Das Geschäft mit dem Karpfen: Vermehrt Fisch auf dem Tisch
Beim Fisch-Spezialisten kommt ganz Klassisches auf den Festtagstisch: „Karpfen gebacken, dazu grüner Salat. Oder gebackener Karpfenmilchner.“ Manchmal, erzählt der gelernte Koch, nimmt er so viel Fisch mit nach Hause, dass sich seine Frau nicht mehr darüber freuen kann. „Wer soll das alles essen?“, frage sie ihn mehrmals im Monat.
„Aber ich koche halt leidenschaftlich gerne und auch abwechslungsreich. Das ist für mich Stressabbau.“ Auf die Idee, eine Weihnachts-Gans zu braten, käme er aber nicht, erzählt mit sonorer Stimme. „Die tun mir leid.“
Der gelernte Koch ist der Chef von Fisch Gruber. Wolfgang Christian Gruber betreibt in mittlerweile fünfter Generation einen Fischverkauf am Wiener Naschmarkt. Er kann bei der Auswahl seines Fisches für die Feiertagsgerichte freilich aus dem Vollen schöpfen. Gerade jetzt liegen in seiner Vitrine frische, pralle Exemplare von Steinbutt, Heilbutt, Seezunge, ganze Lachse und Meeresgetier aus nah und fern.
Hochsaison haben zu dieser Jahreszeit neben Karpfen aber auch Edelfische wie der Wolfsbarsch, Kabeljau oder der Rotbarsch. Im Aquarium im Ladeninneren schwimmen die lebendigen Exemplare – heimischer Fisch. Da finden sich hochrückige Karpfen aus dem Gut Dornau, Seewelse und Hechte aus dem Neusiedler See, auch zwei Aale erspäht man im Gewusel.
Ende Dezember ist die größte Nachfrage naturgemäß nach dem Karpfen. Heuer laufe das Weihnachtsgeschäft gut, meint der Chef. „In der Weihnachtswoche allein verkaufen wir sieben Tonnen lebende Karpfen. Sie werden in der Früh, am Nachmittag, manchmal sogar am Abend noch geliefert.“ Den Verkauf von Filets und Portionen zählt Gruber hier noch nicht mit. „Alles in allem ist das sehr viel.“
Karpfen müssten übrigens unbedingt lebend geliefert werden, geschlachtet werden sie bei Fisch Gruber. „Wenn der Fisch erst am nächsten Tag in der Vitrine liegen würde, wäre er blutunterlaufen. Und Blut ist aggressiv, es zersetzt das Fleisch – das tut der Qualität nicht gut“, sagt Gruber. Und Qualität, Service und Beratung seien die Hauptgründe, weshalb Kunden seit 142 Jahren zu seinem Stand am Naschmarkt pilgerten. Der Preis hingegen sei nebensächlich.
1997 übernahm Wolfgang Christian Gruber das Familiengeschäft von seiner Mutter, heute arbeiten auch seine eigenen drei Kinder – also die sechste Generation – im Laden mit. „Die sind mit so einer Liebe und Freundlichkeit gesegnet, die kommen super bei den Kunden an.“ Das sei essenziell. „Fischverkauf ist Vertrauenssache“, weiß der Fachmann. Schon seine Großmutter pflegte zu sagen: „Den Kunden anzuschwindeln, bringt nix. Dann hast du einmal ein Geschäft und nie wieder.“
Kundenwünsche nach heimischem Fisch deckt Gruber gut mit jenem aus dem Neusiedler See ab. Die Frage nach Nährwerten des Fisches hingegen, etwa der Menge an Omega-3-Fettsäuren in der jeweiligen Fischsorte, falle in der Beratung kaum und sei kein Kaufkriterium für die Kunden. „Aber das Herkunftsland interessiert grundsätzlich schon, die Kunden wollen sich ein Bild machen.“
Von Fisch, der im Schleppnetz gefangen wurde, hielten sie wenig. „Sie interessiert der Angelfang: Das ist eine schonende Fangart, der Fisch wird nicht gedrückt, hat keinen langen Weg mit dem Boot zurück und geht gleich zum Händler. Das ist die beste Ware.“
Waldviertler Bio-Karpfen und weit gereiste Forellen
In Sachen Selbstversorgung mit Fisch ist Österreich mangels Meerzugang eher unverdächtig. Schon am 17. Jänner wäre der Jahresvorrat aufgebraucht, hat der WWF errechnet.
Laut einem Bericht des Nachhaltigkeitsministeriums findet zudem immer weniger Fisch aus heimischer Produktion den Weg in den Großhandel. Schuld ist der Preisdruck, mit dem sich industriell erzeugte Importware den Weg in die Verkaufsregale bahnt. 63.000 Tonnen Fisch werden jährlich in Österreich verputzt, bereits 94 Prozent davon werden aus dem Ausland angekarrt.
Für den Waldviertler Teichbauer Marc Mößmer ist jetzt Hochsaison. „Wir haben unser Geschäft im 17. Bezirk am 24. Dezember bis zwölf Uhr offen. Von den Marktständen, die am Samstag offen haben, haben wir viele Bestellungen“, sagt der Karpfen-Züchter, der auch Obmann der Arge Bio-Fisch ist. Österreichweit gibt es laut seinen Angaben 35 Bio-Fisch-Betriebe, 20 davon sind unter dem Dach der 1994 gegründeten Arge.
Zwar steigt die Eigenproduktion in Österreich, trotzdem ist noch viel zu tun, meint Mößmer mit Blick auf die Förderlandschaft. „Österreich stellt europaweit am geringsten Mittel für die Aquakultur zur Verfügung – und die Gelder sind auch schon aufgebraucht.“ Geflossen seien sie in Kreislaufanlagen. „Diese Industrieanlagen kann man sich vorstellen wie die Käfighaltung bei Hühnern.
Es gibt keine Natur, nur einen Computer, der alles kontrolliert.“ Vereinfacht gesagt handle es sich um große Badewannen, die nebst Sauerstofftanks und integrierten Kläranlagen stehen, die das verbrauchte Wasser letztlich wieder zu den Fischen zurück pumpen. Von Natur keine Spur, findet der Bio-Bauer.
Der Selbstversorgungsgrad Österreichs mit Süßwasserfischen liegt bei 30 Prozent. Im Jahr 2017 wurden österreichweit rund 3866 Tonnen Speisefisch von den 482 Aquakultur-Unternehmen produziert – ein Plus von elf Prozent gegenüber 2016. Dazu kommen 160 Tonnen, die von Berufsfischern an den Seen angelandet werden.
Die österreichischen Tiere werden fast zur Gänze direkt von den Erzeugerbetrieben vermarktet, also ab Hof oder direkt an die gehobene Gastronomie verkauft, heißt es in einem Bericht des Nachhaltigkeitsministeriums. Eben, weil die heimischen Produzenten preislich nicht mit der Billigkonkurrenz aus dem Ausland mithalten können. Jeder zweite hier verkaufte Karpfen wird importiert, allen voran aus Tschechien. Forellen kommen im großen Stil aus Frankreich, Spanien und der Türkei.