Politik/Inland

Österreich im Ruhestand: Bald 2,5 Millionen Pensionisten

Die geburtenstarken Jahrgänge der "Baby-Boomer" aus den 1960er-Jahren kommen grob gesprochen ab 2020 ins Pensionsalter. Sie stellen das Sozialsystem vor neue, riesige Herausforderungen. Nicht nur das Pensionssystem, auch in der Pflege und in der Gesundheit schlägt die fortschreitende Alterung der Gesellschaft stark auf die künftigen Budgets durch.

Pensionsexperten wie Ulrich Schuh warnen davor, dass die Politik untätig zusieht, wie das Missverhältnis im Umlagesystem zwischen Beitragszahlern und Pensionsbeziehern weiter zunimmt. In den laufenden Koalitionsverhandlungen müsse der Sozialbereich daher ein zentrales Thema sein, betonen sie.

Zum KURIER sagte Schuh: „Wir haben zwei Möglichkeiten das System langfristig stabil zu halten. Entweder die Leistungen werden deutlich abgesenkt, das würde aber zu einer Steigerung der Altersarmut führen, wie das in Deutschland und Schweden schon zu beobachten ist. Oder wir erhöhen das Pensionsantrittsalter, dann kann man die Leistungen konstant halten. Für mich ist das der Königsweg. Ohne Anpassung an die Lebenserwartung wird es nicht gehen.“

Schuh, früher im Finanzministerium, dann am Institut für Höhere Studien, später bei EcoAustria und Sektionschef im Wirtschaftsministerium, ist jetzt der wirtschaftspolitische Leiter am Institut WPZ-Research.

Bewusstseinsänderung

Der Experte berät auch die „Aktion Generationengerechtigkeit“, die sich für Reformen im Pensionsbereich stark macht und eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung fürs längere Arbeiten schaffen will. „Solange wir dieses Bewusstsein nicht haben, wird auch die Politik nichts tun“, fürchtet die Generalsekretärin des Vereins, Ingrid Nemec.

Die gute Konjunktur, der kräftige Beschäftigungsanstieg und der damit einhergehende Anstieg der Beitragseinnahmen hätte in den vergangenen Jahren die Ausgabendynamik überdeckt, sagt Schuh. Dennoch sei nicht zu leugnen, dass seit 2008 die staatlichen Ausgaben im Pensionsbereich bereits um 15 Milliarden gestiegen seien.

Zur Zeit sei das leistbar, aber wie lange noch? Die Pensionsbeiträge plus der staatliche Zuschuss von 21 Milliarden Euro verschlingen bereits ein Drittel der Staatsausgaben. Schuh: „Nur Länder wie Italien, Frankreich oder Griechenland geben noch mehr für Pensionen aus – allesamt berühmt für ihre nicht gerade soliden Staatsfinanzen.“

Baby-Boomer

Und es geht so weiter. Mit den Baby-Boomern gehen demnächst rund 100.000 Personen pro Jahr neu in Pension (bisher ca. 90.000). Zeitgleich wachsen immer weniger Jungen nach, die mit ihrer Arbeit und Beiträgen die Pensionen der Baby-Boomer finanzieren müssen. Schuh sagt, maximal zwei Drittel, also nur rund 60.000 neue Beitragszahler, kommen neu dazu.

Neben anderen Reformen propagieren Schuh und Nemec daher den Ausbau der 2. und 3. Pensionssäule, etwa über eine Reform der Abfertigung neu. Und zwar: Über höhere freiwillige Zuzahlungen in der Ansparphase.

Oder, dass das Kapital in dieser Zeit nicht entnommen werden darf, sondern erst bei Pensionsantritt beziehungsweise die Auszahlung der Abfertigung (in der Regel) als Zusatzpension, statt automatisch alles auf einmal.

Pensionswissen: Daten & Fakten

Versicherungsstart 1907

Die Pensionsversicherung existiert in Österreich bereits seit 1907, wo sie zunächst für Privatangestellte eingeführt und in der Folgezeit auf weitere Berufsgruppen ausgeweitet wurde. Interessant: Damals lag das gesetzliche Pensionsantrittsalter bei 65 Jahren, wobei die Lebenserwartung  damals erst bei rund 60 Jahren lag.

Das ASVG  1956

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ab 1956 die Grundlage für österreichischen Wohlfahrtsstaat gelegt. Zum Vergleich: Seit damals liegt das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Männer bei 65 Jahren und jenes für Frauen bei 60 Jahren. Die Lebenserwartung war in der Zwischenzeit auf rund 68 Jahre angestiegen.

Immer länger in Pension

Das gesetzliche Pensionsantrittsalter liegt heute unverändert bei 60 (für Frauen) und 65 Jahren (für Männer). Die Lebenserwartung ist freilich auf 84 Jahre bei Frauen bzw. rund 80 Jahre bei Männern angestiegen. Das bedeutet also für Frauen eine Pensionsdauer von 24 Jahren oder eine von  15 Jahren bei Männern.

Faktisches Antrittsalter

In der Praxis ist das Verhältnis freilich noch krasser: Denn Männer gehen mit durchschnittlich 60,6 Jahren deutlich früher in Pension als gesetzlich vorgeschrieben. Bei Frauen liegt das faktische Pensionsantrittsalter bei 58,7 Jahren.