Marc Janko über das Nationalteam: "Reif für das Achtelfinale"
Von Marc Janko
Geschafft! Wir sind EM, und das zum zweiten Mal in Folge. „Shampoo!“
Nach dem doch eher überschaubaren Start in die Quali konnte man Fußball-Österreich vor einer Depression bewahren, das Ruder noch einmal rumreißen. Neben der offensichtlichen fußballerischen Qualität und dem ein oder anderen reinigenden mannschaftsinternen Gewitter war vor allen Dingen mentale Stärke der Schlüssel für die erfolgreiche Qualifikation.
Das Team scheint sich als Einheit gefunden zu haben. Von Euphorie war jedoch noch immer keine Spur zu sehen. Entsprechend überschaubar waren die Feierlichkeiten, auch auf Wunsch der Mannschaft. Ein, wie ich finde, cleverer Schachzug, den Ball flach zu halten. Möglicherweise sogar sehr dienlich für die Erwartungshaltung im Land und das damit verbundene Abschneiden bei der Europameisterschaft.
EM in ganz Europa? „Schwachsinnig“
Der Druck auf die Mannschaft wird jedenfalls ein Geringerer sein als 2016. Prognosen sind schwierig, vor allen Dingen wenn sie die Zukunft betreffen, und auch wenn Sie mich jetzt für verrückt halten, aber ich lege mich fest: Das Team von Franco Foda wird bei der EURO die Gruppenphase überstehen, davon bin ich überzeugt.
Taktische Flexibilität, gemachte Erfahrungen, eine Vielzahl von qualitativ mindestens gleichwertigen Alternativen und damit Unabhängigkeit von Formschwankungen oder Verletzungspech Einzelner stimmen mich sehr, sehr positiv.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde es sehr schade und eigentlich schwachsinnig, dass die EURO erstmalig in vielen Ländern ausgetragen wird. Meine Befürchtung ist, dass durch die Verteilung auf so viele Länder der Großeventgeist auf der Strecke bleibt und die berühmten „Fan-Meilen“ zu „Fan-Inches“ zusammenschrumpfen werden. Es wird sich alles ungefähr ähnlich anfühlen, wie wenn man ein Auswärtsspiel der Quali anschaut. Bis auf den Unterschied, dass auf den Banden nichts mehr von Qualifikation steht.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Die einzigen, die sich eventuell darüber freuen, sind die Fluglinien. Denn die Reisestrapazen für das ein oder andere Team werden enorm sein, ganz zu schweigen von der Umweltbelastung. In Zeiten wie diesen ein erwähnenswerter Aspekt, den man bei der Planung eines solchen Events zukünftig auch mitbedenken könnte.
Nicht immer ist es gut oder ratsam, neue Wege zu gehen. „Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht“. Dies gilt übrigens auch für das neue Auswärtstrikot: Ich weiß nicht genau, was man sich dabei gedacht hat, aber offensichtlich dürfte der Chefdesigner, als er den Auftrag am Telefon erhielt, „ÖVP“ statt „ÖFB“ verstanden haben. Anders kann ich mir das Resultat nicht erklären. „Themenverfehlung“ hätte man in der Schule dazu gesagt.
Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Ich hoffe und wünsche der Mannschaft, dass sie bis Sommer von Verletzungen verschont bleibt und dass sich beim Auftaktspiel auch wirklich alle in körperlicher Topverfassung befinden. Nur dann haben wir auch eine große Chance, mit dem Spielstil, der am besten zum Spielermaterial passt, nämlich Offensivfußball mit hohem Pressing und schnellem Umschaltspiel, Erfolg zu haben.
Marc Janko, 36, spielte 70-mal für Österreich und erzielte 28 Tore. Aktuell ist er Fußball-Experte bei Sky.
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