Insel Kos: Wie man sich mit Luxussorgen anfreundet
Von Konrad Kramar
Hinter der Strandliege, im eingeklappten Sonnenschirm vielleicht – keine Ahnung, wo sich dieser Elefterios versteckt gehalten hat. Jetzt aber steht er mit einem vorbildlich geschmetterten „Kalispera“ vor mir und versperrt mir den Weg zu meiner Strandliege.
Ob er das Handtuch für mich ausbreiten darf. Schon diese Frage überfordert mich. Weiß ich doch nicht einmal, was ich mit dem Handtuch tun soll, das ich aus dem Zimmer brav hierher getragen habe. Man hat eben seine altbewährten Strandroutinen aus dem letzten Jahrtausend – doch mit denen kommt man im Ressort Ikos-Aria nicht weit. Hier liegen auf jeder Liege zwei penibel gefaltete Handtücher bereit, und dazu eben Elefterios, der sie bei Bedarf knitterfrei auflegt. Ist die Strandliege einmal startklar und man selbst in Richtung Horizontale unterwegs, ist der junge Mann wieder zur Stelle, diesmal mit Speisekarte in der Hand. Was man denn gerne zu trinken hätte, vielleicht einen Snack … kleiner Espresso, großer Espresso, Cocktail, Mineralwasser, extra prickelnd? Himmel, ich hab doch schon alles in mich hinein gekippt an diesem Tag zwischen Pool und Strand.
Bilder: Drei Top-Strände auf Kos
Blumenzupfen frühmorgens
Ich ertappe mich dabei, etwas gestresst darüber nachzudenken, ob ich denn doch noch Lust darauf verspüre, mir irgendetwas in den Hals zu gießen. Ist ja alles inklusive hier. Schließlich winke ich ermattet ab, eigentlich ist mir nur nach Abendsonne, frühsommer-kühlem Meerwasser bis zu den Knien und dem Blick auf die Felseninsel draußen in der Bucht.
In spätestens 15 Minuten ist ohnehin wieder mit Elefterios, dem „Kalispera“ und der Speisekarte zu rechnen. Jetzt habe ich einmal Zeit, mich dem Blick aufs Meer und dem tadellos gerechten Sandstrand zu widmen, und mich zu fragen, ob ich jetzt tatsächlich wunschlos glücklich und entspannt bin. Schließlich ist man in diesem Luxus-All-inclusive-Club an der Südküste der Insel Kos eigentlich ausschließlich damit beschäftigt, sich in diesen Zustand zu versetzen. Schon ein Spaziergang durch diese weitläufige Anlage ist wie ein Trumpfquartett von Urlaubspostkarten. Das Wasser ist tiefblau, der Sand ist weiß, die Poolanlagen sind schier endlos und natürlich mit direktem Blick aufs Meer.
Man weiß oft nicht, in welchen Korbsessel auf welcher Terrasse in welchem Restaurant man seinen Hintern platzieren soll, wenn man nicht ohnehin gerade aus einem aufgestanden ist. Ein Armada von dienstbaren Geistern ist hier unterwegs, manche davon ertappt man am besten frühmorgens, wenn sie mit der Hand welk gewordene Blüten aus den leuchtend roten Blumenbeeten zupfen und Blätter, die sich in den Rasen verirrt haben, hinaus rechen.
Eigentlich begegne ich All-inclusive-Clubs mit gehöriger Skepsis. Dank zweier Kinder habe ich ein paar Jahre lang meine Runden durch diese Clubs gedreht, kann mich noch gut an die Begeisterung erinnern, wenn man zum ersten Mal voller Gier durch eines dieser Riesenbuffets irrt – und an die Enttäuschung, wenn man nach ein paar Tagen schon wieder vor den immer gleichen Gerichten steht; an die Vorfreude auf einen Besuch in einem der sogenannten À-la-carte-Restaurants und den Ärger darüber, dass man dort eigentlich das Essen vom Buffet serviert und den billigen Schankwein aus der Bouteille ausgeschenkt bekommt; auf das Staunen über die Poollandschaft und die Ernüchterung, wenn man merkt, dass die deutschen Kollegen schon wieder früher dran waren und alle Liegen reserviert haben. „Kennen Sie, kennen wir“, winkt Ikos-Managerin Daisy gelassen ab, als ich ihr meine All-inclusive-Enttäuschungen schildern will, genau darauf habe man geachtet.
Tatsächlich gibt es in diesem Club so viele Liegen, Strandkörbe und Sessel, dass sich überall, wo man sich partout jetzt gerade niederlassen will, verlässlich ein Platz findet. Wer an der Weinauswahl in den Restaurants etwas bemäkeln will, muss ebenso böswillig wie trinkfest sein. Ob man sich nun zum Italiener, zum Spanier, oder ins asiatische Restaurant setzt, man bekommt eine gut ausgesuchte und tadellos zubereitete Auswahl der Klassiker aus der jeweiligen Küche. Zusammen mit der entspannten Eleganz von Tischdekor und Inneneinrichtung und dem Service fühlt sich das alles nach einem Restaurantbesuch draußen im wirklichen Leben an.
Zu alte Flip Flops?
Man wird also den ganzen Tag an jeder Ecke gegrüßt, gebettet, gefüttert und mit Getränken aller Art bei Laune gehalten. Das alles tritt einem so tadellos, auf Hochglanz poliert und überhöflich entgegen, dass man sich gelegentlich regelrecht überfordert fühlt. Eigentlich bin ja ich der Stargast auf dieser Gartenparty und trotzdem ereilt mich gelegentlich der Gedanke, dass ich für all das nicht passend angezogen, zu schlecht rasiert und außerdem zu unmanierlich bin. Jetzt habe ich schon wieder die ausgeleierte Badehose vom Vorjahr eingepackt und die Flip-Flops sind nicht die von der Nobelmarke, die der Gast nebenan an der Bar ausführt. Macht nichts, mit ein bisschen Mühe gewöhnt man sich an eine gewisse entspannte Dekadenz. Das erste Mal Zimmerservice – auch das ist rund um die Uhr inkludiert – nimmt man noch etwas verschämt wahr, vor allem, wenn das Sandwich tatsächlich auf feinstem Porzellan und unter der Silberglocke mit dem Kellner anrollt. Ein paar Tage später ertappe ich mich schon dabei, dass ich spätabends am Telefon auf meinem Lieblingsgin zum Tonic bestehe, schmeckt ja sonst nicht richtig, oder?
Ein Manko aller Clubs kann auch all dieser lückenlose Luxus nicht verschwinden lassen, nach Griechenland fühlt sich diese perfekt inszeniert Urlaubslandschaft natürlich nicht an. Es ist eine zumindest atmosphärisch dichte Urlaubs-Raumkapsel. Ein bisschen reales Leben da draußen versucht der Club mit seinen Ausflügen zu bieten. Da gehört dann auch eine Handvoll Gasthäuser dazu, in denen man – ebenfalls inklusive – auswärts in einem der Nachbarorte essen kann. Damit die Bequemlichkeit nicht allzu leidet, gibt es ein hoteleigenes Shuttleservice. Manolis leitet eines dieser Gasthäuser, eine umgebaute Mühle auf einem Hügel über dem Meer mit einer einzigartigen Aussicht. Die Speisekarte, die er mir in die Hand drückt, ist trotzdem im clubeigenen Design. Die würde regelmäßig kontrolliert, lässt mich einer der Club-Manager wissen. Ganz ungefiltert will man das Leben da draußen doch nicht an seine Gäste heranlassen, vielleicht ist es ja doch nicht in Ikos-Qualität.
Info
Anreise
Ab Wien etwa mit Austrian oder Laudamotion direkt nach Kos.
Preise
Das Ikos-Aria-Resort zählt, so wie alle Clubs des Unternehmens, zu den höherpreisigen All-inclusive-Anlagen. Dafür ist vom Zimmerservice rund um die Uhr bis zur großzügigen Wein- und Cocktailauswahl und Abendessen auswärts samt Shuttleservice alles inklusive. Alle Zimmer sind großzügig bemessen. Großes Sportangebot, acht À-la-carte-Restaurants. Wer riskiert, im Spätherbst zu fahren, kann ein DZ für zwei schon um etwa 200 €/Tag ergattern. Hochsaison ab 320 Euro. Info: ikosresorts.com