Milliardenkrimi um deutschen Zahlungsdienstleister Wirecard
Von Anita Staudacher
Markus Braun steht vor einem Trümmerhaufen. Der angezählte Wiener Vorstandschef des deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard sollte eigentlich am Donnerstag die ausständige Jahresbilanz 2019 präsentieren. Stattdessen platzte eine weitere Bombe, die sich zum größten Bilanzskandal an der Frankfurter Börse seit Jahrzehnten auswachsen könnte.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY verweigerte Wirecard das Testat, weil sie für die Existenz von Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Mrd. Euro keine ausreichenden Belege vorfand. Die Summe entspricht einem Viertel der gesamten Bilanzsumme. Die Vorlage der Bilanz wurde auf Freitag verschoben.
„Gigantischer Betrug“
Das Wirecard-Management um Braun teilte daraufhin mit, womöglich Opfer eines „gigantischen Betrugs“ geworden zu sein, und stellte Strafanzeige gegen Unbekannt. Tochtergesellschaften hätten auf Treuhandkonten Sicherheitsleistungen von 1,9 Mrd. Euro eingezahlt, um für das Risikomanagement für teilnehmende Händler zu garantieren.
Es handle sich dabei um zwei asiatische Banken. Zur Erklärung: Wirecard verdient sein Geld mit der Abwicklung elektronischer Zahlungen rund um den Globus und übernimmt dafür das Risiko. Etwa die Hälfte des Geschäfts ist in Asien.
Ermittlungen
Für Wirecard wird es eng: Gelingt es nicht, die Hinweise auf Bilanztäuschung aufzuklären und einen Abschluss vorzulegen, könnten Kredite in Höhe von 2 Mrd. Euro gekündigt werden. Zudem laufen bereits Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Vorstand wegen möglicherweise irreführender Börsen-Pflichtmitteilungen.
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin brachte eine Strafanzeige ein, worauf die Staatsanwaltschaft die Geschäftsräume am Firmensitz in Aschheim bei München durchsuchen ließ. Jetzt werden die Untersuchungen noch ausgeweitet.
Personelle Konsequenz
Der Aufsichtsrat stellte den für das organisatorische Geschäft zuständigen Vorstand Jan Marsalek frei, teilte Wirecard am Donnerstag mit. Der erst vor kurzem neu eingestellte Manager James Freis soll den Job übernehmen. Freis werde früher als geplant bei dem Zahlungsdienstleister starten. Er hätte am 1. Juli beginnen sollen.
Kursgemetzel
Die Aktionäre laufen in Scharen davon und drohen mit Klagen wegen Irreführung. Der Kurs stürzte am Donnerstag zeitweise um fast 70 Prozent ab (Schlusskurs minus 62 Prozent). Sollte er sich nicht nachhaltig erholen, droht im September der Rauswurf aus dem Leitindex DAX.