Ein leiser Abschied: Melzers letztes Profi-Spiel in Österreich
Von Harald Ottawa
Jürgen Melzer packte am Donnerstagabend vor ein paar Zusehern sein Tennistascherl und verließ den Next Gen Court. Den Nebenschauplatz, der irgendwie, zumindest soll es der Namen verraten, für Zukunftshoffnungen reserviert ist.
Der 39-Jährige, der längst keine mehr ist, verließ nicht nur die Nebenhalle, sondern auch die Wiener Stadthalle. Für immer – der erfolgreiche Deutsch-Wagramer spielte sein letztes offizielles Profi-Match überhaupt in Österreich. Sein letztes auch deshalb, weil er im Doppel an der Seite des Franzosen Édouard Roger-Vasselin im Viertelfinale verlor. Sehen wird man Melzer in den nächsten Jahren oft genug, immerhin tritt der Rekordspieler im Daviscup-Team (38 Teilnahmen) ab Februar den Posten als Sportdirektor des Tennisverbandes (ÖTV) an.
„Genauso wie er immer gerne für Österreich gespielt hat, so wird er auch diese Funktion mit Herzblut ausfüllen“, sagt der neue ÖTV-Präsident Magnus Brunner. „Ich habe bewiesen, dass ich immer bereit bin, etwas zu tun, das werde ich auch in meiner neuen Funktion beim Verband“, sagt Melzer selbst.
Finish
Doch bevor er dies tut, gibt es auf den Courts noch ein bisserl etwas zu tun. Nächste Woche geht es beim Millionenturnier von Paris-Bercy um eine Verlängerung dieser Saison, mit Roger-Vasselin kann sich Melzer noch für das ATP-Finale in London (ab 15. November) qualifizieren. Und im Jänner gibt es in Australien noch viel von Melzer. Beim ATP-Cup will er noch antreten, „weil ich noch einmal im Team spielen will“. Danach ist nach den Australian Open endgültig Schluss. „Dort könnte es mehr Zuschauer geben.“
Mehr jedenfalls als bei seinem Abschiedsspiel in Wien. Eine echte Abschiedsparty wäre ja vor zwei Jahren bereits vorbereitet gewesen. Die fiel aber ins Wasser, einmal hat diese sein Können verhindert, ein zweites Mal eine Erkrankung. Nach der Partie gegen den Weltklasse-Einzelspieler Milos Raonic wäre eine große Ehrung geplant gewesen, blöderweise spielte Melzer wie in seinen besten Einzelzeiten und gewann. So wurde die Feier verschoben, gegen Kevin Anderson konnte Melzer dann nicht antreten.
Jubiläum
Der Niederösterreicher hätte sich eine Ehrung verdient. Schließlich ist er der einzige Österreicher, der zweimal in der Stadthalle gewinnen konnte. 2009 schlug er im Endspiel den Kroaten Marin Cilic, ein Jahr später seinen Landsmann und Daviscup-Partner Andreas Haider-Maurer in drei hart umkämpften Sätzen. Das war vor fast genau zehn Jahren. Der Waldviertler schlug an diesem 31. Oktober 2010 im zweiten Satz bereits auf das Match auf, fabrizierte aber zwei Doppelfehler und Melzer drehte die Partie. „Das war die bitterste Niederlage meines Lebens“, erinnert sich Haider-Maurer, der seine Karriere aufgrund von Verletzungen bald beendete. „Andi hätte die Partie gewinnen müssen“, erinnert sich Melzer.
Er selbst krönte sich damit sein bestes Jahr, in dem er bei den French Open ins Semifinale kam und in Wimbledon im Doppel mit dem Deutschen Philipp Petzschner siegte. Ein halbes Jahr nach Wien war Melzer im Einzel und im Doppel in den Top Ten – eine Rarität mittlerweile im Tennissport.
Wien bedeutete Jürgen Melzer immer viel. Vor zwei Jahren sagte er: „Ich wusste immer, dass ich hier meine Karriere beenden will, wenn auch nur im Einzel.“ Zumindest hat er sich nun endgültig von Wien verabschiedet. Ohne verdienten Glamour.