Belgien: Back to Basics

Löwen (französisch: Louvain, flämisch: Leuven) ist bekannt für seine Universität, seit knapp 600 Jahren prägt sie das Städtchen 20 Kilometer östlich der Hauptstadt Brüssel. Wissensvermittlung hat hier eine lange Tradition, da überrascht es nicht, wenn man sich auf alte Werte besinnt. Das neue Fach, mit dem die Uni derzeit Schlagzeilen macht, dreht sich aber nicht um neue Technologien oder zukunftsweisende Forschung, sondern soll schlicht „Allgemeinwissen“ vermitteln – das überrascht auf den ersten Blick dann doch etwas.

Weniger Fach-Idioten

Zweierlei steckt dahinter, erklärt Vizerektor Ludo Melis im Gespräch mit dem KURIER. Erstens: „Es gibt eine Flut an Wissen und Fakten – aber viele Menschen wissen nichts darüber, woher dieses Wissen kommt, wie diese Fakten entstehen. Sie müssen sich also auf Fakten verlassen, deren Hintergrund sie nicht verstehen.“ Ein Beispiel? „Technologie, Energiewissenschaft – das ist etwa für einen Soziologen schwer zu interpretieren. So entstehen viele Missverständnisse.“ Jeder Student solle daher die Grundlagen mindestens einer „fremden“ Fachrichtung kennenlernen.

Zweitens, sagt Melis, habe die Universität festgestellt, „dass das Wissen immer mehr spezialisiert ist“. Mit dem neuen Fach will man ab Herbst – zunächst auf freiwilliger Basis – den Studenten „die Möglichkeit geben, ihr Wissen zu verbreitern, mehrere Blickwinkel auf eine Sache zu erhalten“. Dabei gehe es nicht nur darum, den jungen Menschen eine bessere Basis für ihr Studium zu geben, sagt Melis: „Wir, als Gesellschaft, brauchen Experten und Bürger, die unterschiedliche Ansätze kennen. Die verstehen, woher Wissen kommt und wie man es managt. Nur so können wir vernünftige, sachliche Debatten führen. Leider reden die Menschen immer mehr aneinander vorbei statt miteinander.“

Schulen lassen nach

Die Initiative sei zum Teil auch auf einen Mangel in den Schulen zurückzuführen, sagt Melis: „Oberstufen versorgen einen heute nicht mehr mit der Allgemeinbildung, für die sie ursprünglich gedacht waren. Aber selbst wenn die Schulen perfekt wären: Die Welt ist heute so kompliziert, dass wir auf der Uni wohl noch immer einen Teil nachholen müssen, der sich in der Schule einfach nicht ausgegangen ist.“

Geschichte Die Universität Löwen wurde 1425 gegründet – als erste Hochschule im Gebiet der heutigen Benelux-Länder. Der Sprachen-Konflikt in Belgien traf auch die Uni: Nach Spannungen zwischen französisch- und niederländischsprachigen Studenten wurde die Uni 1968 geteilt.

Renommee Die niederländischsprachige KU Leuven genießt international einen guten Ruf. Im „Times“-Uni-Ranking 2012/’13 ist sie unter den Top 15 in Europa und Nummer 58 weltweit.