Schweinepest geht um: "Reines Glück", dass Österreich verschont blieb
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) setzt ihren tödlichen Zug um die Welt fort. Binnen eines Jahres breitete sich der für Haus- und Wildschweine tödliche Erreger in großen Teilen Chinas und Vietnams aus. Auch Osteuropa, Russland, die Mongolei, weitere asiatische und viele afrikanische Staaten sind betroffen.
"Nur die Kontinente Australien und Amerika sind noch frei", sagt der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) bei Greifswald in Deutschland, Thomas Mettenleiter.
Dass die Afrikanische Schweinepest Österreich und Deutschland noch nicht erreicht hat, ist nach Ansicht Mettenleiters "reines Glück". Der Ausbruch 2018 in Belgien bei Wildschweinen hätte demnach auch hierzulande passieren können. Dass der Fall weit weg von anderen Seuchengebieten aufgetreten ist, gilt als Beleg, dass der Erreger vor allem durch den Menschen weitergetragen wird. Rein über Wildschweine würde sich die Seuche lediglich 15 bis 20 Kilometer pro Jahr ausbreiten, erklärt Mettenleiter.
Sorgen bereiten derzeit die Ausbrüche in Polen. Bis zum 19. November waren dort laut FLI insgesamt knapp 2.000 infizierte Wildschweine erfasst, zuletzt etwa zwei Dutzend in der westpolnischen Woiwodschaft Lebus nahe der Grenze zu Brandenburg.
Österreich: Alle Tiere in einem Betrieb müssten geschlachtet werden
In Österreich ist die Afrikanische Schweinepest bisher noch nicht aufgetreten. Die Gefahr einer Einschleppung ist aufgrund zahlreicher Fälle in Nordosteuropa aber sehr hoch, warnt mitunter die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährung (AGES). "Ein Ausbruch in Österreich hätte schwerwiegende Folgen, für Tiere und landwirtschaftliche Betriebe." So müssten bei Auftreten von ASP in einem Betrieb alle Tiere getötet werden. Die wirtschaftlichen Verluste betreffen über einen großen Zeitraum gesehen die gesamte heimische Schweinewirtschaft."
Für Deutschland wären die wirtschaftlichen Auswirkungen im Seuchenfall enorm. Allein für Mecklenburg-Vorpommern mit gut 200 schweinehaltenden Betrieben rechnet das Ministerium in Schwerin bei einem Ausbruch mit einem Schaden von 980 Millionen Euro pro Jahr für Handelsausfälle, Tierverluste und Entschädigungszahlungen.
1921 erstmals in Kenia
Die Afrikanische Schweinepest wurde im Jahr 1921 erstmals in Kenia beschrieben. Wenig später tauchten erste Fälle in Südafrika und Angola auf. Mit dem Jahr 1996 hat das ASP-Virus Westafrika erreicht (Elfenbeinküste (1996), Benin, Nigeria und Togo (1997) und Ghana (1999)). Es folgten weitere west- und ostafrikanische Länder sowie auch die Insel Madagaskar (1998).
1957 und 1959 kam die ASP von Angola nach Europa. Auf der Iberischen Halbinsel dauerte die Ausrottung der ASP über 30 Jahre. Auf der Mittelmeerinsel Sardinien (Italien) ist die Seuche bereits seit 1978 präsent.
Ein Hotspot der ASP-Epidemiologie nahe bzw. in Europa ist die Region zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, die sogenannte Trans-Kaukasus Region. Hier treten seit dem Jahr 2007 regelmäßig ASP-Ausbrüche auf, die unter anderem die Staaten Georgien, Armenien, Azerbaijan und Russland betreffen. Seit 2007 breitet sich die Seuche weiter nach Norden bzw. Nordwesten aus. Weitere ASP-Ausbrüche wurden nahe an der EU-Mitgliedstaatengrenze 2012 in der Ukraine und 2013 in Belarus festgestellt.
Europa
Seit Anfang 2014 wurden Schweinepest-Fälle bei Wildschweinen in Polen, Litauen, Lettland und Estland festgestellt; seitdem wurden in diesen Ländern mehrere tausend Fälle von ASP sowohl in der Wildschweinepopulation, als auch in Hausschweinebeständen registriert. Generell kann in Osteuropa von einer Zweiteilung gesprochen werden: In den baltischen Staaten, Polen und Ungarn sind überwiegend Wildschweine erkrankt, in Rumänien und Bulgarien überwiegend Hausschweine. Der FLI-Präsident führt die hohe Zahl an Ausbrüchen auf die vielen Klein- und Kleinsthaltungen mit geringerem Seuchenschutz zurück.
Da die ersten Ausbrüche in den betroffenen osteuropäischen Ländern entlang der weißrussischen Grenze stattfanden, geht man davon aus, dass die Einschleppung der ASP in die baltischen Staaten und nach Polen von Weißrussland aus erfolgte. Seit Beginn des Jahres 2017 werden auch vermehrt Ausbrüche bei Hausschweinen und Wildschweinen in der Ukraine gemeldet.
- Am 27.06.2017 wurden von den tschechischen Veterinärbehörden Fälle von ASP bei Wildschweinen in der südöstlichen Region um Zlin (80 km von Österreich entfernt) gemeldet. Aufgrund der zahlreichen Maßnahmen der tschechischen Veterinärbehörden konnten weitere Ausbrüche bislang verhindert werden. Die geographisch weit entfernte Lage der Ausbruchsstelle weist auf eine Übertragung der Krankheit durch weggeworfenen kontaminierte Lebensmittel hin. Auch in Ungarn wird vermutet, dass illegal eingeführte Produkte aus Schweinefleisch die Ansteckungsquelle darstellen.
- Am 23. April 2018 meldeten auch die Ungarischen Veterinärbehörden den ersten Fall von Afrikanischer Schweinepest (ASP) bei einem Wildschwein in Ungarn. Das tote Tier wurde im Bezirk Heves, nordöstlich von Budapest und ca. 50 km von der Slowakischen Grenze entfernt, aufgefunden. Seitdem wurden auch in Ostungarn nahe der Ukrainischen Grenze weitere, an ASP verendete Wildschweine gefunden. Große Teile Ungarns sind bereits als Restriktionszonen ausgewiesen.
- In Rumänien, welches bis Juni 2018 nur vereinzelte Fälle in sogenannten "Hinterhofhaltungen" verzeichnete, kam es beginnend mit Juni zu einem starken Anstieg der ASP Ausbrüche. Betroffen sind sowohl die Wildschweinpopulation, als auch kommerzielle Schweinehaltungen.
- Am 13.9.2018 wurde bei tot aufgefundenen Wildschweinen in Belgien im Dreiländereck Frankreich, Luxemburg, Belgien etwa 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, Afrikanische Schweinepest festgestellt.
- Am 25.07.2019 haben die slowakischen Behörden den ersten Fall von Afrikanischer Schweinepest bei Hausschweinen im Osten des Landes an der Grenze zu Ungarn gemeldet.
- Mit 14. August 2019 bestätigte Serbien erstmalig mehrere Ausbrüche von ASP in Kleinhaltungen in der Nähe Belgrads.
Während in Afrika blutsaugende Lederzecken für die Verbreitung des Erregers sorgen, sind es in Europa und anderswo Blut und Körperflüssigkeiten infizierter Tiere. Das Virus greift die Blutgefäße und Immunzellen an, es kommt zu Blutungen. Manchmal schon nach 48 Stunden, oft nach etwa einer Woche sind die Schweine tot.
China: Rund 130 Milliarden Euro Schaden
In China, dem weltweit größten Produzenten und Konsumenten von Schweinefleisch, schätzen Experten den direkten wirtschaftlichen Schaden bereits auf umgerechnet rund 127 Milliarden Euro. Die Hälfte des chinesischen Schweinebestandes fiel der Seuche zum Opfer. Ende vergangenen Jahres war er noch auf 300 bis 350 Millionen Tiere geschätzt worden. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im Mai dieses Jahres knapp 26 Millionen Schweine gehalten, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. In Österreichs rund 24.000 schweinehaltenden Betriebe werden in etwa 2,6 Millionen Tiere gehalten.
Im Reich der Mitte und in Vietnam - nach Angaben des Agrarministeriums sechstgrößter Schweinefleischproduzent der Welt - entfielen auf Schweinefleisch bisher zwei Drittel des Fleischkonsums. Nun haben sich die Preise verdoppelt. Das weltweit gehandelte Schweinefleisch reicht nicht aus, um den Bedarf unvermindert zu decken. Die stark wachsende Nachfrage nach Schwein hat die Schlachtpreise steigen lassen. Konsumenten müssen nun für Schnitzel, Wurst und Braten etwas tiefer in die Tasche greifen.
Kein Impfstoff
China wird bestenfalls fünf Jahre, schlimmstenfalls viel länger brauchen, um sich von den ASP-Ausbrüchen zu erholen, erwartet Cui Ernan von der Unternehmensberatung Gavekal Dragonomics in Peking. "Das Problem ist, dass es keinen Impfstoff gibt, die Sterblichkeitsrate sehr hoch ist und das Virus sich leicht verbreitet", sagt die Expertin. Erforderlich wäre eine Wandlung des Sektors weg von den dominierenden Kleinbetrieben hin zu großen, scharf überwachten Anlagen. China hat bereits millionenschwere Subventionen dafür beschlossen.
Eine Schutzimpfung gegen die Afrikanische Schweinepest ist laut FLI-Präsident Mettenleiter weiter nicht in Sicht, auch wenn Wissenschafter weltweit daran arbeiteten. "Wir haben nichts, was einen vielversprechenden Hinweis gibt." Das ASP-Virus unterscheidet sich demnach komplett vom Erreger der klassischen Schweinepest. Es sei der bisher einzige bekannte Vertreter einer ganzen Virusfamilie.
Dass keine verwandten Viren bekannt sind, bereitet Mettenleiter zufolge Schwierigkeiten: Die Wissenschafter müssen mit dem hochpathogenen Erreger arbeiten, anstatt einen ähnlichen, schwächeren einzusetzen. Das Virus ist zudem sehr stabil, es hat sich seit den ersten größeren Seuchenfällen 2007 nicht verändert. Daher ließen sich Übertragungswege schlechter nachvollziehen. Zudem sei der Erreger äußerst widerstandsfähig, er könne lange in der Umwelt überleben. Selbst eingefroren kann er über Jahre infektiös bleiben.
Als einzigem der in Europa vom aktuellen Seuchenzug betroffenen Länder gelang es bisher Tschechien, Infektionsherde hermetisch abzuriegeln und das ASP-Virus wieder loszuwerden. Etwa ein Jahr nach einem Ausbruch im Jahr 2017 galt das Land wieder als seuchenfrei. Dänemark will seinen Schweinebestand mit einem etwa 70 Kilometer langen Zaun entlang der Grenze zu Deutschland schützen. Mecklenburg-Vorpommern hat 50 Kilometer Elektrozaun angeschafft, um im Ernstfall wie in Tschechien den Seuchenherd abzuschirmen und alle Wildschweine in dem Gebiet zu erlegen. Im Saarland wurden Hunde speziell für die Kadaversuche geschult, um an Schweinepest verendete Wildschweine im Gelände schnell finden zu können.