Menorca - Mallorcas stille Schwester
Sanft gewelltes Hügelland, saftig grüne Wiesen, rotbraune Milchkühe, weiß getünchte Bauernhöfe mit alter Käsetradition, Gattertore aus knorrigem Olivenholz, reinrassige, pechschwarze Menorquiner-Pferde, kilometerlange Trockensteinmauern als Grundstücksbegrenzung – Menorca präsentiert sich dem Besucher ganz anders als ihre hoch touristische Schwesterninsel Mallorca.
Biosphärenreservat
Auf der 94.000-Einwohner-Insel Menorca ticken die Uhren noch immer anders – nämlich ländlich, familiär, unaufgeregt, sympathisch. Die UNESCO hat das gesamte Eiland 1993 zum Biosphärenreservat erhoben und damit nachhaltig erreicht, dass Mensch, Natur, Umweltschutz und Wirtschaft einen harmonischen Ausgleich bilden. Viele Strände sind unverbaut, die Landschaft ist ursprünglich geblieben. Vorbildlich ist etwa die Stromgewinnung: "Der einzige Windpark der Balearen steht auf Menorca und versorgt 2000 Haushalte mit Strom", sagt Guide Angelika König. Die Deutsche hat für den Dumont-Verlag einen Reiseführer über Menorca geschrieben, kennt die Insel wie ihre Westentasche. Bei unserer kurzen Rundfahrt erzählt sie auch Geschichterln mit Geschichte.
Etwa dass die 70-jährige Regentschaft der Briten im 18. Jahrhundert noch immer spürbar ist: "Die englischen Soldaten haben den Einheimischen das Gin-Trinken beigebracht, in der Hauptstadt Mahón gibt’s sogar eine Fabrik, die den Wacholderschnaps herstellt. Gin gehört bei uns zum Frühstück wie Kaffee."
Oder dass die Mayonnaise 1756 auf Menorca erfunden wurde und durch Herzog Richelieu Einzug in die französische Küche fand. Er hat Rezept und Zubereitungsart von Menorca nach Paris exportiert – Mayonnaise wurde in der Folge weltbekannt.
Menorca (50 km lang, 20 km breit) ist ein stilles Ziel für Bade- und Wassersportfans, aber auch für Wanderer. Von der höchsten Erhebung im Landesinneren, dem nur 357 Meter hohen Monte Toro, hat man einen schönen Blick auf kleine Ortschaften und und viel Land rund um Bauernhöfe. Ein Großteil der Küste ist unverbautes Naturschutzgebiet. Auf dem historischen, 220 Kilometer langen Cami de Cavalls (Pferdeweg), der ehemals militärischen Zwecken diente, kann man entlang der Küste um die ganze Insel spazieren. Der Naturpark S’Albufera des Grau im Nordosten lockt mit See- und Sumpfgebieten, Kiefernwäldern und Badebuchten zu Erkundungen in der intakten Natur.
Wasserspaß
Menorca hat aber auch für Wasserratten viel zu bieten. Viel Wind bläst an den grobkörnigen Stränden im Norden – ideal für Surfer und Segler. Die feinen Sandstrände im windstilleren Süden sind bei Familien beliebt. Zu den schönsten zählen die Strände von Son Saura, Son Bou, Sant Tomàs sowie die Bucht von Cala Galdana. Klotzige Hotelburgen wie auf Mallorca gibt es nicht.
Sehenswert sind die zwei großen Städte Mahón und Ciutadella, die schmucke Altstädte sowie viele Einkehr- und Shoppingmöglichkeiten bieten. Mahón hat den größten Naturhafen am Mittelmeer (6 km lang, 1,2 km breit, 30 m tief), Kreuzfahrtgäste erreichen die Altstadt mit wenigen Schritten. Ein Ohrenschmaus sind die Orgelkonzerte in der Kirche Santa Maria – die Orgel hat mehr als 3000 Pfeifen. Ciutadella punktet mit Rathausplatz, Kathedrale, prachtvollen Palästen und dem großen Reiterfest (jährlich am 23. und 24. Juni). Außerhalb der Stadt sind das Steinbruchmuseum Pedreres de s’Hostal und die prähistorische Begräbnisstätte Naveta des Tudons einen Stopp wert.
Wer kulinarische Vielfalt genießen will, muss nach Es Mercadal am Fuße des Monte Toro. Der Ort gilt als das gastronomische Zentrum Menorcas. Die Restaurants servieren u. a. knusprige Spanferkel, butterweiche Lammbraten und im Ofen gebackene Gemüsegerichte. Für das Nationalgericht Caldereta de Llagosta (suppenartiger Langusteneintopf) muss man allerdings tief in die Tasche greifen – er kostet 60 bis 70 € pro Person.