Bis zu 47 Milliarden Schaden pro Jahr: Ein "Öxit" käme Österreich sehr teuer
Von Michael Bachner
Nach dem Brexit, dem EU-Austritt Großbritannien vor mehr als vier Jahren, liebäugeln manche Politiker in Europa und immer wieder auch FPÖ-Vertreter in Österreich mit einem ähnlichen Schritt. Der "Öxit" geistert seit Jahren durch Wahlkämpfe und Diskussionen. Aktuell plakatiert die FPÖ den "EU-Wahnsinn stoppen", von einem dezidierten Austritt distanziert man sich regelmäßig.
Österreich käme der Wegfall der EU-Mitgliedschaft extrem teuer, lautet das Ergebnis einer Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wäre im Durchschnitt um 35 Mrd. Euro oder 7,8 Prozent niedriger, errechneten Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr und Inga Heiland von der Norwegian University of Science and Technology. Die Bandbreite reicht je nach Szenario und Berechnung von 24 bis 47 Milliarden Euro (5,3 Prozent bis 10,4 Prozent des BIP).
Wifo-Chef Garbriel Felbermayr sagte zum KURIER: "Wir haben berechnet, was es ökonomisch bedeutet, wenn das ganze Gebilde EU zerbricht. Ein Öxit wäre noch schlimmer. Dann stünde eine große Rest-EU dem kleinen Österreich gegenüber. Dann lägen wir geografisch gesehen plötzlich ganz schlecht."
Der Öxit-Schaden wäre jedenfalls größer, als jener des Brexits für Großbritannien bedeutet hat. Laut Wifo dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Großbritanniens auf Grund des Brexits um 3,2 Prozent bis 6,7 Prozent niedriger liegen, als es sonst wäre. Ein Zusammenbruch der EU würde Österreich jedenfalls langfristig deutlich härter treffen. Denn: Einerseits haben die Briten einen größeren Inlandsmarkt, andererseits wäre Österreich durch die geografische Lage stärker von einem Alleingang betroffen.
Den größten Nutzen für Österreich als kleine offene Volkswirtschaft liefert der Binnenmarkt. Die Schengenzone ist der zweitgrößte Wohlstandstreiber, geht aus der Analyse hervor. Und die Währungsunion ist der drittwichtigste Faktor.
Den Ausbau bzw. die Vertiefung des Binnenmarktes sieht Felbermayr auch als größten möglichen Wachstumstreiber für die Zukunft an. Dabei geht es um eine Energieunion, eine Kapital- oder auch Digitalunion. "Woher sonst soll das Wachstum der Zukunft kommen?", so Felbermayr
Pro Kopf gerechnet, würde ein Öxit im Mittel einem wirtschaftlichen Schaden von 3.860 Euro entsprechen. Die Szenarien reichen hier von 2.735 Euro bis 5.190 Euro pro Kopf. Im EU-Ranking käme Österreich damit auf den sechsten Platz von 27 Ländern, zeigen die Simulationsergebnisse der beiden Ökonomen. Bei einem überraschenden "Öxit" käme es kurzfristig sogar zu einem doppelt so hohen Schaden.
Der wirtschaftliche Vorteil der EU spiegle sich auch im Vergleich der EU-Mitglieder mit den USA wieder, wie Heiland und Felbermayr ausführen. Erzielten jene Länder, die ab 2004 der EU beigetreten sind, vor 20 Jahren etwa 35 Prozent des Pro-Kopf-BIP der USA, erreichten sie im Jahr 2022 schon 57 Prozent des US-Niveaus. "Etwa die Hälfte der beobachteten Konvergenz dürfte kausal auf die EU Mitgliedschaft zurückzuführen sein", teilten die Ökonomen mit.