Diabetespatienten erkranken schwerer an Corona
Nachdem eine im Frühjahr 2020 durchgeführte Studie einen Zusammenhang zwischen chronisch erhöhtem Blutzuckerspiegel und schwerem Krankheitsverlauf bei Covid-19 vermutet hat, bestätigt eine zweite in Tirol durchgeführte Studie, dass Diabetespatienten schwerer an Corona erkranken. Michael Joannidis, Leiter der internistischen Intensivstation der Universitätsklinik Innsbruck empfahl im APA-Interview, jene besonders gefährdeten Personen auch bei den Impfungen zu priorisieren.
Noch seien keine Auswirkungen durch die angelaufene Impfkampagne auf die Lage in den Intensivstationen spürbar, beobachtete Joannidis. Er rate zu einem "breiten Ausrollen der Impfbemühungen". "Risikogruppen müssen möglichst schnell geimpft werden", forderte der Mediziner.
Untersuchungen in Tirol
Schließlich wisse man, welche Risikofaktoren einen schweren Krankheitsverlauf begünstigen: So habe sich in der zweiten Studie bestätigt, dass Diabetespatienten schwerer an Covid-19 erkranken. Von 389 in den Herbstmonaten untersuchten Intensivpatienten in Tirol sei bei 256 Patienten der HbA1c Wert bestimmt worden. Dieser Wert zeigt einen chronisch erhöhten Blutzucker an. "Bei 86,96 Prozent haben wir Prädiabetes oder Diabetes festgestellt", berichtete Joannidis.
Allerdings wüssten viele Patienten nicht, dass sie diabeteskrank sind. Im Frühjahr hätten 85 Prozent aller in Innsbruck behandelten Intensivpatienten einen bisher nicht erkannten Diabetes oder Prädiabetes aufgewiesen, in der zweiten Welle hätte nur ein Drittel der Patienten davon gewusst. "Der Blutzuckerspiegel muss routinemäßig kontrolliert werden", schlussfolgerte der Mediziner. In der zweiten Studie hätte sich zudem gezeigt, dass Übergewicht zusätzlich schwere Krankheitsverläufe begünstigt.
Man habe aus der ersten Welle gelernt, meinte Joannidis. So wären Intensivpatienten nun standardmäßig mit Kortison behandelt worden, was sowohl die Fälle invasiver Beatmung als auch die Beatmungs- und Behandlungsdauer auf den Intensivstationen "deutlich reduziert" habe. In der ersten Welle hätten die Patienten im Median 18 Tage auf der Intensivstation verbracht, in der zweiten Welle waren es nur noch zehn. 48,1 Prozent der Patienten wurden invasiv beatmet, im Median zehn Tage lang.
Unterschied zwischen erster und zweiter Welle
In Tirol seien in der zweiten Welle "annähernd vier Mal so viele Intensivpatienten" behandelt worden als in der ersten Welle im Frühjahr 2020. Jene Corona-Erkrankten, die in der zweiten Welle intensivmedizinische Behandlung benötigten, seien im Durchschnitt "deutlich älter" gewesen als jene der ersten Welle - im Median um acht Jahre. Dies würde auch die im Vergleich zur ersten Welle etwas höhere Sterblichkeit erklären, meinte Joannidis. 68 Prozent waren über 65 Jahre alt. "In dem Alter weisen Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit Begleiterkrankungen auf", so der Intensivmediziner. Er meinte weiter: "Ein rascher durchgehender Impfschutz für diese Altersgruppe würde die Gefahr der Überlastung von Intensivstationen praktisch bannen".
Dennoch sprach Joannidis von "sehr guten Behandlungserfolgen". Er verwies auf die in Tirol "nach wie vor ausgezeichneten Überlebensdaten im internationalen Vergleich". Die Sterblichkeit auf den Tiroler Intensivstationen betrug in der zweiten Welle 28 Prozent.
Dies sei nicht nur auf verbesserte Behandlungsstrategien zurückzuführen, stellte Joannidis klar, der als Landeskoordinator die Intensivbettenbelegung für Covid-19 in Tirol abstimmt. Der Erfolg basiere auch auf der herausragenden Kooperation der Tiroler Krankenhäuser untereinander. Im "ICU Tirol Netzwerk" habe man "vorausschauend und dynamisch" gemeinsame Intensivbettenbelegung betrieben und "sich gegenseitig regelmäßig unterstützt". Dieses Konzept sei in der ersten Welle etabliert worden und in der zweiten Welle mit der Unterstützung eines "Dashboards, das über die verfügbaren Betten in Tirol aktuell informiert und mit Hilfe von speziell ausgestatteten Intensivtransporten" vorbildhaft umgesetzt worden. Die wesentlichen Daten würden im Tiroler Covid-19 Intensivregister landesweit erfasst, erklärte Joannidis.