Entscheidung: Impfpflicht wird vorerst ausgesetzt
Von Diana Dauer
Die Impfpflicht wird nun doch ausgesetzt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärte, dass man bei der Impfpflicht flexibel sein muss. Man müsse sich immer an das Virus anpassen. "Wir folgen dem, was die Kommission vorschlägt. Deshalb wird die Impfpflicht vorerst ausgesetzt", sagt Edtstadler. Das Aussetzen der Impflicht geschieht, "weil viele Argumente dafür sprechen, dass der Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt ist".
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) lobt den Bericht der Kommission zur Impfpflicht. Man wird sich daher an die Empfehlungen der Kommission halten und laufend neu evaluieren. Mitte Juni will man neuerlich über die Notwendigkeit der Impfpflicht entscheiden.
Eigentlich sollten Ungeimpfte ab dem 15. März (Phase 2) gestraft werden. Das sieht zumindest der Stufenplan der Bundesregierung zur Impfpflicht vor. Heute wurde der erste Bericht der Expertenkommission zur Evaluierung der Impfpflicht im Ministerrat vorgelegt. Die Kommission empfiehlt die Impfpflicht als solche zu behalten, aber die für Mitte März geplanten Strafen auszusetzen und erst in drei Monaten, also im Juni neu zu evaluieren.
Impfpflicht wird nicht scharf gestellt
Vorerst wird diese Phase 2 also nicht in Kraft treten. Das nicht Scharfstellen der Impflicht kann durch die Verordnungsermächtigung des Gesundheitsministers erlassen werden. Man sehe derzeit "keine Veranlassung, die Impfpflicht“ in Kraft zu setzen. Das bedeutet im Klartext, dass es derzeit keine Strafen für Ungeimpfte geben wird.
Ende Mai oder Anfang Juli soll die Situation neuerlich durch die Impfkommission evaluiert werden. Denn: "Die Impfung ist ein probates Mittel", sagt der Gesundheitsminister. Man müsse sich für mögliche nächste Wellen und den Herbst wappnen.
Expertenbericht warnt vor neuer Welle im Herbst
In ihrem 25-seitigen Bericht warnt die Expertenkommission dennoch vor einer Welle im Herbst. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass eine neue und möglicherweise massive Corona-Welle zu erwarten ist. Wenn Österreich darauf nicht entsprechend vorbereitet ist, könnte es wieder zu einschneidenden Maßnahmen bis hin zu Lockdowns kommen, heißt es in dem Bericht. Dennoch sei ein sofortiges Einsetzen der Impfpflicht aktuell "nicht erforderlich" beziehungsweise "nicht angemessen".
Reaktionen der Opposition
Wenig überraschend zeigt sich die Opposition über die Entscheidung zum Aussetzen der Impfpflicht unzufrieden. FPÖ-Chef Herbert Kickl, der mit seiner Partei von Anbeginn gegen den Impfpflicht wettert, ortet das Aussetzen der Impfpflicht als Erfolg für die Freiheitlichen und der Protestierenden auf den Straßen. Dennoch sei "aufgeschoben nicht aufgehoben", erklärt FPÖ-Klubchef Kickl. Die Impfpflicht solle, so Kickl, erst ein paar Monate später kommen und so befürchte er, "dass die Regierung ihre Strafbürokratie bis zum Herbst aufrüsten will." Er fordert neuerlich den Rücktritt der Regierung.
Auch der FPÖ-Landesparteichef von Niederösterreich Udo Landbauer will eine ersatzlose Streichung der Impfpflicht. Genauso wie die Impfgegner Partei MFG.
NEOS wollen klare Zielvorgaben
Weniger drastisch äußert sich der NEOS-Pandemiesprecher Gerald Loacker. Er fordert Klarheiten über die Maßnahmen. "Die Menschen müssen alle Maßnahmen verstehen und weiter mit Anreizen zur Impfung gebracht werden, denn momentan ist die Zahl der Erstimpfungen unterirdisch." Loacker wünscht sich weiter vom neuen Gesundheitsminister Johannes Rauch die Klärung offener Fragen. Nämlich: "Wie hoch muss die Impfquote sein? Bis wann muss das Ziel erreicht werden und wie will man es erreichen?"
Ähnlich sieht es SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Man nehme die Entscheidung der Expertenkommission zur Kenntnis. Allerdings fehle ein konkreter Plan, wie es weitergehe und wie die Regierung plane sich auf den Herbst vorzubereiten. Die Welle wird "uns in voller Härte treffen, " wenn Österreich sich nicht vorbereite, so Kucher. "Der neue Gesundheitsminister muss jetzt schnell reagieren, denn die Bevölkerung ist es zu recht leid, in diesem Chaos-Management zu leben", so Kucher in einer Aussendung.
Vom Koalitionspartner ÖVP hört man indes nicht nur Zustimmung. Die Vorarlberger ÖVP-Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher sieht im Aussetzen ein "falsches Signal". Damit würde der Bevölkerung vermittelt, dass die Impfung per se nicht hilft. "Tatsächlich ist und bleibt sie aber der Weg, um die Pandemie zu überwinden". Sie sieht Schwierigkeiten der Bevölkerung gegebenenfalls in drei Monaten neuerlich klar zu machen, dass die Impfung notwendig ist.
Landeshauptleute gespalten
Die ÖVP-geführten Länder zeigen sich am Mittwoch zufrieden aber zurückhaltend. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (beide ÖVP) begrüßen die Entscheidung der Kommission.
Der steierische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) wirkt resignierend. Er hatte sich schon lange für die Impfpflicht bekannt. Er sagt zur Aussetzung: "Mit der Abschaffung praktisch aller Maßnahmen am 5. März war die Impfpflicht, die sowieso ein Jahr zu spät kam, obsolet geworden. Der Bericht der Experten-Kommission liegt nun vor und diesen gilt es zu akzeptieren und umzusetzen."
Die Rot-geführten Länder Burgendland und Wien kritisieren das Vorgehen der Regierung zur Impfpflicht scharf. "Man kann eine Impfpflicht machen, man kann auch keine Impfpflicht machen. Aber so, wie es jetzt die Bundesregierung macht, kann man es auf keinen Fall machen", heißt es knapp aus dem Wiener Rathaus von Bürgermeister Michael Ludwig.
In die gleiche Kerbe schlägt der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil, er ortet im Aussetzen "einen Beweis für das unkoordinierte Krisenmanagement der Bundesregierung." Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser ist ob der hohen Neuinfektionen bei zeitgleichem Aussetzen der Impfpflicht "nachdenklich."
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