Politik/Inland

Andreas Treichl: Politik vernachlässigt die Jugend

Andreas Treichl, Präsident des Europäischen Forum Alpbach und ehemaliger langjähriger Bankmanager, sieht in der EU angesichts der Versäumnisse in der Coronakrise Verbesserungspotenzial. "Man muss an der Institution Europa arbeiten und einen Weg finden, wie man in Krisensituationen schneller agieren kann", sagte er im Interview im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio am Samstag. Das gehe nicht, wenn man bei allem und jedem 27 Zustimmungen brauche.

Europa habe in der Coronakrise kein einheitliches Bild abgegeben. So sei das übliche Phänomen eingetreten, dass man sich, wenn Sachen schief laufen, auf die kleinere Ebene zurückziehe. Aber nicht nur auf europäischer, sondern auch auf nationaler Ebene habe das Handling der Coronakrise viele Schwächen demokratischer und subsidiärer Systeme aufgezeigt. Trotzdem glaube er an Demokratie und Subsidiarität.

Jugend kommt zu kurz

Aufhorchen ließ Treichl mit Kritik an der Politik, was die Umsetzung von Anliegen junger Menschen betrifft. Die Politik vernachlässige die Situation der Jungen, meint Treichl: "Wenn aus der Wirtschaft Impulse kommen, um die Jobchancen und Vermögenschancen für Junge zu verbessern, nimmt das die Politik immer weniger ernst." Dabei gebe es nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa keine sehr große Korrelation zwischen dem Alter der Politiker und ihrer Sorge für die Jugend.

Das größte Problem sei derzeit sicher die Umwelt, das zweitgrößte sei die finanzielle Gesundheit der Menschen und der Staaten. All diese Probleme seien interdisziplinär und überregional und eigneten sich nicht für das tägliche politische Geschäft. Man könne sie nur lösen, wenn sich die Jugend in diese Themen stärker einbringe, so der frühere Banker. Es sei völlig klar, dass man in der Umweltbelastung überzogen habe und etwas ändern müsse. Treichl bricht eine Lanze für die Umweltbewegung "Fridays for Future": Diese gehe vielen Menschen auf die Nerven, aber würde sie nicht übertreiben würde wahrscheinlich nichts passieren, gibt er zu bedenken.

Steuerfrage

Als Chef der Erste Group hatte Treichl mit seiner Befürwortung einer Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer für Aufsehen erregt. Darauf angesprochen meint er nun: "In einem Staat, in dem die Steuern und Abgaben auf Arbeit über 45 Prozent sind, braucht man über zusätzliche Steuern überhaupt nicht diskutieren." Wenn die Belastung der Arbeitseinkommen auf 30 Prozent oder darunter ginge, dann könne man die niedrigere Belastung gegen Erbschaftssteuern eintauschen.

Das Europäische Forum Alpbach findet heuer als Hybrid-Event vom 18. August bis 3. September in Alpbach statt. Der Grad der Hybridität hänge von der Corona-Situation ab, heißt es auf der Homepage des Forums.