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WM-Traum geplatzt: Neymar erntet Spott statt Titel

So theatralisch er sich durch das Turnier gestikuliert hatte, so unspektakulär war sein Abgang. Um 1.19 Uhr, rund zweieinhalb Stunden nach der 1:2 (0:2)-Niederlage im WM-Viertelfinale gegen Belgien, kam Neymar in der Nacht zu Samstag aus Brasiliens Kabine. Die rechte Hand in der Hosentasche vergraben und den Blick auf den Boden gerichtet, verließ er die Szenerie kommentarlos.

Zum zweiten Mal war sein Traum vom WM-Titel vorzeitig geplatzt, zum zweiten Mal hatte eine Verletzung Anteil dran. Nur diesmal hatte der 222-Millionen-Mann vor aller Welt auch noch seinen Ruf ramponiert.

Von dieser WM wird nämlich Neymar, der Schwalbenkönig in Erinnerung bleiben. Der Schauspieler. Der Dauer-Lamentierer. Und nicht der Ausnahme-Fußballer, der seine Fähigkeiten zumindest angedeutet hatte. Trotzdem war er für die spanische "Mundo Deportivo" der "Neymal" - "mal" heißt schlecht.

Keine schlechte Bilanz

Zwei Tore, zwei Vorlagen in fünf Spielen - das ist eigentlich keine schlechte Bilanz für einen Spieler, der die letzten drei Monate vor dem Turnier verletzt war. "Bei 100 Prozent konnte er nicht sein", sagte Nationaltrainer Tite: "Aber er hat sich mit seiner Einstellung und seinen guten körperlichen Voraussetzungen schneller in Form gebracht, als ich es erwarten konnte." Bei der WM vor vier Jahren im eigenen Land hatte sich Neymar einen Lendenwirbelbruch zugezogen und das 1:7-Debakel im Halbfinale gegen Deutschland hilflos als Zuschauer verfolgen müssen.

"Professor" Tite, dem die Enttäuschung anzumerken war, präsentierte sich als fairer Verlierer. "Wir haben zwei Drittel des Spiels dominiert, aber Belgien hat seine Chancen verwertet. Es ist hart zu sagen, aber es war ein großartiges Spiel mit zwei Mannschaften auf höchstem technischen Niveau", schwärmte er von der Partie. "Wer Fußball mag, muss sich dieses Spiel anschauen."

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Tite vor Verbleib

Aussagen über seine Zukunft wollte Tite direkt nach dem Spiel "in einem derart emotionalen Moment" nicht treffen. Dennoch spricht vieles dafür, dass sein Ende Juli auslaufender Vertrag verlängert werden dürfte. "Darüber gibt es überhaupt keine Debatte", sagte ein Mitglied der brasilianischen Verbands-Führung am Samstagmorgen der brasilianischen Tageszeitung "O Estado de S. Paulo". Auch bei den Spielern erfreut sich Tite großer Beliebtheit.

Ganz so ernüchternd war Brasiliens Ausscheiden diesmal nicht. Dafür kam es sogar noch eine Runde früher. Neymar ist erst 26, im Gegensatz zu Lionel Messi (31) oder Cristiano Ronaldo (33) bleibt ihm wohl noch mindestens eine weitere Chance. Doch erst einmal wird sein neuer Trainer Thomas Tuchel bei Paris Saint-Germain einige Aufbauarbeit leisten müssen. Denn dass er statt der so gewünschten Anerkennung viel Hohn und Spott abbekam, wird nicht spurlos an Neymar vorbeigehen.

Auch gegen Belgien hatte Neymar in zwei Fällen auf peinliche Art und Weise versucht, einen Elfmeter zu schinden. Immerhin plagte ihn nach dem ersten Versuch das schlechte Gewissen, als er Schiedsrichter Milorad Masic bat, nicht die Video-Assistenten zu befragen. Sonst hätte ihm eine zweite Gelbe Karte gedroht und eine Sperre im möglichen Halbfinale.

Im Netz verspottet

In den sozialen Medien wird der teuerste Fußballer der Welt seit Tagen verspottet. In zahlreichen Videos wurde sein theatralisches Rollen aus dem Spiel in Mexiko eingebaut. In der Schweiz übten die Nachwuchskicker des FC Widnau im Training Neymar-Schwalben. Die Satire-Seite "Der Postillon" kündigte an, das Spiel gegen Belgien werde wegen Neymars Theater-Einlagen auf Arte gezeigt. Worauf der Kultursender antwortete, extra dafür die Tierdoku "Die schönsten Schwalben Russlands" aus dem Programm zu nehmen.

Die Wut vieler Ex-Stars war ernst. "Man spottet über ihn - und das zurecht", sagte Lothar Matthäus. "Ich hatte Sorge, er stirbt", meinte Dänemarks früherer Weltklasse-Keeper Peter Schmeichel. "Es nervt, dass er jedes Mal über den Rasen rollt, als sei er schwer misshandelt worden", schimpfte Englands Ex-Torjäger Alan Shearer.

Nach Russland war Neymar gekommen, um das "jogo bonito", das schöne brasilianische Spiel zu zelebrieren. Er ging als Symbolbild für vieles Schlechte im Fußball.