Wirtschaft

Aus für Tanktourismus in Ungarn - Preis springt an Zapfsäule um

 

Der Spritpreis-Aufschlag für Autofahrer mit ausländischem Kennzeichen in Ungarn bremst Tanktouristen seit Freitag aus. Die Neuregelung hatte Regierungschef Viktor Orban in der Nacht davor überraschend verfügt. Die Umsetzung in die Praxis erfolgte prompt. An der Zapfsäule bei der OMV in Köszeg etwa sei der Preis am Samstag automatisch auf den höheren Wert umgesprungen, nachdem ein Burgenländer mit dem Tanken begonnen hatte, sagte ÖAMTC-Experte Martin Grasslober zur APA.

Der staatlich subventionierte Einheitspreis von 480 Forint (1,24 Euro) je Liter Super-Benzin (Oktanzahl 95) beziehungsweise Diesel gilt nur noch für Einheimische, Ausländer sollen den deutlich höheren Marktpreis zahlen - berichtet wird von einem Aufschlag von 60 Cent je Liter. Die ungarische Regierung hatte den amtlich festgesetzten Spritpreis vergangenen November verfügt.

Chaos an den Tankstellen

Am Freitag hatte an den Tankstellen ob der Kurzfristigkeit der behördlichen Anweisung teils noch Chaos geherrscht. Mitgliederberichten des Mobilitätsclubs ÖAMTC zufolge waren ausländische Autofahrer an ungarischen Tankstellen abgewiesen worden, so etwa bei der OMV in Sopron. Der österreichische Mineralölkonzern hatte am ersten Tag noch Probleme bei der Umstellung von Kassensystemen und IT eingeräumt. Am Samstag funktionierte das dann offenbar, zumindest in Köszeg.

"Die OMV hat die ungarische Regierungsverordnung umgesetzt", hieß es am Montag aus dem Konzern. Alle Tankstellen in Ungarn hätten entsprechend der neuen Verordnung das IT- und Kassensystem umgestellt und seien derzeit geöffnet. In grenznahen Regionen sei es am Freitag zu einer erhöhten Kundenfrequenz gekommen. Nicht alle nicht-ungarischen Kundinnen und Kunden hätten Verständnis für die Einführung der Marktpreise. Ungarn wiederum müssten die Zulassungsbescheinigung ihres Fahrzeugs vorlegen, um die regulierten niedrigen Preise zu erhalten.

Möglichkeiten einer Sammelklage wird ausgelotet

Die Rechtmäßigkeit der behördlich verordneten Neuregelung ist umstritten. Deshalb hat sich der österreichische Verkehrsklub nun an die EU gewandt. "Wir sind heute mit einer Anfrage bei der Kommission vorstellig geworden, ob es sich dabei um einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot handelt", sagte Grasslober.

Erste rechtliche Schritte signalisierte auch die Sammelklagsplattform COBIN claims. Der Verein habe am Wochenende eine "Sammel-Aktion" für Betroffene gestartet. Zunächst gehe es darum, dass Autofahrerinnen und Autofahrer die Mehrzahlungen beim Tanken in Ungarn genau dokumentierten, teilte COBIN claims am Montag mit. Parallel dazu lote die Plattform "Möglichkeiten einer gesammelten Rechtsdurchsetzung bzw. Sammelklage" aus. Der Verein wurde 2017 gegründet und kümmert sich um Massenschadenfälle.

"Wir verzeichneten Kontaktaufnahme durch verärgerte Bürger, die sich über die Ungleichbehandlung gegenüber ungarischen Mit-EU-Bürgern in Ungarn beschwerten", so die Vereinsvorstände Oliver Jaindl und Kilian Franer am Montag. "Das plötzliche Auseinanderdividieren von Österreichern und Ungarn an der Zapfsäule scheint für viele komplett unverständlich zu sein."

Diskriminierung am EU-Binnenmarkt

Ein COBIN-claims-Lokalaugenschein habe ergeben, dass nicht-ungarische EU-Bürger pro Liter Sprit umgerechnet um rund 60 Cent mehr bezahlen müssten. Ungarn scheine bei dem "Ausländeraufschlag" strikt vorzugehen: Eine Angestellte einer Tankstelle in Grenznähe habe erzählt, dass mittels Video-Aufzeichnung geprüft werde, ob die unterschiedlichen Sprittarife für Ungarn und Nicht-Ungarn richtig abgerechnet würden. Falls die Angestellte für ausländische Kfz nicht den erhöhten Preis abrechne, drohten ihr selbst dienstrechtliche Konsequenzen.

Nachdem bereits Universitätsprofessor Walter Obwexer, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Innsbruck, im ORF bereits von einem EU-rechtswidrigen Verhalten Ungarns gesprochen habe, spreche auch der Vorsitzende des COBIN-claims-Beirates Rechtsanwälte, Wolfgang Haslinger, von einer "europarechtliche verbotenen Kunden-Diskriminierung in einem EU-Binnenmarkt, der eigentlich für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger homogen sein müsste".