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"No More Bullshit": Ein Handbuch für den Kampf gegen Sexismus

Eine fruchtbare Debatte lebt von durchdachten Argumenten – im Idealfall. Aber jeder kennt’s: Bei emotionsgeladenen Diskussionen wird im Eifer des Wortgefechts mit Fakten oft sehr sparsam umgegangen. Online-Foren und Stammtische treiben unreflektierte Pauschalisierungen auf die Spitze: "Der Pay Gap ist ein Mythos!", "Mittlerweile werden Männer diskriminiert" und "Frauen wollen ja gar nicht in Führungspositionen". Aber wie reagiert man auf Sprüche, denen jede Logik oder jeder Realitätsbezug fehlt? Das Buch „No More Bullshit. Das Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten“ will dabei helfen. Herausgegeben vom Wiener Verein Sorority, versteht sich der Band als Leitfaden für eine produktivere Gesprächskultur. Dafür wurden Vertreter aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst eingeladen, verbreitete Mythen rund um Frausein und Feminismus zu entkräften.

Ist es wirklich so einfach, sich in Diskussionen mit extrem Andersdenkenden immer ruhig und sachlich zu verhalten? Und muss man sich immer auf ein Gespräch einlassen? Grundsätzlich schon, sagt Sandra Nigischer, eine der Herausgeberinnen, im KURIER-Interview. "Verhält sich ein Gesprächspartner wie die Taube auf dem Schachbrett, ist die Diskussion wohl in der Tat sinnlos." Meist seien es aber unreflektierte Aussagen von Kollegen, Familienmitgliedern oder Freunden, gegen die man protestierten sollte.

Auch für harte Jungs

Warum für dieses sachliche Vorhaben ein so reißerischer Titel gewählt wurde, erklärt die Schwesternschaft in der "Gebrauchsanleitung" des Buches: "Weil es manchmal wichtig ist, Dinge als das zu benennen, was sie sind." So wie eben sexistische oder rassistische Aussagen. Ein Beispiel ist das oft gehörte "Männer sind stressresistenter" – ein falsches Vorurteil, wie die Autorin aufzeigt: Frauen verfügen mit den Hormonen Östrogen und Oxytocin über einen natürlichen Stressschutz, da diese das Stresshormon Cortisol in Schach halten.

Obwohl die Beiträge kurz bemessen sind, ist die Argumentation oft etwas langatmig und theoretisch. Zu lachen gibt’s trotzdem was: etwa Stefanie Sargnagels anatomische Darstellung eines "Problemhodens" mitsamt großflächigem "Machtverlust-Angst-Abszess". Oder über das Kapitel "Sei nicht so sensibel", welches mit einer Liste von Mutproben-Vorschlägen für harte Jungs endet: In Horrorfilmen die Augen zumachen, in Karenz gehen, mildes Mineralwasser trinken, ein Motivpflaster auf die Schnittwunde kleben.

Das Buch spannt einen Bogen zwischen unterschiedlichen Auffassungen von Feminismus. Am radikalsten ist wohl die Wissenschaftlerin und Rapperin Lady Bitch Ray: Zum einen mit ihrer Kritik am frauenfeindlichen Wissenschaftsbetrieb – von ihr als "Fuckademia" bezeichnet –, zum anderen in ihrer Bewertung des Begriffs Feminismus, den sie "sowas von unsexy und unwirksam" findet. Dem gegenüber steht die Soziologin Laura Wiesböck, die sich für eine Wiederbelebung der Kategorie einsetzt. Der Vollständigkeit halber kommen auch männliche Stimmen zu Wort.

Frauen-Stammtisch

Die beiden Sorority-Obfrauen Martina Schöggl und Sandra Nigischer haben selbst den Artikel "Achtung, Bitch Fight!" beigesteuert, in dem sie die angebliche Stutenbissigkeit unter Kolleginnen in Frage stellen. Seit 2014 gibt es die Schwesternschaft – eine Karriereplattform zur Vernetzung von Frauen in Österreich. Ihren Fokus auf berufstätige Frauen sieht Schöggl aber nicht als ein Hindernis, auch andere feministische Fragen zu aufzuwerfen: "Damit einher gehen Fragen um Selbstbestimmung und Autonomie, reproduktive Rechte, Elternschaft und Betreuungspflichten, Pensionsbeiträge und Altersarmut." Obwohl die MeToo-Debatte nicht direkt im Buch angesprochen wird, thematisieren für Nigischer fast alle Kapitel, "wie sehr asymmetrische Geschlechterverhältnisse Machtmissbrauch und Diskriminierung begünstigen".

Stammtische sieht sie prinzipiell nicht als etwas Negatives – zumal sie auch selbst einen Selbstständigen-Stammtisch veranstalten. Nigischer: "Wir nutzen das weitgehend männlich geprägte Konzept des Stammtischs bewusst, um es aufzubrechen und ins produktive Gegenteil zu verkehren. Wir stärken uns, indem wir uns eben nicht vollsudern."

Dass die Sorority nicht nur männliche Vorurteile thematisiert, wird spätestens beim Kapitel "Ich bin für Humanismus, nicht Feminismus!" klar. Denn: Auch Frauen können sich oft nicht mit feministischen Zielen identifizieren. Die stellvertretende Obfrau Erza Aruqaj sagt dazu: "Selbst wenn frau noch nie explizit Unterdrückung erfahren hat, bedeutet das nicht, dass es Unterdrückung von Frauen nicht gibt." Gerade deshalb seien Solidarität, Zugehörigkeit und Zusammenschluss von Frauen so wichtig. Und dazu gehören Gespräche mit allen Seiten.