Wirtschaft

Heikler Rohstoff: Warum „Kobolde“ den E-Auto-Boom gefährden

Tiefblau schimmerndes Glas: Die Mesopotamier wussten schon 2000 Jahre vor Christus, wie man Kobalt als Farbstoff einsetzt. Auch die Ägypter schätzten den in der Natur höchst seltenen Farbton.

Anders die Alchemisten des Mittelalters: Die ärgerten sich, dass sie aus dem verhexten Zeug kein Silber zaubern konnten, sondern nur stinkende Dämpfe. Das Metall erhielt deshalb den Schmähnamen „Kobalt“; nach dem, was Kobolde angeblich so im Bergwerk hinterlassen, wenn sie Silber verspeisen.

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Zumindest ein Aspekt der Sage stimmt: Bis heute ist Kobalt ein Nebenprodukt (der Kupfer- und Nickelgewinnung) geblieben.

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Versorgung wird eng

Die Wertschätzung hat hingegen deutlich zugenommen. Kobalt spielt neben Lithium, Nickel und Mangan eine zentrale Rolle in den leistungsfähigsten Batterien, die momentan in Elektro-Autos verbaut werden. Und wird damit zu einer strategischen Ressource.

Sollte der prognostizierte E-Auto-Boom eintreffen, würde die Versorgung 2020 knapp und spätestens 2030 kippen, warnte die EU-Kommission im November des Vorjahres.

Normalerweise sollten die Mechanismen des Marktes solche Engpässe regeln: Wird ein Rohstoff knapp, steigen die Preise. Das macht die Förderung hochprofitabel, neue Minen sperren auf. Die Versorgung bessert sich, die Preise sinken wieder.

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Bei Kobalt ist die Situation aber spezieller. Nach jüngsten Zahlen stammen fast 60 Prozent des geförderten Erzes nämlich aus einem einzigen Land: der Demokratischen Republik Kongo.

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Und die ist, wie die jüngsten Wahlen belegten, nicht gerade ein Hort politischer Stabilität. Was mehrfach, etwa 1978, 1990 und 2008, zu Kobaltkrisen geführt hat. Samt wilden Preisschwankungen.

Auch jetzt wieder. Von 2016 bis 2018 ist der Kobaltpreis um 316 Prozent auf 95.000 Dollar pro Tonne explodiert.

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112 Tonnen abgängig

Das rief selbst im fernen Europa kriminelle Elemente auf den Plan. Im Juli 2018 geschah in Rotterdam ein spektakulärer Diebstahl: Aus einem Lagerhaus verschwanden 112 Tonnen Kobalterz im Wert von zehn Millionen Dollar. Spurlos. Und das bei rund 450 Fässer n zu je 250 Kilogramm – alleine das Umladen und der Abtransport per Lkw müssen an die sechs Stunden gedauert haben.

Dabei dürfte Kobalt gar nicht so leicht zu verkaufen sein. Weil Arbeiter das Erz im Kongo teils noch mit bloßen Händen und illegal abbauen, ist die Herkunft ein großes Thema. Ein Amnesty-Bericht von 2017 stieß immer noch auf Hinweise auf Kinderarbeit.

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Etliche Autohersteller behaupten, das Kobalt für ihre Batterien stamme überwiegend aus anderen Ländern – was nicht für alle stimmen kann. Konzerne wie Daimler, BMW, BASF oder Samsung haben sich Initiativen für verantwortungsbewusstes Kobalt angeschlossen, denen auch Apple oder Sony angehören.

Eine davon steht unter Schirmherrschaft des chinesischen Handelsministeriums, was die Glaubwürdigkeit nicht gerade wahnsinnig erhöht.

China dominiert nämlich nicht nur die Batterieproduktion, sondern auch die Kobalt-Aufbereitung. Und hat sich über Investitionen frühzeitig den Zugriff auf den Rohstoff gesichert. „Die USA sind bei Kobalt de facto von anderen Staaten abhängig. Es drohen Versorgungsunterbrechungen“, heißt es beim US-Außenamt.

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Und auch die EU-Kommission warnt vor Engpässen. 2030 könnte die Nachfrage das Angebot um 64.000 Tonnen übersteigen. Europa kann nicht einspringen: Nur in Finnland wird Kobalt gefördert – und auch da nur 2300 Tonnen im Jahr. Was den Plänen für eigene EU-Batteriefabriken in die Quere zu kommen droht.

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Alternativen gesucht

Dennoch gibt es Hoffnung: Seit Mitte 2018 sind die Preise so rasch abgestürzt, wie sie gestiegen waren – primär weil in der DR Kongo die Fördermengen gestiegen sind.

Aber auch Recycling gewinnt an Bedeutung, ebenso die Forschung. Tesla-Chef Elon Musk kündigte an, bei der nächsten Batteriengeneration ohne Kobalt auskommen zu wollen. Schon jetzt liege der Anteil „unter drei Prozent“. Womöglich wird also bald über andere Engpässe und Preissteigerungen diskutiert. Etwa bei Nickel.

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Woher der Strom für die E-Autos kommt

Der Umstieg auf E-Autos gilt als umwelt- und klimafreundlich. Gut. Das mag für Österreich stimmen, wenn auch hierzulande nicht zur Gänze. Denn die Frage ist: Aus welchen Energiequellen stammt der Strom, den die  E-Mobilität benötigt?

Der Verbund, Österreichs größter Stromerzeuger, hat dies berechnen lassen und kommt auf einen zusätzlichen Strombedarf von neun Terawattstunden im Jahr, falls alle 4,8 Millionen Pkw in Österreich auf Stromantrieb umgestellt würden.  Das wäre ein Zuwachs des Stromverbrauchs um gut 13 Prozent.

Da Österreich fast 80 Prozent des Stroms aus Wasserkraft, Wind, Sonne oder Biomasse produziert, ist ein Umstieg auf Elektroautos tatsächlich klimafreundlich. Allerdings: Kann der zusätzliche Strombedarf auch wirklich „grün“ erzeugt werden?

Der Verbund sagt ja. Denn er rechnet damit, dass Energiesparen in anderen Bereichen den Strombedarf der E-Autos zum Teil aufwiegt.

„Schmutziger Import“

Neue Kraftwerke in diesem Ausmaß zu bauen, scheint nämlich eher unwahrscheinlich. Neun Terawattstunden entsprechen der Jahresproduktion von neun Donaukraftwerken der Größe des Kraftwerks Freudenau. Bleibt der Import von Strom. Schon jetzt kauft Österreich 15 Prozent des Verbrauchs im Ausland ein. Dieser Importstrom aber ist weit weniger grün als der heimische. Er enthält einen großen Anteil Kohle- und Atomstrom.

In anderen europäischen Ländern ist dieser Mix Alltag. Deutschland hat nach wie vor viele Kohlekraftwerke, Polen deckt seinen Strombedarf fast ausschließlich mit Steinkohle als Energiequelle.

Von klimafreundlich kann dann bei der E-Mobilität wohl nicht zu sprechen sein. Der -Ausstoß verlagert sich nur von den Autos zu den Kraftwerken. Bleibt zu hoffen, dass der Stromverbrauch in Summe nicht in dem Ausmaß steigt, wie er durch die Umstellung auf E-Autos verursacht wird, sondern ein Teil tatsächlich durch Sparen kompensiert wird.