Politik/Inland

Kopftuchverbot: Einmischung des Staats "totalitär übergriffig"

Das politische Ringen um das Kopftuchverbot für Volksschülerinnen fand am Mittwoch seine Fortsetzung. Die Regierungsfraktionen versuchen, das Verbot einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof zu entziehen, indem sie das Gesetz in Verfassungsrang heben. Dazu benötigen sie jedoch eine Zweidrittelmehrheit – und damit die Stimmen von SPÖ oder Neos.

Diese beiden Parteien stellen aber Bedingungen. Weder Rot noch Pink sperren sich grundsätzlich gegen das Verbot. Beide fordern im Tausch für ihre Zustimmung begleitende Integrationsmaßnahmen, vom verpflichtenden zweiten Kindergartenjahr (Neos) bis zur Wiedereinführung des von Türkis-Blau gestrichenen „Integrationstopfes“ ( SPÖ).

Für ÖVP und FPÖ unverständlich, gehe es doch um den Schutz der Kinder vor Diskriminierung und „Frühsexualisierung“. Familienministerin Juliane Bogner-Strauß sieht überhaupt ein „rein frauenpolitisches Thema“: Es gehe darum, „dass sich Mädchen frei entfalten sollen, frei entwickeln sollen“, sagt sie zum KURIER.

Alle Inhalte anzeigen

Sinnloses Verbot

Eine Sichtweise, die der Priester und renommierte Theologe Paul Zulehner nicht teilt. Zulehner hat 2013 – übrigens im Auftrag des damaligen Integrationsstaatssekretärs Sebastian Kurz – eine repräsentative Studie über Muslime in Österreich vorgelegt. Ein zentrales Ergebnis: „Die Mädchen ändern sich, indem sie von unseren Mädchen in den Schulen lernen“, sagt Zulehner zum KURIER.

Insbesondere die dritte Generation der muslimischen Mädchen denke und fühle genauso wie jene ohne Migrationshintergrund.

Alle Inhalte anzeigen

„Die sind nicht so, wie die Regierung sie gerne hätte“, fasst der Religionssoziologe zusammen. Doch selbst wenn das nicht so wäre: Es sei „völlig totalitär übergriffig, wenn sich der Staat hier einmischt. Wieso, mit welchem Recht?“

Außerdem könne man die Religionen „nicht ungleich behandeln“. Würde man das Kopftuch verbieten, müsste man auch „jedes Kreuz raustun, sofort“, sagt Zulehner.

Alle Inhalte anzeigen

Die Bundesregierung dürfte das nicht anfechten. Schon zu Wochenbeginn hatte Türkis-Blau angekündigt, das Verbot in jedem Fall umzusetzen – ob „mit oder ohne Opposition“, wie FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz sagte.

Der Antrag im Wortlaut

Folgenden Antrag haben ÖVP und FPÖ am Donnerstag im Nationalrat eingebracht (Auszug):

  1. Um die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung aller Schülerinnen und Schüler sicherzustellen, ist diesen bis zum Ende des Schuljahres, in welchem sie das 10. Lebensjahr vollenden, das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist, untersagt. Dies dient der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau.
  2. Bei Verstoß gegen das Verbot gemäß Abs. 1 hat die Schulleiterin bzw. der Schulleiter unverzüglich die jeweils zuständige Bildungsdirektion zu verständigen. Diese hat die Erziehungsberechtigten unverzüglich, jedenfalls innerhalb von 4 Schultagen, zu einem verpflichtenden Gespräch zu laden. In dem Gespräch sind die Gründe für den Verstoß zu erörtern. Zur Vermeidung weiterer Verstöße sind die Erziehungsberechtigten über ihre Verantwortung aufzuklären; dies ist schriftlich festzuhalten und der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter zur Kenntnis zu bringen.
  3. Findet nach dem Gespräch ein weiterer Verstoß gegen das Verbot gemäß Abs. 1 statt, oder kommen die Erziehungsberechtigten der verpflichtenden Ladung nach nochmaliger Aufforderung nicht nach, so stellt dieser eine Verwaltungsübertretung durch die Erziehungsberechtigten dar und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 440 €, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen.