Die Sölden-Bilanz: Ein Winterbeginn mit Vorbildwirkung
Von Christoph Geiler
Die ersten zwei von insgesamt 73 Rennen in diesem Weltcup-Winter sind gefahren. Sölden erlebte einen Saisonstart, der notgedrungen ganz im Zeichen der Corona-Pandemie stand. „Das Wichtigste war, dass wir die Rennen gefahren sind“, meinte Präsident Peter Schröcksnadel. „Mit der Organisation bin ich sehr zufrieden, mit dem Ausgang der Rennen nicht.“
Eine Bilanz des ersten Weltcup-Wochenendes: Was fiel in Sölden positiv auf, was lief schlecht?
Die Positiva
- Die Organisation
Sölden hat gezeigt: Skirennen sind in diesem Winter möglich, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, mit großem Aufwand und strengen Sicherheitsmaßnahmen. Die Veranstaltung im Ötztal hatte diesbezüglich eine Vorreiterrolle für den gesamten Wintersport in Zeiten von Corona und stand auch entsprechend im Fokus. Es hat sich bezahlt gemacht, dass der ÖSV schon im Frühjahr mit der Organisation begonnen hat. Dieses Sicherheitskonzept sollte sich auch auf andere Weltcupveranstaltungen umlegen lassen.
- Lucas Braathen
Der 20-jährige Norweger sorgte für ein Novum im Skisport: Lucas Braathen ist der erste männliche Weltcupsieger aus dem 2000er-Jahrgang. Sölden scheint überhaupt ein guter Schneeboden für junge Premierengewinner zu sein: Vor einem Jahr feierte dort die 17-jährige Neuseeländerin Alice Robinson ihren ersten Weltcup-Erfolg.
- Das Wetter
Sonnenschein, angezuckerte Berge, frischer Schnee – es waren perfekte, beinahe schon kitschige Landschaftsbilder, die vom Rettenbachferner um die Welt gingen. Ob die Botschaft angekommen ist und die Menschen dadurch Lust aufs Skifahren bekommen haben, erscheint angesichts der aktuellen Corona-Entwicklungen fraglich.
- Die Disziplin
Athleten, Betreuer, Offizielle und Journalisten mussten sich in Sölden strengen Sicherheitsvorgaben unterwerfen. Beginnend mit Covid-Tests über das ständige Tragen der Maske im Zielstadion, dazu bestand für alle Weltcup-Beteiligten praktisch eine Ausgangssperre. Die Sehnsucht nach Rennen war bei allen größer als die Lust auf Après-Ski oder die traditionellen Streifzüge durchs Ötztaler Nachtleben. Die Disziplin war vorbildlich.
- Italiens Damen
Es war kein Zufall, dass die Italienerinnen im letzten Winter den Nationencup gewannen und mit Federica Brignone die Gesamtweltcupsiegerin stellten. Beim Saisonauftakt gaben die Läuferinnen der Squadra Azzurra den Ton an und feierten durch Marta Bassino und Brignone gleich einen Doppelsieg.
Die Negativa
- Die Atmosphäre
Im Fernsehen mag die Szenerie vielleicht nicht ganz so trist gewirkt haben wie vor Ort im leeren Stadion. Wenn man die vollen Tribünen und die tolle Stimmung bei Weltcup-Bewerben in Österreich gewohnt ist, dann sind Geisterrennen extrem irritierend. Den Athleten fiel es schwer, Emotionen zu zeigen. „Seltsam, komisch, nicht meins“, lauteten die Kommentare.
- Die ÖSV-Damen
15, 17, 19, 24 – für die Österreicherinnen ging der Auftakt gründlich daneben. Der schlechteste Ausgang der Gletscherrennen belegt die grundlegenden Probleme im Riesentorlauf. Hoffnungsträgerin Katharina Liensberger kam nicht ins Ziel, Eva-Maria Brem, die letzte Österreicherin, die einen Riesentorlauf gewinnen konnte (2016), ist nur mehr ein Schatten ihrer selbst und wurde nur 46.
- Der Nationencup
Er wolle unbedingt den Nationencup zurückerobern, hatte Präsident Schröcksnadel vor seiner letzten Saison im Amt als Devise ausgegeben. Die erste Zwischenwertung wirft den ÖSV mit 76 Pünktchen nur an sechster Position aus, Erzrivale Schweiz hat in Sölden bereits 340 Zähler gesammelt und die aktuelle Vormachtstellung im Skisport untermauert.