Warum der Immobilienkauf in Wien immer schwieriger wird
Der Immobilienkauf in Wien wird für private Eigennutzer immer schwieriger. Angesichts der niedrigen Zinsen bzw. Negativzinsen kaufen institutionelle Anleger wie etwa Pensionsfonds den Markt leer und treiben die Preise weiter nach oben. Anders sieht es im Mietsektor aus. Da derzeit noch viele neue Mietwohnungen fertiggestellt werden, übersteigt hier das Angebot die Nachfrage, wie die Chefin der EHL Wohnen GmbH, Sandra Bauernfeind, am Mittwoch in einer Videokonferenz erklärte.
Das ist auch der Grund dafür, dass 2021 in Wien eine relativ moderate Erhöhung der Mieten am freien Markt zu erwarten ist. Bauernfeind rechnet hier bei Neuvermietungen mit einer Teuerung von im Schnitt 1,5 Prozent. Derzeit gibt es ausreichend Mietwohnungen am Markt - sowohl im geförderten als auch im freien Bereich. Leistbares Wohnen wird durch zahlreiche Fertigstellungen ermöglicht: "Das Beste dafür ist eigentlich Bautätigkeit - je mehr gebaut wird, desto mehr wird es dämpfend auf Preis- und Mietniveau gehen. Das ist besser als jeder Mietpreisdeckel", meinte die Branchenkennerin.
Weniger Baubewilligungen
Der Trend des Überangebots an Mietwohnungen hat allerdings ein Ablaufdatum. "Corona hat dazu geführt, dass die Baubewilligungen 2020 und 2021 ganz massiv nach unten gegangen sind", betonte Bauernfeind. "Es kommen weniger Projekte auf den Markt."
Derzeit schlage sich noch die hohe Zahl an Baubewilligungen aus den Jahren 2017 und 2018 in nach wie vor vielen Fertigstellungen nieder. "Das wird noch zwei, drei Jahre anhalten - dann fehlen uns die Baubewilligungen", erwartet die Immobilienexpertin. "Das wird den Markt ganz massiv beeinflussen." Denn Wien wachse nach wie vor, "allerdings nicht mehr so stark wie etwa 2015 und 2016 - die Geburten- und Zuwanderungsbilanz ist aber nach wie vor positiv". Derzeit komme es durch Corona und den Lockdown lediglich zu der einen oder anderen Verzögerung bei den Fertigstellungen, das sei aber "nicht von großer Bedeutung".
Die Mieten steigen also vorerst nicht rasant. Der Wohnungskauf hingegen dürfte sich heuer gegenüber dem abgelaufenen Jahr um durchschnittlich 4 bis 5 Prozent weiter verteuern, so die Markteinschätzung. "Es kann durchaus mehr sein - hier wird es auch innerhalb der Bezirksgrenzen große Unterschiede geben", ist sich Bauernfeind sicher.
"Institutionelle Investoren haben Interesse an ganzen Objekten", erklärte sie. Das werde zu einem "deutlichen Anstieg der Kaufpreise führen - auch in den nächsten Jahren". Denn die Zinsen werden niedrig bleiben. Der Preistreiber bei Eigentum sei "die nach wie vor große Nachfrage" der Institutionellen. "Das führt natürlich dazu, dass die Eigentumswohnungen relativ geringfügig auf den Markt kommen und die Preise in die Höhe gehen." Die Nachfrage privater Investoren in Wohnimmobilien sei ebenfalls "auf hohem Niveau, kann aber nur bedingt befriedigt werden". Das Angebot reicht nicht aus.
Die Immobiliengeschäfte in Wien laufen den Angaben zufolge "trotz Corona eigentlich recht gut". Doch die Beweggründe für die Nachfrage hätten sich geändert. "In letzter Zeit stehen immer mehr wirtschaftliche Gründe dahinter", so die EHL-Managerin mit Blick auf die niedrigen Zinsen sowie die Wirtschaftskrise infolge der Coronapandemie. In den Jahren davor war noch in erster Linie die Bevölkerungsentwicklung, also der starke Zuzug nach Wien, der treibende Faktor der Immobiliennachfrage.
Neuer Stellenwert fürs Wohnen
Die Covid-19-Krise hat das Leben von Grund auf verändert. "Das Thema Wohnen, sich zuhause wohlzufühlen, hat einen neuen Stellenwert gefunden", so Bauernfeind unter Verweis auf Lockdowns und Home-Office. "Wir alle haben mehr Zeit in der Wohnung verbracht denn je." Wohnen sei als Grundbedürfnis zur Haupttriebfeder der Nachfrage geworden, "getrieben von der Verschmelzung von Arbeit und Wohnen - Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen". Die Menschen bräuchten dadurch mehr Rückzugsmöglichkeiten, aber auch mehr Möglichkeiten für das Arbeiten von zuhause aus.
Wunsch und Wirklichkeit klaffen bei der Wohnungssuche allerdings auseinander. "Natürlich wünscht sich jeder einen zusätzlichen Raum." Doch nicht jeder könne sich ein Arbeitszimmer extra leisten. Die Durchschnittseinkommen und die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen seien da "limitierende Fakten". "Deshalb glaube ich nicht, dass die Wohnungen wesentlich größer werden", so Bauernfeind mit Blick auf die tatsächliche Nachfrage. Das gilt vor allem für Mietwohnungen. "Die Kunden sind zwar sehr interessiert, es gibt viele Besichtigungen, aber der Wille zum Abschluss ist verhalten. Es wird wirklich sehr gut überlegt, ob der Arbeitsplatz sicher ist."
Durch die hohen Preise sind die Wohnflächen pro Person schon bisher "deutlich gesunken" - in Wien auf im Schnitt 36,1 Quadratmeter pro Einwohner, österreichweit sind es 45,3 Quadratmeter. Zum Vergleich: In Berlin kommt man auf 43 Quadratmeter pro Person, in Tokio hingegen auf nur 15 Quadratmeter.
Beim urbanen Planen in Wien gehe man davon aus, dass die Fläche pro Person weiter abnimmt, sagte die EHL-Wohnexpertin und verwies auf den "Trend zu Mikroapartments" infolge begrenzter Einkommen bzw. Haushaltsbudgets. Eine flexible Nutzung der Grundrisse sei derzeit sehr stark nachgefragt. Raumzonen werden "modular genutzt" - etwa als Arbeitsecke.