Mädchen kann wegen Covid-Zehen keine Schuhe mehr tragen
Von Anita Kattinger
Die BBC berichtet von einem besonders tragischen Fall einer 13-Jährigen, die unerkannt an Covid-19 erkrankt war. Sofia wurde zwar nie positiv auf das Coronavirus getestet, aber seit Oktober 2020 leidet sie unter dem, was Experten als "Covid Toes" - schmerzhafte Schwellungen der Zehen - bezeichnen.
Die 13-Jährige kann aufgrund des schmerzhaften Zustands kaum noch laufen oder Schuhe tragen: "Meine Füße schwellen an, ich bekomme überall Blasen und sie verfärben sich sehr schnell von rosa zu lila", erzählt sie im Interview. "Ich bekomme Beulen an der Unterseite, was es wirklich schwer macht, lange zu stehen. Ich kann nur Flip-Flops tragen."
Die schottische Teenagerin ist nun für längere Spaziergänge auf einen Rollstuhl angewiesen: "Vorher habe ich gesungen, getanzt und bin einfach durch die Gegend gerannt. Jetzt kann ich das nicht mehr", sagt sie.
Hauterkrankungen auch bei Negativ-Getesteten
Laut der deutschen Dermatologischen Gesellschaft zeigen bis zu 20 Prozent der wegen Covid-19 stationär behandelten Patienten Veränderungen an der Haut. Ausschläge oder Nesselsucht können als Überreaktion des Immunsystems besonders bei Kindern im akuten Stadium eines Infektes auftreten. Dass Schwellungen und Entzündungen nach einer durchstandenen Virusinfektion auftreten können, ist neu.
Bereits kurze Zeit nach Ausbruch der ersten Welle berichteten Ärzte und Ärztinnen aus stark betroffenen Ländern wie Spanien von zahlreichen, ungewöhnlichen Hauterkrankungen bei Kindern und jungen Erwachsenen: Die Covid-Zehen werden aufgrund der Ähnlichkeit oft auch mit Frostbeulen verglichen.
Das Symptom tritt relativ spät nach der Erkrankung mit Covid-19 auf, oft Wochen nach Husten und Fieber, allerdings oft auch nach unerkannten Erkrankungen mit SARS-CoV2. Experten vermuten, dass deswegen viele Fälle nicht gemeldet werden, was Forschungen zu diesen Symptomen erschwert.
Der Podologe Martin McCafferty bezeichnet die Erkrankung als "Herausforderung" für medizinisches Fachpersonal, weil Forschungsergebnisse fehlen würden. "Wir sehen dies am häufigsten bei jüngeren Patienten, die keine anderen Anzeichen des Virus zeigen - Menschen, die negativ auf Covid-19 getestet werden", sagte er.
Die Beschwerden klingen nach wenigen Tagen bis Wochen normalerweise ab. Anders bei Sophie, die seit Monaten unter der Erkrankung leidet: "Sie war bei Dermatologen und hat Steroide bekommen", erzählt ihre Mutter im BBC-Interview. "Sie haben Tests gemacht sowie Medikamente und Cremen an ihren Füßen ausprobiert, aber ihnen sind irgendwie die Ideen ausgegangen."
Debbie Wilson, Dozentin für Podologie an der Glasgow Caledonian University und Mitglied des Royal College of Physicians and Surgeons of Glasgow möchte den Fall nach dem Sommer ihren Studenten präsentieren: "Da die Zahlen wieder steigen, werden wir vielleicht mehr Kinder sehen, die daran leiden werden."
Schottische Behörde kennt keine Fälle
In der Zwischenzeit lernt Sofia, mit der Erkrankung zu leben: "Ich lege meine Füße in ein Fußbad mit warmem Wasser und Badesalz - das hilft ihnen manchmal, sich ein wenig zu beruhigen. Es ist ein bisschen beängstigend, weil ich nicht wirklich weiß, was passiert. Ich weiß nicht, ob ich in Zukunft Dinge tun kann, die ich gerne tue."
Die schottische Gesundheitsbehörde Public Health Scotland sagt, dass ihnen keine Fälle gemeldet worden sind: "Covid-19 ist immer noch eine relativ neue Krankheit und es ist wichtig, dass wir unser Verständnis der Auswirkungen auf die Menschen weiter verbessern. Obwohl wir keine Daten zu diesem speziellen Symptom haben, behalten wir alle Aspekte im Auge, während sich das internationale Verständnis dieses Virus entwickelt."
In einem Interview mit dem Portal "Internisten im Netz" erklärte Matthias Schmuth, Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie bezeichnet die Covid-Zehen als "umstrittenes Phänomen": "Eine Hypothese ist, dass insbesondere junge Menschen, die eine SARS-CoV-2 Infektion ohne Symptome durchmachen, die Covid-Zehen im Rahmen einer effizienten Reaktion des angeborenen Immunsystems gegen das Virus entwickeln. Aktuell sammeln wir diese Fälle und schauen uns das systematisch gemeinsam mit anderen Zentren im Rahmen einer Studie an. Wichtig ist, dass wir nicht - wie man das in der Anfangsphase der Pandemie gesehen hat - vorschnelle Rückschlüsse ziehen, sondern mit Hilfe sorgfältiger, wissenschaftlicher Arbeit Antworten finden. Es mag auch herauskommen, dass die Zehenverfärbungen gar nichts mit Covid zu tun haben."