Flip-Flops passen nicht allen
Von Ingrid Teufl
Die Flip-Flops waren schuld am Ausfall des deutschen Nationalspielers Marcel Schmelzer. Zumindest, wenn es nach seinem Physiotherapeuten geht. Er machte die beliebten Zehenschlapfen für die Hüftschmerzen des Fußballprofis verantwortlich. Weil er sie zu häufig getragen habe.
Völlig aus der Luft gegriffen ist die Vermutung des Physiotherapeuten nicht. Einer US-Studie der Universität von Auburn, Alabama, zufolge sollen die beliebten Zehenschlapfen die Ursache für eine Reihe gesundheitlicher Schäden am gesamten Bewegungsapparat sein. Flip-Flops gäben den Füßen zu wenig Halt, weshalb sich die Zehen verkrampften. Das verändere das physiologische Gangbild zum Negativen. Die Folge: Der Fuß kann nicht mehr normal abrollen. „Fuß- und Knieschmerzen sind früher oder später die Folge“, warnen Experten auch im deutschen Orthopädie-Magazin.
Prim. Doz. Gerd M. Ivanic, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Fußchirurgie, sieht das ähnlich. „Als Alltagsschuhwerk sollte man Flip-Flops nicht verwendet. Für den gesamten Bewegungsapparat ist längeres Gehen damit nicht gut, weil eine normale Schrittabwicklung nicht möglich ist. Diese lässt sich nur barfuß oder mit den Fuß umfassenden Schuhen erzielen.“ Menschen mit „ausgeprägten Fußdeformitäten wie Knick- oder Plattfüße“ sollten jedenfalls ganz auf days Tragen der Schlapfen verzichten.
Im Sinne eines abwechslungsreichen Schuhwerks können Flip-Flops aber durchaus positive Effekte auf den Fuß und seine Funktion haben. „Er muss arbeiten, um den Schuh nicht zu verlieren und aktiviert dabei Zehen- und Fußmuskulatur.“
Material und Verarbeitung
Diesen Anspruch erfüllt aber bei Weitem nicht jeder der erhältlichen „Zehenfänger“. Fußchirurg Ivanic: „Wichtig ist, wie ein Flip-Flop gebaut ist. Nicht jeder ist untereinander und miteinander vergleichbar.“
Die Schmerzen und Abschürfungen durch den Zehensteg, die vielen das Tragen unerträglich machen, sind so gesehen nur eine Kleinigkeit. Es gehe vor allem um das Material und die Art, wie dieses verarbeitet wurde. „Eine sehr harte, gerade Basis verhindert das Abrollverhalten statt es zu unterstützen.“
Findige Unternehmer setzen deshalb bereits auf orthopädische Flip-Flops. Das heißt, die Zehensandalen werden nach einem Abdruck des jeweiligen Fußes angefertigt (ähnlich wie Einlagen). Eine gute Idee, findet Ivanic. „Aber ob diese auch wirklich besser sind als einfach ein Schuh, der gut passt, sei dahingestellt.“
Apropos passen – Befürworter argumentieren gerne damit, dass Milliarden Menschen in anderen Kulturkreisen nur Flip-Flops kennen würden, aber dennoch keine Fußschäden davontrügen.
Das sei zwar grundsätzlich richtig, sagt Ivanic. „Man muss aber bedenken: Diese Füße sind anders , seit Kindheitstagen sind für die Menschen andere kulturelle und religiöse Grundvoraussetzungen gegeben. Man darf daher den Fuß eines in Arabien aufgewachsenen Menschen nicht mit jenem eines Mitteleuropäers vergleichen.“
Im Lauf unseres Lebens gehen wir 50 Millionen Schritte – das sind etwa 40.000 Kilometer. Unsere Füße leisten also Schwerarbeit. Immer häufiger werden aber Fehlstellungen diagnostiziert, auch bei Kindern. Eine Untersuchung der Uni Salzburg etwa zeigte, dass bereits mehr als 60 Prozent der Volksschulkinder an einer Schrägstellung der großen Zehen (siehe Hallux valgus auf Endoclinic Wien) litten. Prim. Gerd M. Ivanic, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Fußchirurgie: „Es darf natürlich nicht sein, dass das Schuhwerk dazu dient, den Fuß entsprechend anzupassen.“
Auch für Experten ist es jedoch schwierig, „gesunde Füße“ zu definieren. Die medizinischen Parameter änderten sich, Verformungen, die früher als krankhaft gesehen wurden, würden heute anders gesehen. „Generell hat sich in den vergangenen Jahrzehnten das Fußgewölbe etwas abgesenkt. Dadurch ist der Senkfuß heute eher dem normalen Fuß zuzuordnen. Der Senkfuß heutiger Kinder ist in diesem Sinne eigentlich eine normale Entwicklung ("harmlose kindliche Fußdeformität", lt. Facharzt für Orthopädie), eine Art Fuß-Evolution.“ Umgekehrt könne man das früher auch bei Erwachsenen gut ausgebildete Längsgewölbe des Fußes „schon fast als Hohlfuß“ betrachten.