Dieser Osteopath lässt es krachen
Wenn Gabriele Benedetti bei seinen Patienten Hand anlegt, dann kracht und knackst es - und zwar unaufhörlich. Die Videos, die der italienische Mediziner auf seinem Youtubekanal hochlädt, sind also nichts für schwache Nerven.
Im Internet sind die Clips dennoch - oder gerade deswegen - ein echter Hit. Zwar haben die von Benedetti selbst geteilten Videos nicht gar so viel Reichweite, auf dem Kanal ASMR Videos, der deutlich mehr Abonnenten zählt, wurde eines seiner Videos jedoch bereits über vier Millionen Mal angeklickt.
In dem Video wird eine Frau durchgeknetet. Dabei bearbeitet Benedetti wiederholt den Hals, die Beine, den Rücken und sogar die Füße der Patientin. Dass seine Videos im Internet so viel Anklang finden, scheint dem Italiener zu gefallen. Mittlerweile bespielt er auch Facebook und Instagram mit seinem Content.
Osteopathie: Heilende Hände
Bei osteopathischen Behandlungen werden die Hände sowohl zur Diagnose als auch zur Therapie eingesetzt. In Österreich ist die Osteopathie, wie auch die Chiropraktik, als Berufssparte gesetzlich nicht anerkannt. Hierzulande gibt es neben diesen nicht anerkannten Methoden auch die Manuelle Therapie, die gesetzlich geregelt und von Ärzten und Physiotherapeuten erlernt und angewandt wird.
Ziel einer Behandlung beim Osteopathen ist, Einschränkungen der Beweglichkeit von Strukturen und Geweben zu korrigieren und dadurch körperliches und seelisches Wohlbefinden wieder herzustellen, wie Osteopathin Anja Engel-Schulmeyer in Interview erklärt.
KURIER: Was unterscheidet die Osteopathie von der Chiropraktik? Da herrscht oft eine gewisse begriffliche Verwirrung.
Anja Engel-Schulmeyer: Generell haben die beiden Behandlungsmethoden dieselben Wurzeln. Die Chiropraktik arbeitet damit, dass die Gelenke befreit und damit die Organe oder andere Körperstrukturen positiv beeinflusst werden. In der Osteopathie wird hingegen der gesamte Organismus behandelt. Es handelt sich also um eine ganzheitliche, manuelle Behandlungsmethode, die sich durch die Einbeziehung aller Systeme des Menschen auszeichnet. Es gibt verschiedene Techniken für die Organe (Viscerales System), den Bewegungsapparat (Strukturell-funktionelles System) und das Nervensystem (Craniosacrales System). Wir Osteopathen versuchen diese drei Teilbereiche direkt zu erreichen und arbeiten nicht nur über die Gelenke.
Was passiert bei einer Behandlung beim Osteopathen?
Zunächst kommt es zu einem Anamnesegespräch, um den Patienten und dessen Krankengeschichte kennenzulernen. Dann werden klinische Tests durchgeführt, um Risikofaktoren auszuschließen. In einem dritten Schritt wird mit der Behandlung begonnen. Dabei bedient man sich der gesamten Bandbreite möglicher Techniken, vom Kopf bis zu den Zehen. Der Grundgedanke ist dabei immer eine Einheit aus dem Nervensystem, den Organen und den Muskeln herzustellen.
Welches Risiko und welche Gefahren sind mit den Therapiemaßnahmen verbunden? Rotationsbewegungen des Kopfes in der Chiropraktik, die auch in den veröffentlichten Videos zu sehen sind, bergen ja bekanntermaßen das Risiko einer Arterienverletzung beziehungsweise eines Schlaganfalls.
Wir benutzen dieselben Techniken, also ja, theoretisch besteht dieses Risiko natürlich. Ein wissenschaftlicher Artikel aus 2010 berichtet von weltweit 26 berichteten Todesfällen nach Halswirbelsäulen-Manipulationen in der gesamten medizinischen Literatur von 1934 bis 2009. Auch wenn eine höhere Dunkelziffer von nicht dokumentierten Fällen anzunehmen ist, ist das Risiko damit immer noch verschwindend gering. Die Wahrscheinlichkeit, an Aspirin oder einem ähnlichen Schmerzmittel zu sterben, ist etwa 400 mal so hoch. Die Arbeitsweise von Dr. Benedetti ist außerdem für Osteopathen eher untypisch: Techniken mit Impuls und Knacksen bilden meistens nur einen kleinen Teil einer Behandlung. Zudem stellt eine ausführliche Anamnese vor der Behandlung sicher, dass mögliche Risikofaktoren wie beispielsweise eine Arteriosklerose ausgeschlossen und gewisse Behandlungsmethoden unterlassen werden.
Anja Engel-Schulmeyer ist Osteopathin in Wien, Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Osteopathie (OEGO) sowie Dozentin der Wiener Schule für Osteopathie.
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