Prozess-Auftakt: Harvey Weinstein drohen 140 Jahre Gefängnis
Glamouröse Auftritte in Hollywood sind für Harvey Weinstein lange vorbei. In einem braunen Gefängnisoverall, mit Handschellen und im Rollstuhl sitzend, erschien der frühere Filmproduzent im Juli vorigen Jahres zur Anklageerhebung in Los Angeles vor Gericht. Mit der Auswahl von Geschworenen soll nun am Montag 10. Oktober) der Prozess "People v. Harvey Weinstein" beginnen. Es gibt elf Anklagepunkte, darunter Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe.
Weinstein: Neuer Prozess wegen Sexualverbrechens
Der Prozess gegen Weinstein beginnt am Montag mit der Auswahl der Geschworenen. Bei einer Verurteilung droht ihm eine Strafe von 140 Jahren Gefängnis.
Er wurde bereits zu 23 Jahren Haft wegen Sexualverbrechen verurteilt, nun muss sich der 70-Jährige wieder vor Gericht verantworten. Es geht um Vorwürfe von fünf Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Ihre Namen werden als "Jane Doe #1 - #5" umschrieben und anonymisiert. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben. Wie schon zuvor hat Weinstein auch in diesem Fall jede Schuld zurückgewiesen. Sexuelle Handlungen hätten immer einvernehmlich stattgefunden.
Das hört sich bekannt an. Im März 2020 war Weinstein in New York unter anderem wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. In dem aufsehenerregenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: 2006 soll er die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und 2013 die heutige Friseurin Jessica Mann vergewaltigt haben. Mehr als 80 Frauen hatten Weinstein sexuelle Übergriffe vorgeworfen.
Die Jury glaubte den Zeugenaussagen mehrerer Frauen entgegen Weinsteins Unschuldsbeteuerungen. Die Verurteilung markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Der Fall hatte die #MeToo-Bewegung maßgeblich mit ausgelöst.
Vor fünf Jahren, im Oktober 2017, packten die Schauspielerin Ashley Judd und andere Frauen erstmals in einem investigativem "New York Times"-Artikel öffentlich aus. Mehr als ein Dutzend Frauen warfen dann in einem Bericht der Zeitschrift "The New Yorker" Weinstein sexuelle Übergriffe vor.
Weltweit sahen Betroffene eigene Erlebnisse in denen der mutmaßlichen Weinstein-Opfer wieder. Unter dem Schlagwort "Me too" ("Ich auch") fanden sie öffentlich Gehör - mit Folgen für weitere einflussreiche Leute, die angeprangert, gefeuert oder angeklagt wurden.
2018 wurde der Komiker Bill Cosby wegen sexueller Nötigung zu mehrjähriger Haft verurteilt. Der heute 85-jährige kam allerdings im vorigen Jahr wieder frei - aufgrund eines Verfahrensfehlers war das Urteil überraschend gekippt worden. Ex-Popstar R. Kelly (55) kam nach zwei Schuldurteilen in diesem Jahr wegen Sexualstraftaten für lange Zeit hinter Gitter.
Der Schauspieler Kevin Spacey (63) steht derzeit in New York wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe vor einem Zivilgericht. Er sei als 14-Jähriger von dem Oscar-Preisträger belästigt worden, wirft der Schauspieler Anthony Rapp (50) Spacey vor. Im Zuge der MeToo-Debatte waren von mehreren Seiten Vorwürfe laut geworden. Spacey wurde von der Netflix-Serie "House of Cards" ausgeschlossen.
Zeitgleich mit Weinstein steht ab Mitte Oktober auch Schauspieler Danny Masterson (46, "Die wilden Siebziger") wegen Vergewaltigungsvorwürfen von drei Frauen in Los Angeles vor Gericht. Die angeblichen Vorfälle sollen sich in den Jahren 2001 und 2003 in Mastersons Haus in Hollywood ereignet haben.
Weinstein, der Filme wie "Pulp Fiction" oder "Gangs of New York" produzierte und für "Shakespeare in Love" selbst einen Oscar gewann, wurde im vorigen Sommer aus seiner New Yorker Zelle ins "Twin Towers"-Gefängnis nach Los Angeles verlegt. Im Falle eines Schuldspruchs vor dem kalifornischen Gericht droht ihm eine weitere jahrzehntelange Haft.
Allerdings gibt sich der Ex-Filmmogul weiterhin hoffnungsvoll, auf freien Fuß zu kommen. Ein Berufungsgericht in New York gab im August seinem Antrag nach, Einspruch gegen die frühere Verurteilung von 2020 einzulegen. Seine Anwälte argumentierten, Weinstein habe dort keinen fairen Prozess erhalten. "Ihre harte Arbeit wird mir helfen, am Ende meine Unschuld zu beweisen", sagte der 70-Jährige in einer Mitteilung.
Auch im Kino wird der tiefe Fall des Produzenten neu aufgerollt. Am 13. Oktober feiert das Filmdrama "She Said" von Maria Schrader ("Unorthodox") beim New Yorker Filmfest seine Weltpremiere. Die deutsche Regisseurin erzählt die Geschichte der "New York Times"-Reporterinnen Megan Twohey und Jodi Kantor, die 2017 nach schwierigen Recherchen ihre Weinstein-Enthüllungen zu Papier brachten. Der Film zeigt, wie die Reporterinnen eingeschüchterte Opfer treffen, Weinstein-Mitarbeiter aufsuchen, sich mit Anwälten anlegen, beschattet werden und mit Vorgesetzten diskutieren, ob die Story veröffentlicht werden kann.
Ein Spektakel mit Live-Übertragungen, wie zuletzt beim Verleumdungsprozess zwischen Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard, wird es im Gericht von Los Angeles nicht geben. Kameras sind beim Weinstein-Verfahren unter Richterin Lisa B. Lench nicht erlaubt. Schon die Auswahl der Geschworenen könnte mehrere Wochen dauern, der Prozess ist auf zwei Monate angesetzt.