1980 an der Studie der Universität von Toronto, Kanada, teil, die jetzt im British Medical Journal veröffentlicht wurde. Eine Hälfte ging fünf Jahre lang jährlich zur Mammografie und erhielt zusätzlich eine klinische Brustuntersuchung (vor allem Abtasten der Brust). Bei der anderen Hälfte wurde in dieser Zeit nur die Brust untersucht – ohne Mammografie.
25 Jahre lang wurden beide Gruppen nachbeobachtet. Ergebnis: Bei der Zahl der an Brustkrebs verstorbenen Frauen gab es praktisch keinen Unterschied: 505 in der Mammografie-Gruppe, 500 in der Gruppe ohne Mammografie.
Conclusio der Experten: Eine jährliche Mammografie bei Frauen zwischen 40 und 59 reduziert die Zahl der Todesfälle nicht stärker als eine Tastuntersuchung – vorausgesetzt, es wird bei einem bestätigten auffälligen Tastbefund sofort mit einer Therapie begonnen.
"Voreilige Schlüsse"
Doch der Radiologe und Mammografie-Experte Univ.-Prof. Thomas Helbich von der MedUni Wien warnt vor voreiligen Schlüssen. "Die Mammografien und Tastuntersuchungen im Rahmen der Studie wurden nach fünf Jahren einfach eingestellt." In der 25-jährigen Nachbeobachtungsphase wurden dann lediglich die Krebs- und Krebstodesfälle in beiden Gruppen erhoben. Welche Untersuchungen die Frauen privat machen ließen, wurde nicht erhoben. Helbich: "Jüngere Frauen nur fünf Jahre lang mittels Mammografie zu untersuchen, ist eindeutig zu kurz. Das sagen auch die Studienautoren." Dazu komme, dass die Studie im Jahr 1980 begann. "Damals waren weder die technischen Entwicklungen auf dem heutigen Stand, noch gab es die heute standardmäßigen Kriterien zur Qualitätssicherung."
Die Studie selbst stuft er als nicht unbedingt negativ für die Mammografie-Befürworter ein. "In den fünf Untersuchungsjahren am Anfang der Studie wurden bei Frauen aus der Mammografiegruppe die Tumore in einem früheren, kleineren Stadium entdeckt." Die Studie zeige: "Für die Brustkrebsbehandlung sind die frühe Diagnose und die klinische Betreuung der Frauen am wichtigsten."
Die Befürworter von Mammografie-Screeningprogrammen verweisen auf andere Studien: Demnach sterben ohne diese Röntgenuntersuchung der Brust über alle Altersgruppen statistisch gesehen vier von 1000 Frauen an Brustkrebs, mit Mammografie hingegen nur drei. "Das bedeutet eine Senkung der Mortalität um 25 Prozent", betont Helbich. Umgelegt auf Österreich, wären es jährlich 300 Frauen. "Ich finde den Nutzen für diese Frauen keinesfalls vernachlässigbar."
Kritiker
Kritiker werfen ein, dass es sich bei 15 bis 25 Prozent aller Brustkrebs-Diagnosen durch die Mammografie um Tumore handle, die nie ein Problem verursacht hätten – und ohne Mammografie gar nicht aufgefallen wären. Andere Experten setzen diesen Prozentsatz niedriger an.
"Der grundsätzliche Nutzen der Mammografie zur Brustkrebsfrüherkennung ist unumstritten", betont Helbich. "Es ist ganz wichtig, dass der Tumor unter einer Größe von zwei Zentimeter entdeckt wird. Je kleiner, desto besser die Überlebenschance." Dass durch bessere Therapien die Mammografie an Bedeutung verliere (weil auch ein etwas später entdeckter Tumor gut behandelt werden könne), weist Helbich zurück: "Je früher ein Tumor erkannt wird, desto weniger belastend ist die Therapie für die Frauen."
Das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm richtet sich an alle Frauen im Alter zwischen 45 und 69 Jahren, die keine Anzeichen von Brustkrebs haben. Alle zwei Jahre werden sie per Brief zur Mammografie eingeladen. Frauen zwischen 40 und 44 Jahren, bzw. zwischen 70 und 74 Jahren müssen selbst eine Einladung anfordern (unter 0800 500181.)Mit der Einladung ist keine weitere ärztliche Zuweisung notwendig – man kann sich direkt bei einem teilnehmenden Radiologen einen Termin ausmachen. Näheres unter www.frueh-erkennen.at