Wirtschaft

Wer jetzt Erdöl abnimmt, bekommt Geld dafür

Dramatischer Wochenstart an den internationalen Ölmärkten: Wegen der Corona-Krise ist der Preis für US-Rohöl auf einen historischen Tiefstand gefallen. Der Preis für einen Kontrakt, der eine physische Öllieferung im Mai vorsieht, notierte erstmals seit Aufnahme des Future-Handels im Jahr 1983 im negativen Bereich – zuletzt bei minus 18,20 US-Dollar (16,76 Euro) je Barrel (159 Liter). Das bedeutet, dass Käufer bei Abnahme Geld erhalten. Zum Vergleich: 2011 hatte der Ölpreis einen Höhepunkt von 114 Dollar pro Barrel erreicht.

Hintergrund ist neben der Coronavirus-Pandemie, dass die Mai-Verträge nur noch bis Dienstag verkauft werden können, die Erdöl-Lager aber nahezu voll sind. Damit gibt es fast keine Abnehmer mehr. Die Pandemie hat zu einem Erdöl-Überangebot wegen der weggebrochenen Nachfrage geführt. Der nachfolgende Terminkontrakt auf amerikanisches Leichtöl (WTI) kostete am Montagabend wesentlich mehr als der Mai-Kontrakt. Ein Barrel WTI zur Lieferung im Juni notierte am Abend bei 22,30 Dollar. Die Nordseesorte Brent kostete je Barrel 26,50 Dollar. Beide Preise lagen allerdings auch klar in der Verlustzone.

Toxische Mischung

Bei Termin-Verträgen verpflichtet sich der Verkäufer, eine festgelegte Menge einer Ware – in diesem Fall Öl – zu einem festen Preis und Termin zu liefern. Aufgrund einer giftigen Mischung aus einer stark fallenden Nachfrage und einem viel zu hohen Angebot drohen in vielen Ländern die Lagerkapazitäten überschritten zu werden. Ölinvestoren wollen in jedem Fall vermeiden, auf fehlenden Lagerplatz zu stoßen.

Die Corona-Krise sorgt für einen globalen Konjunktureinbruch, was eine rückläufige Öl-, Benzin- und Dieselnachfrage zur Folge hat. Zwar haben große Erdölproduzenten wie Russland und Saudi-Arabien unlängst deutliche Förderkürzungen angekündigt. Experten zweifeln jedoch, ob die Reduzierungen ausreichen, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen.

Insbesondere in den USA drohen die Erdöllager aus allen Nähten zu platzen. Seit Ende Februar sind die Lagerbestände im wichtigen Auslieferungsort Cushing um fast 50 Prozent gestiegen. Infolgedessen fallen in der ölreichen Region Texas die gezahlten Abnahmepreise weiter.

Ausgangspunkt

Ein Grund für den Verfall liegt auch am Ausgangspunkt der Corona-Krise: In China ist das Bruttoinlandsprodukt wegen der Pandemie erstmals seit Jahrzehnten geschrumpft. Es ist der erste negative Wert seit mindestens 1992, als die Volksrepublik damit begann, Wachstumszahlen quartalsweise zu veröffentlichen. Der Rückgang im ersten Quartal fiel zudem etwas stärker aus als von Experten erwartet – positiv überrascht haben dagegen Daten von Chinas Industrie. Hier sank die Produktion im März nicht so stark wie befürchtet.

Treibstoffe

An den Tankstellen macht sich der drastische Preisverfall von Rohöl noch nicht in vollem Ausmaß bemerkbar. Zwar sind Diesel und Benzin bei einigen Diskontern billiger als vor einer Woche. Bei vielen gut gelegenen Tankstellen aber war vor dem vergangenen Wochenende sogar ein Preisanstieg zu beobachten.

An der günstigsten Tankstelle in Wien in der Seidengasse im 7. Bezirk kostete der Liter Diesel am Montag laut ÖAMTC-Spritpreisvergleich 0,899 Euro. In Niederösterreich liegt der billigste Dieselpreis ebenfalls bei 0,8999 Euro je Liter, und zwar bei der Tankstelle in Wolkersdorf. Wegen der Corona-Krise haben einige Tankstellen ihre Öffnungszeiten reduziert.