Viertelfinale im Corona-Hotspot St. Petersburg sorgt für Kritik
Die Millionenmetropole St. Petersburg hat angesichts hoher Corona-Zahlen von Anfang an als EM-Austragungsort Kritik auf sich gezogen. Doch ausgerechnet vor dem ersten Viertelfinalspiel an diesem Freitag spitzt sich die Lage in der russischen Hafenstadt zunehmend zu. Seit Beginn der Fußball-Europameisterschaft starben in St. Petersburg, wo bislang schon sechs Spiele ausgerichtet wurden, offiziellen Angaben zufolge mehr als 1300 Menschen an Corona. Alleine am Dienstag waren es 119 - so viele wie noch nie seit Beginn der Pandemie.
Die Ostseemetropole hat neue Corona-Beschränkungen verhängt, die angesichts der dramatischen Lage allerdings eher halbherzig wirken: Die größte EM-Fanmeile der Stadt darf statt 5000 nur noch 3000 Gäste empfangen. Restaurants müssen nachts vier Stunden lang geschlossen bleiben. Freizeitparks und Ausstellungen haben zu.
300 positive Finnen
Gleichzeitig bevölkern Touristenmassen das Zentrum der früheren Zarenmetropole - das in der Zeit der weißen Nächte traditionell völlig überlaufen ist. Fans feiern und grölen ohne Schutzmasken, als hätte es nie eine Pandemie gegeben. In sozialen Netzwerken sorgen Videos für Aufsehen, die Zehntausende Schüler zeigen, wie sie im Zentrum der Hafenstadt dicht gedrängt ihren Abschluss feiern. „Mitten in der Epidemie“, kommentiert die Redaktion der oppositionellen Zeitung „Nowaja Gaseta“ diese Corona-Sorglosigkeit. Russlands Nachbar Finnland berichtet von rund 300 Fans, die infiziert von der EM zurückgekehrt seien. Aus Schweden kommen ähnliche Klagen.
30.000 Fans sind dennoch erlaubt
Ein verschärftes Hygienekonzept für das Spiel am Freitag im Stadion sei nicht nötig, sagen die russischen Veranstalter laut Staatsagentur Tass. Es bleibe dabei: 50 Prozent der mehr als 60.000 Plätze in der Gazprom-Arena dürfen beim Spiel von Spanien gegen die Schweiz besetzt werden - der letzten in Russland ausgetragenen Partie. Der Kreml betont, in der Stadt laufe alles nach den Regeln.
Auch vonseiten der UEFA seien keinerlei Änderungen oder gar eine Verlegung des Spiels geplant, erklärt die Europäische Fußball-Union auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Die finale Entscheidung bezüglich der Zuschauerzahl liegt immer bei den jeweiligen lokalen Behörden.“
20.000 Infektionen an einem Tag
St. Petersburg ist unterdessen nicht der einzige Corona-Hotspot Russlands. Zuletzt registrierten die Behörden mit 652 gemeldeten Todesfällen an einem Tag auch landesweit einen Rekordwert. Die mehr als 20.000 Neuinfektionen pro Tag sind ebenso besorgniserregend. Weil sich vor allem die besonders ansteckende Delta-Variante des Coronavirus rasant ausbreitet, hat das Robert Koch-Institut Russland zum Virusvariantengebiet erklärt.
Die Wucht der Delta-Welle trifft Russland, das über mehrere eigene Vakzine verfügt, auch aufgrund der großen Impfskepsis in der eigenen Bevölkerung besonders hart. Mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Massenimpfungen haben sich im größten Land der Erde erst rund 11,5 Prozent der Bürger beide Spritzen verabreichen lassen. Das ursprüngliche Vorhaben, bis zum Herbst 60 Prozent der Bevölkerung geimpft zu haben, erklärte der Kreml für nicht mehr erreichbar.
Moskau antwortet mit Impfzwang
Die Hauptstadt Moskau, in der die Infektionszahlen ebenfalls in die Höhe schnellen, reagierte kürzlich mit einem Impfzwang für Angestellte vieler Berufsgruppen. Es gibt außerdem Restaurantverbote für Menschen, die nicht geimpft, genesen oder negativ getestet sind, und eine Beschränkung von Großveranstaltungen auf maximal 1000 Menschen. Die EM-Fanmeile der Hauptstadt, in der 5000 Menschen Platz haben, durfte nach einigen Tagen Pause trotzdem wieder öffnen - zumindest für Geimpfte, Getestete und Genesene.