Trotz Corona: Ist Rapid bereit für den wilden Ritt durch Europa?
Von Alexander Huber
Zoran Barisic kennt das. 2014, 2015 und 2016 wurde der Rapid-Trainer Vizemeister. Ehe die Verantwortlichen der Großmannssucht anheim fielen, Barisic und damit den Erfolg verabschiedeten. Nach seiner Rückkehr als Sportdirektor und dem 3:1 gegen den LASK jubelt Barisic wieder über Platz zwei. Während die Linzer mit der schweren Hürde Salzburg zum Schluss sogar die Top-3 verpassen könnten.
Fest steht: Es bleibt spannend, besonders wegen den Corona-Auswirkungen. Worum geht’s?
- Die Stärke
Für Schönheitspreise sollte mit dem Rapid-Vortrag kein Antrag gestellt werden. Gespielt wird sehr pragmatisch, zuweilen destruktiv. Allerdings: Lange vermisste Tugenden wie Einsatz, Kampfkraft, Zusammenhalt und Glauben an die eigenen Stärken bis zum Schluss wurden zum Trumpf. Nur Salzburg hat 2020 einen Punkt mehr geholt. Die Meisterprüfung wird sein, in der neuen Saison wieder spielerische Akzente zu setzen, ohne die Kompaktheit zu verlieren.
Für LASK-Trainer Ismael kam mit Corona der große Bruch. „Das war selbst verschuldet, wir haben uns ins Knie geschossen“, meint der Franzose zu den verbotenen Corona-Trainings und der folgenden Aufregung. In neun Spielen wurden acht Zähler auf Rapid verspielt, die Hütteldorfer würden nun auch ohne Punkteabzug der Linzer auf Platz zwei liegen.
- Das Erfolgsgeheimnis
Der Mannschaftsgeist gilt als DAS Erfolgsgeheimnis. Langjährig Involvierte meinen, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl in Hütteldorf (im Unterschied zum Umfeld) so stark ausgeprägt sei wie seit vielen Jahren nicht mehr. Trainer Kühbauer betont: „Fußball funktioniert nur als Kollektiv. Und wir stehen total füreinander ein.“ So wie davor in St. Pölten hat Kühbauer mit seinem "Working-Class-Spirit" einen eingeschworenen Haufen geformt.
Ismael verriet nach dem 1:3, dass mit dem Corona-Aufreger mehr passiert sei als der Punkteabzug: "Davor waren wir im Kopf frei. Das war dann weg. Enge Situationen konnten wir nicht mehr in unsere Richtung drehen."
- Die Europacup-Gegner
Rapid ist in der 2. Quali-Runde zur Champions League am 25./26. August gesetzt, so wie Pilsen. Der dritte Gesetzte (und damit ebenfalls kein mögliches Los) könnte AZ Alkmaar sein. Einer der drei möglichen Gegner ist der Zweite aus Kroatien (derzeit Lok Zagreb). In Griechenland gibt es ein Duell zwischen Meister PAOK Saloniki und AEK Athen um den Vizemeister. Kompliziert ist es in der Türkei, weil Trabzonspor (Zweiter) für den Europacup gesperrt wurde. Das Heimrecht wird gelost.
Mit einem Sieg wäre die Teilnahme an einer der beiden Gruppenphase vorzeitig fixiert. Nach einer Niederlage würde es in der dritten Quali-Runde zur Europa League weitergehen.
Und der LASK? Österreichs Dritter startet im Oktober in die Gruppenphase der Europa League, der Tabellenvierte in der dritten Quali-Runde.
- Die Finanzen
Der LASK könnte den Verlust der Einnahmen aus der Gruppenphase mit den Rücklagen aus den Erfolgen der aktuellen Europacup-Saison auffangen. Auch von Corona sind die Linzer durch den geplanten Umzug auf die Gugl weniger betroffen: Sogar mit Sicherheitsabstand sind in Linz mehr Fans unterzubringen als im vollen Paschinger Stadion.
Anders sieht es bei Rapid aus: Durch die Verordnung mit maximal 10.000 Zuschauern ab 1. September können nicht einmal alle zahlenden Abonnenten ins Stadion. Wenn heuer keine Tageskarte mehr verkauft werden kann, ist der laufende Betrieb nicht zu finanzieren. Nötig wären die Millionen einer Gruppenphase oder aus Transfers. Die Champions-League-Quali bringt nur 660.000 Euro fix.
Zusätzlich droht Ungemach durch Hauptsponsor Wien Energie.
- Die Zukunft
Barisic ist beim dringlichsten Kühbauer-Wunsch (Vertragsverlängerung mit Stefan Schwab) vorsichtig optimistisch: „Ich bin in engem Kontakt mit Stefan und seinem Bruder als Berater. Auch wenn Corona vieles verändert, vertrauen wir einander voll. Wir bemühen uns um eine Lösung.“
Ansonsten könnte versucht werden, Transferaktien zumindest so lange zu halten, bis feststeht, wohin die Europacup-Reise geht.
Der LASK hat mit den drei Legionären Cheberko (Verteidigung), Madsen (Mittelfeld) und Karamoko (Sturm) bereits Alternativen gekauft. Die Transferzeit wird in den Herbst verlängert, doch Ismael betont: „Unser Kader steht zu 98 Prozent.“