Kurz im Gegenangriff: SPÖ leidet an "Selbstüberhöhung"
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel stellten sich am Montag einer unangenehmen Sondersitzung im Parlament. Es ging unter anderem um eine "Dringliche Anfrage" an den Regierungschef. Und die SPÖ bemühte sich schon in der Begründung derselben, ein Scherbengericht abzuhalten - und zwar über das Führungsteam der ÖVP, konsequent als "türkise Truppe" bezeichnet.
Zusammengefasst wird Regierungschef Sebastian Kurz (ÖVP) vorgeworfen, die Politik zu einem persönlichen und moralischen Tiefpunkt geführt zu haben. "Im Kern geht es um die Frage, wie halten Sie es mit der Wahrheit, Herr Bundeskanzler?", sagte Kai Jan Krainer, der Fraktionsführer der SPÖ im Untersuchungsausschuss, gleich zum Auftakt.
In der von Krainer erstgezeichneten "Dringlichen" werden Angriffe aus allen möglichen Sektoren zusammengezogen. Der Verdacht der Parteienfinanzierung durch die Novomatic wurde ebenso in den Raum gestellt wie die Schredder-Affäre wieder nach oben gezogen. Die "rote Linie" werde erreicht, wenn gegen Kurz Anklage erhoben werde. Das gelte im übrigen auch für Landeshauptleute, gab es einen Seitenhieb in Richtung des burgenländischen Landeschefs Hans Peter Doskozil (SPÖ), gegen den wie gegen Kurz wegen Falschaussage ermittelt wird.
Darüber hinaus wirft die SPÖ der Volkspartei vor, ein zunehmendes Problem mit Justiz und Rechtsstaat zu haben. Es gebe für sie keine rechtlichen oder moralischen Grenzen, der Zweck heilige die Mittel. Wer sich Kurz und seiner Mannschaft in den Weg stelle, werde unter Druck gesetzt, diskreditiert oder sogar bedroht.
Wie reagierte nun der Kanzler?
In seiner gut zehnminütigen Replik sagte Kurz, dass er sich zwar "ganz gut daran gewöhnt" habe, dass man in der Politik auch persönlich attackiert und angegriffen werde. Die letzten Tage und Wochen hätten aber einen Höhepunkt gebracht. "Es geht nicht um einen Wettbewerb der guten Ideen, sondern absolut und ausschließlich darum, andere zu diffamieren", so Kurz im Plenum.
Der Kanzler ortete insbesondere bei der SPÖ eine "Selbsterhöhung", die nichts mehr mit dem demokratischen Diskurs zu tun habe. Den Oppositionsparteien und vor allem der Sozialdemokratie gehe es mittlerweile nicht um Wahrheitsfindung, sondern um eine Diffamierung von ihm, Kurz.
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wies dies von allen Oppositionsvertretern am schärfsten zurück. "Niemand hat Ihnen eine Falle gestellt! Es war ihr Familienmitglied, ihr Spezi, Thomas Schmid, der sie ins Straucheln gebracht hat." Der Inhalt der Chat-Nachrichten zwischen Schmid und Kurz passe einfach nicht mit dem Auftritt des Kanzlers im U-Ausschuss zusammen. "Und diese Suppe haben Sie sich selbst eingebrockt, Herr Bundeskanzler."
Bemerkenswert war schließlich die Wortmeldung der grünen Klubchefin Sigrid Maurer. Die Koalitionspartnerin der Kanzler-Partei kritisierte an der ÖVP, dass mitunter der Eindruck entstehe, dass man "schleißig" mit der Demokratie umgehe. Konkret stieß sie sich am Verhalten gegenüber dem Parlament und dem Verfassungsgerichtshof. Dass etwa Finanzminister Gernot Blümel eine "extra Aufforderung" vom Bundespräsidenten abgewartet habe, um die Akten an den Untersuchungsausschuss zu liefern, sei "hochnotpeinlich".
"Recht muss Recht bleiben"
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wanger kanzelte die Beantwortung der 50 Fragen durch Kurz als "mangelhaft" ab und diagnostizierte eine "besorgniserregende Entwicklung" der letzten Monate, gekennzeichnet von Angriffen gegen die Justiz, "permanenter Verhöhnung des Parlaments" und einer "systematischen Missachtung" der demokratischen Institutionen. Sie erinnerte Kurz daran, dass niemand über dem Recht stehe und vor diesem alle gleich seien. "Recht muss Recht bleiben", so die SPÖ-Chefin.
Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger erinnerte an die Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Das darin Gesagte beschäftige uns bis heute und habe zu einem der wichtigsten U-Ausschüsse der Zweiten Republik geführt. Konsequenz sei nun, dass nicht nur Bundeskanzler und Finanzminister sondern auch Schmid und Kurz' Kabinettsleiter als Beschuldigte geführt werden. Daran seien aber nicht Anzeigen der Opposition schuld, kritisierte Meinl-Reisinger den Versuch des Kanzlers, das zu "relativieren". Für Meinl-Reisinger ist dann eine rote Linie überschritten, wenn Kurz angeklagt wird. "Für das Amt gelten andere Regeln." Denn schließlich gehe es um die Handlungsfähigkeit, argumentierte die NEOS-Chefin: "Anklagebank und Regierungsbank passen nicht zusammen."
Ministeranklage
Einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler will die SPÖ zum jetzigen Zeitpunkt trotz allem noch nicht unterstützen. Eine entsprechende Initiative kam von der FPÖ. Dazu kommt die Ministeranklage der Opposition gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), weil dieser Akten an den U-Ausschuss erst geliefert hat, als der VfGH den Bundespräsidenten zur Exekution aufgerufen hatte. Der entsprechende Antrag wird im Nationalrat zwar eingebracht, aber vorerst nur im zuständigen Ausschuss bearbeitet und hat auch später so gut wie keine Chance auf Zustimmung.