Politik/Inland

Staatsanwälte erstatten Anzeige gegen ranghöchste Justizvertreter

Mehrere Korruptionsstaatsanwälte haben Anzeige gegen den Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek, sowie weitere Vorgesetzte aus der sogenannten Weisungskette wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs eingebracht. Das Eurofighter-Verfahren, das seit Februar 2019 bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft liegt, soll "von höchster Stelle abgewürgt werden“ berichten Ö1 und die Rechercheplattform Addendum.

Im Rahmen einer Sitzung, in der die Korruptionsstaatsanwaltschaft zwei zusätzliche, erfahrene Staatsanwälte anforderte, um "das Schlamassel aufzuarbeiten", soll Pilnacek unter anderem gesagt haben Ich mach ein Auge zu, und wir stellen irgendwelche Dinge ein“, zitieren Ö1 und Addendum aus dem Protokoll der Sitzung.

Nach der Sitzung wurde auch der zuständige (und auf Aufklärung drängende) Teamleiter von der Oberstaatsanwaltschaft abgesetzt.

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Pilz kritisert Weitergabe an Medien

Der JETZT-Abgeordnete Peter Pilz will andere Beweise haben, die Pilnacek in den Verdacht des Amtsmissbrauchs rücken. Pilnacek soll ein geheimes Schreiben an Medien weitergeleitet haben, so Pilz am Donnerstag in einer Pressekonferenz.

Als Beweis legte Pilz ein E-Mail Pilnaceks an einen Redakteur der "ZiB 2" vom 12. Februar dieses Jahres vor, dem die umstrittene Weisung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien beigefügt ist. Ursprünglich war der für die Eurofighter-Causa zuständige Staatsanwalt Michael Radasztics in Verdacht geraten, Information weitergespielt zu haben. Dieser musste die Causa an die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) abgeben.

Pilz sieht in der angeblichen Weitergabe von Pilnaceks eigener Weisung nun eine "Infamie sondergleichen" und fordert die sofortige Suspendierung des Generalsekretärs durch Justizminister Josef Moser (ÖVP) wegen "Verdunkelungsgefahr". Sollte der Ressortchef nicht reagieren, mache sich dieser womöglich noch wegen Beitragstäterschaft durch Unterlassung schuldig, so der JETZT-Abgeordnete.

Zudem kündigte Pilz an, Pilnacek, Minister Moser sowie die beteiligten Staatsanwälte in den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Eurofighter zu laden. Interesse am Abdrehen des Verfahrens durch die Weitergabe der eigenen Weisung könnte Airbus bzw. EADS selbst haben, vermutet der Abgeordnete.

Moser stellt sich hinter Pilnacek

Justizminister Josef Moser (ÖVP) hat Pilnacek in Schutz genommen. "Es gibt derzeit keinen Grund für eine Suspendierung", wies Moser gegenüber der APA entsprechende Forderungen der Oppositionsparteien zurück. Ein "Abdrehen" des Eurofighter-Verfahrens schloss er aus.

Moser bestätigte, dass es eine Dienstbesprechung gegeben habe, bei der die Emotionen hochgegangen sein dürften. Es habe eine Besprechung stattgefunden, bei der es um Personalressourcen und die Medienarbeit gegangen sei. Es seien bestimmte Aussagen gefallen seien, so Moser. "Emotionen" seien aber fehl am Platz, betonte der Minister. Pilnacek habe sich nach einem Gespräch mit dem Minister auch dafür entschuldigt.

Dass das Ministerium Interesse am vorzeitigen Ende der Eurofighter-Ermittlungen haben könnte, schloss Moser aus. Im Gegenteil: "Es wird in jedem Fall alles unternommen, um das Verfahren weiterzuführen." Damit würde er auch seine Arbeit als Präsident des Rechnungshofs konterkarieren, der ebenfalls Prüfungen zur Causa vorgenommen hat.

Anzeige beim Justizministerium

Daraufhin erstatteten die Staatsanwälte Anzeige bei Justizminister Moser, formell als „Informationsbericht“ bezeichnet. Zitat aus dem Bericht: „Da die im gegenständlichen Bericht geschilderten (…) und teils zusammengefassten (…) sowie auch weitere im beigeschlossenen Protokoll ersichtlichen Vorkommnisse (…) nach Auffassung der WKStA auf ihre strafrechtliche Relevanz (…) zu prüfen wären, werden der Bericht und das Protokoll auch im Hinblick auf die daher indizierte Anzeigepflicht nach § 78 StPO vorgelegt.“

Auch der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, Johann Fuchs, soll auf eine rasche Erledigung des Verfahrens gedrängt haben. Und es solle „nicht mehr nach Verdachtsansätzen gesucht werden“.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft stellte im Gespräch mit Pilnacek weiter klar, dass es mehr erfahrenes Personal brauche, um die Ermittlungen voranzutreiben. In weiterer Folge wurde der Teamleiter abberufen und durch einen Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Wien ersetzt (und zwar jenem Juristen, dem als Fachaufsicht zuvor Fehler im, Eurofighter-Verfahren entgangen sein sollen).

Informationsschreiben bestätigt

Das Justizministerium bestätigte laut Addendum, dass die WKStA am 18. April 2019 betreffend der Eurofighter-Besprechung ein Informationsschreiben an Minister Moser übermittelte. Der Fall wird nun von der Staatsanwaltschaft Linz dahingehend geprüft, ob Ermittlungen eingeleitet werden.

Laut Oberstaatsanwaltschaft sei man an einer umfassenden und zügigen Aufklärung interessiert gewesen. Unterschiedliche Ermittlungsstrategien seinen nicht ungewöhnlich. Vielmehr ist die Erörterung und Darlegung der Sichtweisen Sinn einer Dienstbesprechung und die pointierte Darlegung des eigenen Standpunkts der Diskussion geschuldet. Einzelne Wortmeldungen und Dissonanzen zwischen den Sitzungsteilnehmern dürfen daher nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden, so die Oberstaatsanwaltschaft in einer Reaktion. Außerdem seien drei zusätzliche Staatsanwälte zugeteilt worden.

Pilnacek schweigt

Pilnacek selbst will sich zur Anzeige durch die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen seine Person nicht äußern. Er verwies auf Anfrage der APA auf das nun laufende Verfahren wegen Amtsmissbrauchs. Die Generalprokuratur habe die Causa an die Staatsanwaltschaft Linz delegiert, die dem Verdacht nachgehe. "Bis dahin werde ich mich nicht äußern", sagte Pilnacek am Donnerstag.

Auch im Büro von Justizminister Moser hüllt man sich in Schweigen und will die Prüfung der Anzeige erst einmal abwarten. Davor werde es keine Stellungnahme zum Verdacht des Amtsmissbrauchs in der Causa Eurofighter geben, sagte seine Sprecherin auf Anfrage der APA. Die Staatsanwaltschaft Linz habe man mit der Prüfung betraut, um keinen Anschein der Befangenheit zu erwecken.

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SPÖ-Anfrage im Parlament

Die SPÖ bringt im Parlament eine parlamentarische Anfrage ans Justizministerium ein. Die dem KURIER vorliegende Anfrage bezichtigt die ÖVP, den Eurofighter-U-Ausschuss herabzuwürdigen. "Die ÖVP verhält sich wie ein Pflichtverteidiger für EADS und nicht wie Repräsentanten der Republik Österreich", heißt es darin.