Reform im Maßnahmenvollzug mit Sonderregeln für Terroristen
Die Bundesregierung hat sich zur lang diskutierte Reform des Maßnahmenvollzugs geeinigt, wie sie am Mittwoch nach dem Ministerrat verkündete.
Demnach können psychisch kranke Rechtsbrecher nur mehr dann potenziell lebenslang in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn das Anlassdelikt mit mehr als drei Jahren (bisher: ein Jahr) Freiheitsstrafe bedroht ist. Bei Gefahr für sexuelle Integrität oder Leib und Leben gilt es schon ab einem Jahr.
Eine Sonderregelung wird für Terroristen in der Rückfallstäter-Kategorie geschaffen.
"Zahl eklatant gestiegen"
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) erklärte, dass der Maßnahmenvollzug im Kern seit rund 50 Jahren praktisch unverändert sei. Österreich sei deshalb bereits zweimal vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Derzeit sind etwa 1.400 Menschen im Maßnahmenvollzug untergebracht, die Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren eklatant gestiegen.
Wer etwa im Zuge eines psychotischen Schubs einen Gerichtsvollzieher oder einen Polizisten stößt oder eine Drohung ausspricht, soll nicht mehr unbedingt im Maßnahmenvollzug landen und potenziell lebenslang weggesperrt werden. Personen, deren Fremdgefährdung besser nach dem Unterbringungsgesetz behandelt werden kann, sollen nicht mehr vom Maßnahmenvollzug umfasst sein.
Neue Begriffe
Verbesserungen soll es auch für Jugendliche geben. Für sie gab es bisher keine Unterscheidung zu Erwachsenen. Nun kommen sie erst bei einem Kapitalverbrechen (ab zehn Jahren Strafdrohung) in den Maßnahmenvollzug.
Darüber hinaus werden neue Begriffe geschaffen: Die derzeitigen "Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher" werden zu "Forensisch-therapeutischen Zentren". Die im Gesetz genannte "geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades" heißt künftig "schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung".
Sonderregeln für Terroristen
Auch abseits des Maßnahmenvollzugs für psychisch Kranke gibt es Änderungen: In der Kategorie für Rückfallstäter wird eine Sonderbestimmung für Terroristen eingeführt. Hier reicht (anders als bei anderen Delikten) schon eine einzige Vortat für den Maßnahmenvollzug aus.
Diese muss wegen schwerer vorsätzliche Gewalt, Terrorismus oder einer gemeingefährlichen Handlung erfolgt sein und zu einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Monaten geführt haben.
Die Anlasstat muss dann ein "Terrordelikt" mit einer Verurteilung zu mindestens 18 Monaten Freiheitsstrafe sein. Außerdem muss die Befürchtung bestehen, dass weitere Straftaten mit schweren Folgen begangen werden.
Die am Mittwoch beschlossene Regierungsvorlage soll im Dezember im Justizausschuss des Nationalrats behandelt und anschließend im Plenum beschlossen werden. Anschließend soll ein zweiter Teil der Reform angegangen werden, betonte Zadic. Dieser umfasst dann die Betreuung im Maßnahmenvollzug selbst.
Durch den sogenannten "Maßnahmenvollzug" soll statt der Strafe bzw. über die verhängte Strafe hinaus die Begehung weiterer strafbarer Handlungen durch bestimmte Personen verhindert werden.
Bekanntester Anwendungsfall sind zurechnungsunfähige Täter, die nach einer Tat in sogenannte Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden - dort müssen sie bleiben, bis sie als nicht mehr gefährlich eingestuft werden.
"Zurechnungsunfähige" Straftäter gelten in einem Ausmaß als psychisch krank, das ihre Schuldfähigkeit ausschließt. Liegt neben dieser Diagnose auch noch eine Straftat vor, die mit einer bestimmten Strafhöhe belegt ist (grundsätzlich ausgenommen sind reine Vermögensdelikte), und gelten sie auch künftig als gefährlich ("Gefährlichkeitsprognose"), kommen sie in den Maßnahmenvollzug.
Dessen Dauer ist nicht zeitlich begrenzt - es muss aber regelmäßig überprüft werden, ob etwa aufgrund eines Behandlungserfolgs eine (mit Auflagen verbundene) Entlassung möglich ist.
In eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wird aber auch eingewiesen, wer als zurechnungsfähig und als gefährlich gilt und "unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad" eine Tat begeht, die mit einer eine bestimmte Schwelle überschreitenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Im Unterschied zu den Zurechnungsunfähigen werden diese Personen auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt - vor deren Vollzug kommen sie aber zur Behandlung in den Maßnahmenvollzug, die nach dem Strafende auch fortgesetzt werden kann. Die Unterbringungsdauer wird auf die Strafe angerechnet.
Auch hier ist die Dauer nicht zeitlich begrenzt, mögliche bedingte Entlassungen müssen regelmäßig geprüft werden.
Ebenfalls zum Maßnahmenvollzug wird auch die Unterbringung sogenannter entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher (z.B Suchtkranke) und gefährlicher Rückfallstäter gerechnet. Hier ist die Dauer der Maßnahmen aber jeweils zeitlich begrenzt - auf höchstens zwei Jahre (Entwöhnungsbedürftige) bzw. zehn Jahre (Rückfallstäter).
Neos: "Schritt in richtige Richtung"
Für die SPÖ wird die Regierungsvorlage das Gesamtproblem nicht lösen, wie Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung erklärte. Offene Baustellen würden nicht oder nur teilweise angegangen, und vom zweiten Teil der Reform sei noch weit und breit nichts zu sehen.
Positiv ist für Yildirim, dass der Strafrahmen für das Anlassdelikt angehoben und die Frist für die Überprüfung der Maßnahme gesenkt wird. Auch die Verbesserungen für Jugendliche lobte sie.
Für die Neos sind die Maßnahmen ein "Schritt in die richtige Richtung". "Es kann nicht sein, dass jemand - so wie bisher - wegen relativ ungefährlicher krimineller Handlungen auf unabsehbare Zeit im Maßnahmenvollzug landet. Es war höchst an der Zeit, dass hier endlich etwas in Bewegung kommt", so Justizsprecher Johannes Margreiter in einer Aussendung.
Für sein Grünes Pendant Agnes Prammer zeigt die Reform, dass sich "Schutz vor Straftäter:innen und ein menschenrechtskonformer Umgang mit psychisch kranken Menschen gut vereinbaren lassen".