Wirtschaft

Agrana sieht keine starke Erhöhung der Treibstoffpreise durch E10

Die Agrana hat ihre Forderung nach einer Erhöhung der Bioethanol-Beimengungsquote in Österreich erneuert. Es gebe aktuell keinen Grund, nicht auf E10 umzusatteln, sagte Agrana-Vorstand Norbert Harringer vor Journalisten in Pischelsdorf (NÖ). In der dort ansässigen Bioraffinerieanlage produziert der Lebensmittelkonzern derzeit mehr als das Doppelte des heimischen Eigenbedarfs. Ein Umstieg auf E10 würde auch die Treibstoffpreise nicht zu stark ankurbeln, versicherte er.

"Es ist eine Tatsache, dass die Preise sich durch höhere Beimischung von Ethanol marginal erhöhen würden", führte der Technikvorstand aus. Der erwartbare Effekt dürfte sich jedoch höchstens im niedrigen Cent-Bereich niederschlagen, so Harringer. Er sieht in E10 einen "wichtigen Schritt in Richtung Dekarbonisierung", durch den man hierzulande jährlich rund 200.000 Tonnen an Treibhausgasen einsparen könne. Auch setze man zur Produktion des Ethanols nur Getreide mit Futtermittelqualität ein, die Lebensmittelversorgung werde dadurch nicht beeinträchtigt. Dass vor diesem Hintergrund der Umstieg nicht erfolge, könne er sich nicht erklären - offenkundig scheitere es aber am politischen Willen.

Geringer Gaseinsatz

Die Agrana erzeugt jährlich etwa 260.000 Kubikmeter Bioethanol, 60 Prozent davon werden ins Ausland exportiert. Neben Bioethanol werden in der Bioraffinerieanlage zudem auch Stärkeprodukte wie Gluten, Futtermittel für die Landwirtschaft, oder nicht-fossiles CO2 für die Getränkeindustrie erzeugt. Zur Situation rund um den Preisauftrieb im Bereich Energie meinte der Agrana-Vorstand, dass dieser auch in der Anlage deutlich spürbar sei. Ein Vorteil liege aber darin, dass die Energieversorgung zu einem großen Teil über die Abfallverbrennungsanlagen der EVN erfolge. "Das heißt, der Gaseinsatz hier am Standort ist nur ein äußerst geringer."

Stärker getroffen werde man von hohen Stromkosten, die sich zuletzt verdreifacht - bzw. sogar vervierfacht hätten. Bisher sei es aber großteils gelungen, diese an die Kunden weiterzugeben. Konkrete Forderungen an die Regierung, etwa den Unternehmen mit Unterstützungsmaßnahmen unter die Arme zu greifen, wolle er daher keine formulieren. Für die Frage aber, wie man im Notfall großflächig operieren könne, wünsche er sich seitens der Regierung klare Rahmenbedingungen. "Die fehlen."

Vorkehrungen

Einen möglichen Energienotstand und damit notwendige Maßnahmen seitens des Unternehmens habe man schon im März antizipiert. So sei nicht nur in Pischelsdorf frühzeitig damit begonnen worden, den Einsatz alternativer Brennstoffarten, etwa Heizöl, vorzubereiten. "Das tut zwar weh im Hinblick auf unsere Klimaambition, bis 2040 entsprechend klimaneutral zu sein, wir sehen es aber als notwendig, um die Versorgungssicherheit gegenüber unseren Kunden sicherzustellen." Auch aktuell treffe man weitere Vorkehrungen für die Zukunft. So gebe es in Pischelsdorf Anstrengungen, vorhandene Heizkessel für den Notfall auf den Einsatz von Bioethanol umzurüsten. "Das wird sich aber nicht mehr vor diesem Winter ausgehen."

Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs spüre man im Werk in Pischelsdorf nur bedingt direkt, etwa durch die Verschiebung der Handelsströme, erklärte Walter Schragen, Leiter der Rohstoffabteilung für Stärke in Pischelsdorf. Was dem Unternehmen größere Probleme bereite, seien die kriegsbedingt hohen Rohstoffpreise, auch abseits von Energie. Außerdem hätten manche Bereiche, etwa die Kunden aus dem Papiersektor, begonnen, die Kaufmengen zu reduzieren, ergänzte Harringer. "Das ist meistens ein erstes Zeichen dafür, dass sich die Konjunktur abschwächt."

In der Bioraffinerieanlage von Agrana in Pischelsdorf (Niederösterreich) werden jährlich rund 1 Mio. Tonnen Weizen und Mais zu Weizenstärkeprodukten und Bioethanol veredelt. Der Zucker-, Fruchtsaft- und Stärkekonzern setzt dabei auf Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft - die vollständige Rohstoffnutzung ist "obere Prämisse", wie Agrana-Vorstand Norbert Harringer erklärt. Zudem verfolge man eine Strategie, die konsequent auf die Anreicherung von hochwertigem Eiweiß ziele.

Der Standort in Pischelsdorf ist grob in vier Segmente unterteilt: Zwei Weizenstärkeanlagen, ein Bioethanol-Werk, sowie eine Anlage zur Produktion von Flüssig-CO2. Für die Produktion werden ausschließlich Reststoffe verwendet, die per se für die menschliche Ernährung unbrauchbar sind, wird seitens der Agrana betont. Die Produktion läuft nach einem konkreten Schema als eine Art "vollintegriertes Konzept", in dessen Rahmen die vollständige Weiterverarbeitung der gebrauchten Rohstoffe und Zwischenprodukte vorgesehen ist.

Der Produktionsprozess beginnt mit der Vermahlung des eingesetzten Getreides. Dabei fällt als Nebenprodukt zunächst Kleie an, welches zu Futtermitteln für den Einsatz in der Landwirtschaft weiterverarbeitet wird. Das für die Weiterverarbeitung aufbereitete Mehl gelangt dann in die Stärkefabrik, in der eine Trennung von Protein und Stärke vorgenommen wird. Dabei entsteht die sogenannte A-Stärke, die in der Nahrungsmittelindustrie (etwa in Form von Gluten) sowie in der Papierindustrie zur Verwendung kommt.

Jene vor allem kleineren Stärkekörner, die in der Fabrik nicht verwertbar sind, bilden dann die Grundlage zur Fermentierung in der Bioethanolanlage. Der Bioethanolproduktion werden zur Auslastung der Fermenter aber noch weitere Weizen- und Maiserzeugnisse zugeführt. Aus dem Destillationsrückstand lässt sich so nicht nur das Bioethanol gewinnen, sondern auch weitere, proteinhaltige Produkte für die Futtermittelindustrie. Bei der Fermentation wiederum bildet sich das biogene Flüssig-CO2 für die Getränkeindustrie.

Die Agrana betont, dass es sich um einen umweltschonenden Prozess handle, nicht zuletzt aufgrund der positiven CO2-Bilanz von Bioethanol. Zu einem Gutteil stoße man biogenes - also bereits im pflanzlichen Wachstum gebundenes - CO2 aus. Dennoch emittiert das Unternehmen in Pischelsdorf jährlich rund 50.000 Tonnen fossiles CO2. Die für die Produktion gebrauchten Rohstoffe stammen zu jeweils etwa einem Drittel aus Österreich und Ungarn, zu einem Viertel aus Tschechien. Beschäftigt sind in der Bioraffinerieanlage gut 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.