Autofahren im Umbruch: „Mobilität wird generell teurer“
Am Rande des Wiener Motorensymposiums sprach der KURIER mit VW-Produktionsvorstand Andreas Tostmann über die Mobilitäts-Strategien des Autobauers.
KURIER: Die EU plant für neue Autos verschärfte Sicherheitsstandards ab 2022. Wie stehen Sie dazu?
Andreas Tostmann: Selbstverständlich werden wir alle gesetzlich notwendigen Standards erfüllen. Ein Teil ist bereits in Modellen umgesetzt. Fahrzeugsicherheit ist ein ernst zu nehmendes Thema.
Werden Autos damit teurer?
Mobilität wird ganz generell in den nächsten Jahren teurer. Sicherheits- und Emissionsstandards werden mit Technologien realisiert, die zusätzliche Kosten verursachen.
Apropos Emissionen: Warum ist VW so stark auf den Elektrokurs eingeschwenkt?
Die Co2-Emissionen der gesamten VW-Bestandsflotte machen immerhin ein Prozent des gesamten Co2-Ausstoßes der Welt aus. VW ist sich daher seiner Verantwortung bewusst. Die Klima- und Co2-Problematik, der wir uns stellen müssen, bringt in erster Linie das batteriebetriebene Fahrzeug in den Vordergrund. Weil wir damit die Emission eines Fahrzeugs auf Null reduzieren können. Das reicht uns aber nicht. Es geht uns um den gesamten Co2-Fußabdruck. Das heißt, wir beziehen die Zulieferer und die gesamte Produktion mit ein und ebenso, woher der Kunde seinen Strom bezieht, bis hin zum Recycling. Mit Hilfe erneuerbarer Energien stehen Batteriefahrzeuge über den gesamten Lebenszyklus sehr vorteilhaft da.
Was macht VW konkret?
Im Transformationsprozess beginnen wir jetzt im Werk in Zwickau mit dem Bau von Elektroautos, konkret den ID.3. Wir werden bis 2022 in 18 Werken des Konzerns Batteriefahrzeuge bauen, zunächst in Zwickau, dann in zwei weiteren deutschen Standorten, es folgen zwei Werke in China und jenes in Nordamerika, in Kombination mit Modellen mit traditionellem Antrieb. Zusätzlich wollen wir die Effizienz in den Produktionsstandorten um je fünf Prozent im Jahr heben, auch um die Rendite zu verbessern. Und bis 2050 sollen alle Fabriken Co2-neutral produzieren.
Um wie viele Mitarbeiter weniger wird VW für die Produktion von Elektroautos benötigen?
Das ist keine einfache Antwort. Die Herstellung eines Elektrofahrzeugs ist deutlich weniger komplex. Wir haben dabei eine um 20 bis 30 Prozent niedrigere Wertschöpfungstiefe als bei herkömmlichen Modellen. Im Gegenzug werden wir unsere Produktivität verbessern und unser Netzwerk umbauen. Zugleich gehen wir von Volumenwachstum durch die ID-Familie aus, so dass es eine ausgewogene Gesamtbilanz geben wird. Wir haben Beschäftigungsgarantien für einzelne Werke bis 2029 zugesagt.
Was sind die Erwartungen für den ID.3?
Wir haben 16.000 Vorbestellungen. Das signalisiert uns ein hohes Interesse für Elektroautos. Um den zukünftigen Bedarf an Batterien abzudecken, hat der Konzern im Rahmen einer Partnerschaft den Aufbau einer Batteriezellenfertigung in Norddeutschland beschlossen. Ich erwarte in den kommenden zehn Jahren bei Volkswagen 30 bis 40 Prozent Anteil reiner Elektroautos am gesamten Neuwagen-Absatz.
Wieso sind Sie so zuversichtlich? Ist das politisch gewünschter Zweckoptimismus?
Nein, ist es nicht. Wenn wir uns das Thema Klimawandel und das Pariser Klimaabkommen sowie die Bewegung „Friday for Future“ ansehen und ernst nehmen, dann kommt man heute an der Technologie, die energieeffizient arbeitet und Null-Emissionen beim Verbrauch darstellt, also dem Batterie-elektrischen Fahrzeug, nicht vorbei. Das heißt nicht, dass nicht in einigen Jahren auch Wasserstoffzellen-getriebene Fahrzeuge hinzukommen. Aber die Technologie ist noch nicht so weit.
Sind die Kunden schon so weit, um auf E-Autos umzusteigen?
Wir sind uns sicher, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Die neue Modellgeneration mit dem ID wird den großen Schub bringen. Erstmals gibt es attraktive und leistbare E-Autos. Wir werden den Handel schulen und argumentativ unterstützen. Der Fahrspaß ist mindestens genauso groß, die Reichweite eines ID.3 beträgt 400 Kilometer normal und 550 Kilometer in einer Long-Range-Version. Und der Preis ist vergleichbar mit einem Golf mit Dieselmotor.
VW legt nun den Schwerpunkt auf den ID.3, der neue Golf scheint da zurückstecken zu müssen.
Ich sehe keine spürbaren Verzögerungen beim Anlauf des Golf 8. Wir haben gesagt, dass der Produktionsstart im dritten Quartal erfolgen wird. Daran wird sich nichts ändern, das werden wir auch tun. Die Markteinführung erfolgt wie geplant 2020. Wir haben lediglich die Reihenfolge und Positionierung angepasst, damit sich die beiden Produkte in der Kommunikation nicht blockieren. In dieser gerade stattfindenden Transformationsperiode hat der Golf 8 eine sehr starke Position.
Erstmals seit Jahrzehnten war der Golf im April nicht mehr das meistverkaufte Auto in Österreich, VW verlor bei den Verkäufen sowohl hierzulande als auch international an Marktanteilen. Warum?
Momentan sind wir mit der Marke VW sehr gut unterwegs. Der Golf 7 steht am Ende seines Lebenszyklus und der Golf 8 steht vor der Tür. Hier ist ein temporärer Rückgang der Verkaufszahlen nicht außergewöhnlich. Der Golf ist nach wie vor der Golf und spielt bei Volkswagen auch weiterhin eine sehr wichtige Rolle. International wächst der chinesische Markt nicht mehr so deutlich, das ist natürlich schmerzhaft.