Datenskandal: Anwalt unter Verdacht der Abzockerei
Ein niederösterreichischer Fotograf staunte nicht schlecht, als er ein Schreiben wegen Datenschutzverletzung eines Anwalts aus Groß Enzersdorf, der sich selbst als Datenschutz-Anwalt bezeichnet, in seinem Briefkasten fand. Darin wird er grob gesprochen aufgefordert, binnen 14 Tagen 190 Euro zu bezahlen, andernfalls werde er auf Schadenersatz geklagt. Der Selbstständige, der auf seiner Website seine durchaus beliebten Fotokurse bewirbt, ist natürlich aufgebracht, aber auch verunsichert. „Da spiele ich sicher nicht mit. Das ist doch übelste Abzocke“, sagt der Betroffene, der lieber anonym bleiben will.
Der Anwalt Marcus Hohenecker („datenschutzanwalt.eu“) behauptet in diesem Schreiben, seine Mandantin Eva Z. sei durch das bloße Aufrufen der Website des Fotografen schon in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt worden. Denn ihre Computer-Adresse („IP-Adresse“) werde durch die Verwendung von Google-Schriftarten auf der Webseite des Fotografen an den US-Konzern mitgeschickt. Der Suchmaschinen-Gigant könne so ohne die Zustimmung seiner Mandantin ein Nutzerprofil von ihr erstellen und damit ihre Daten missbräuchlich verwenden. Der Fotograf hätte seine Webseite dahingehend absichern müssen.
Massenaktion
Über diese Aktion von Anwalt Hohenecker gibt es helle Aufregung bei Datenschützern, in Internet-Foren und bei Interessensvertretungen.
Denn er dürfte an die 10.000 Abmahnungsschreiben verschickt haben. „Das kann durchaus hinkommen“, sagte Hohenecker zum KURIER. Er beruft sich in seiner Argumentation u. a. auf ein Urteil aus München und auf den Europäischen Gerichtshof. Experten bezweifeln, dass bei dieser Abmahnungsaktion alles mit rechten Dingen zugeht. Sie sprechen von Abzockerei.
So ist es auch kein Wunder, dass die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich ein Ermittlungsverfahren gegen Hohenecker eingeleitet hat, was Präsident Michael Schwarz dem KURIER bestätigt.
„Ich halte den in den Schreiben geltend gemachten Anspruch für falsch“, sagt Datenschutz-Experte Markus Dörfler von der Kanzlei Höhne, In der Maur. „Es liegt der Verdacht nahe, dass die Dame Eva Z. aufgrund der Vielzahl der Schreiben niemals auf diesen Seiten war, sondern lediglich ein Computerprogramm zur Analyse der Webseiten verwendet wurde. Das spricht gegen einen Schadenersatzanspruch.“
Der Kärntner Techniker Walter Wratschko behauptet sogar: „Wir können bei mindestens drei bis vier Fällen nachweisen, dass es sich um Crawler, sprich Software handelt, die eingesetzt wurde.“
Indes verbietet die Datenschutzgrundverordnung per se nicht die Datenübermittlung in die Vereinigten Staaten. „Einfach zu sagen, das Einbetten der Google Schriften, sprich der Google Fonts, ist unzulässig, ist schlichtweg falsch“, sagt Dörfler zum KURIER. „Es gibt unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema, aber keine gesicherte Judikatur. Nachsatz: „Ich freue mich schon auf den ersten Prozess.“ Auch der Fachverband Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (Ubit) in der WKÖ überlegt, für seine Mitglieder Musterprozesse zu führen.
Das sagt der Anwalt
Anwalt Hohenecker rudert mittlerweile zurück. „Das Thema ist nun in einem ausreichenden Maße an die Öffentlichkeit gelangt. Die Schreiben haben gewirkt. Meine Mandantin hat mich beauftragt, keine weiteren Schreiben mehr zu versenden“, sagt Hohenecker zum KURIER. Die bereits anhängigen Fälle will er aber weiter verfolgen. „Meine Mandantin und ich werden massiv bedroht. Die Hetze aus dem Netz verlagert sich jetzt in die reale Welt“, sagt der Anwalt. Es stehe auch der Verdacht im Raum, dass meine Mandantin gar nicht im Internet gesurft hätte. „Die Leute im Internet behaupten, dass das Betrug sei. Dieser Vorwurf ist aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagt Hohenecker. „Sie hat mehr als ein Monat gesurft und sich angeschaut, ob sie überwacht wird.“ Sie habe ihm dann eine lange Liste mit den Webseiten übergeben.
Indes sagt Anwältin Adriana Lukas-Jeannée: „Ich rate unseren Klienten nicht zu zahlen, denn es gibt zahlreiche Argumente, dass der Schaden gar nicht vorliegt.“