Kurz stellt Bedingungen für EU-Hilfspaket
Im Ringen um eine Einigung über ein EU-Milliardenhilfspaket in der Coronakrise hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Bedingungen für seine Zustimmung gestellt. "Wenn wir schon sehr viel staatliches Geld in die Hand nehmen, dann sollte es zumindest in die richtigen Bereiche fließen", sagte Kurz der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).
"Allen voran in mehr Forschung und Entwicklung für eine gute digitale Infrastruktur, auch in den technologischen Wandel, der für einen besseren Klimaschutz nötig ist." Zudem müsse nach seinen Vorstellungen die Vergabe der Hilfsgelder an Reformauflagen wie etwa Bürokratieabbau oder Kampf gegen Steuerhinterziehung gekoppelt werden. "Konditionalität ist nötig, damit das Geld nicht bloß zum Stopfen von Haushaltslöchern dient", sagte er.
Kurz für "Balance zwischen Krediten und Zuschüssen"
Zudem bekräftigte Kurz die Forderung, dass die Empfängerländer zumindest einen Teil der Hilfen später zurückzahlen müssten. "Ich bin dafür, dass es insgesamt eine Balance zwischen Krediten und Zuschüssen gibt und dass die Zuschüsse nicht ins Unermessliche steigen", hielt er in dem Interview fest.
Auf die Frage, welche Länder am meisten Geld bekommen sollten, sagte Kurz, nach dem Brüsseler Entwurf würden Italien, Spanien oder Polen am stärksten profitieren. "Wir haben in der EU aber deutlich ärmere Länder. Mein Gerechtigkeitsempfinden sagt mir: Wenn wir in der EU so viel Geld in die Hand nehmen, dann sollte es vor allem an die Ärmsten der Armen fließen. Wenn man die Arbeitslosigkeit der Jahre von 2015 an zum Kriterium macht, wie derzeit vorgeschlagen, dann hat das mit den Herausforderungen der Corona-Situation nichts zu tun." Wenn das Hilfsprogramm eine Reaktion auf Corona sein solle, "dann muss man es am Einbruch der Wirtschaftsleistung durch die Pandemie festmachen", sagte der Bundeskanzler.
Die "Sparsamen Vier"
Beim EU-Sondergipfel kommende Woche beraten die Staats- und Regierungschefs über das geplante gewaltige Konjunkturprogramm zur Wiederbelebung der europäischen Wirtschaft nach der Coronakrise. Die EU-Kommission hatte einen Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro vorgeschlagen. Zwei Drittel der Gelder sollen dabei als nicht rückzahlbare Zuschüsse an besonders von der Pandemie betroffene Länder wie Italien oder Spanien fließen. Österreich gehört neben Schweden, Dänemark und den Niederlanden zu den "Sparsamen Vier", die solchen Zuschüssen skeptisch gegenüberstehen.
Gefragt, ob sich die Europäer kommende Woche einigen würden, sagte Kurz, er sehe bei den Regierungschefs "Bewegung, vor allem beim regulären EU-Haushalt - und ein Verständnis, dass viele unserer Fragen berechtigt sind". Einige seien auch bereit, "Schritte in unsere Richtung zu machen", so Kurz. "In dieser Debatte hat nicht einer recht, beide Perspektiven sind legitim. Es macht uns in Europa aus, wenn diese Debatte Platz hat und am Ende ein Konsens gefunden wird."
Vor dem EU-Gipfel am Freitag und Samstag warb Kurz auch dafür, der Europäischen Union eigene Einnahmequellen zu erschließen. Dies sei für ihn "ein denkbarer Weg", sagte er der deutschen Zeitung. "Nicht nur eine Digitalsteuer, auch CO2-Zölle würde ich begrüßen." Im Kampf gegen den Klimawandel sei mehr "Kostenwahrheit" nötig. "Wir brauchen weltweit einen fairen und gerecht organisierten Freihandel." Dazu gehöre, dass auch Klimaschäden zum Beispiel durch lange Transportwege berücksichtigt werden müssten. "Bei Lebensmitteln oder anderen Produkten, die auch regional erzeugt und verbraucht werden können, wären CO2-Zölle der richtige Weg."
Kritik daran kam am Sonntag von den Freiheitlichen. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz und der freiheitliche EU-Mandatar Roman Haider sprachen in einer Aussendung von einem "Sündenfall erster Güte": "Kurz öffnet die Büchse der Pandora. Im Windschatten des Coronavirus soll so der erste Schritt zur Finanz- und Budgethoheit der EU, zur Transferunion und zur sukzessiven Aushöhlung der Steuerhoheit der Nationalstaaten gesetzt werden. Das kommt für uns nicht in Frage."