Karfreitag: Arbeitsrechtler hält Eingriff in KV für unzulässig
Der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wiener Wirtschaftsuniversität hält den von der Regierung geplanten Eingriff in den Generalkollektivvertrag zum Karfreitag für unzulässig. Marhold verweist im APA-Interview darauf, dass sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei und Deutschland für ähnliche Pläne verurteilt haben.
Die Regierung begründet den Eingriff in die Kollektivverträge damit, dass der Europäische Gerichtshof die Bevorzugung von Protestanten im Feiertagsgesetz für unzulässig erklärt hat. Damit müsse nicht nur das Feiertagsgesetz geändert werden, sondern auch ähnliche Regeln in den Kollektivverträgen.
Änderungen müssen Kollektivvertragspartner machen
Marhold gesteht der Regierung zwar zu, dass die Sonderregelungen in den Kollektivverträgen geändert werden müssen. Vorgenommen werden müssten die Änderungen aber von den Kollektivvertragspartnern - also von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer. Der Arbeitsrechtler verweist auf entsprechende Urteile der europäischen Gerichte: So hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg 2009 entschieden, dass der Gesetzgeber nicht in die Kollektivvertragshoheit eingreifen darf und die Türkei verurteilt.
Und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat an einem deutschen Beispiel entschieden, dass es dem Gesetzgeber nicht erlaubt ist, per Gesetz eine diskriminierende Bestimmung aus einem Tarifvertrag zu streichen. Hier gebe es "ein klares Primat für die sozialpartnerschaftliche Lösung", betont Marhold. Erst wenn die Sozialpartner scheitern, sei ein Gesetz zulässig.
Der Arbeitsrechtler Walter Pfeil von der Universität Salzburg hält den "relativ unverfrorenen" Eingriff in jene Kollektivverträge, die den freien Karfreitag weiterhin vorsehen, für verfassungswidrig. Wie sein Kollege Marhold geht auch Pfeil davon aus, dass die Regierung die Lösung dieses Problems den Sozialpartnern überlassen müsste. Denn den Sozialpartnern die Streichung des Karfreitags als Feiertag vorzuschreiben sei ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit (das Recht, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände zu bilden, Anm.). Pfeil rechnet damit, dass sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof das türkis-blaue Gesetz aufheben müssten, sollten sie damit befasst werden.
Keine "Klarheit und Rechtssicherheit"
"Klarheit und Rechtssicherheit" - wie von der Regierung behauptet - bringt die aktuelle Regelung damit nicht. "Das wird zu Rechtsstreitigkeiten führen", erwartet Marhold, denn: "Nach meiner Sicht ist durch die gesetzliche Änderung nicht viel gewonnen, weil der Generalkollektivvertrag trotz des Eingreifens des Gesetzgebers unverändert weiter gilt."
Feiertagszuschläge können eingeklagt werden
Marhold würde protestantischen Arbeitnehmern zwar nicht raten, am Karfreitag gar nicht zur Arbeit zu erscheinen. Das könnte als Pflichtverletzung gewertet werden und zur Entlassung führen. Allerdings könnten sie ihre Feiertagszuschläge einklagen und dazu auf den Generalkollektivvertrag verweisen.
Auch ÖGB und Wirtschaftskammer müssten aus Sicht des Arbeitsrechtlers ein Interesse daran haben, gegen den Eingriff in ihre Kollektivvertragshoheit vorzugehen.
Und dass ÖVP und FPÖ die gesetzlich vorgesehene Nachwirkung der Kollektivverträge per simpler Erwähnung in den Erläuterungen aushebeln wollen, ist aus seiner Sicht ohnehin nicht möglich.
Jom Kippur für Marhold kein Problem
Sehr wohl bestehen bleiben könnte nach Marholds Einschätzung der jüdischen Feiertag am Versöhnungstag Jom Kippur (heuer der 9. Oktober). Es handelt sich dabei zwar ebenfalls um eine Sonderregelung. Im Gegensatz zum Karfreitag könnte diese laut Marhold aber zulässig sein - und zwar mit Blick darauf, dass der entsprechende Generalkollektivvertrag 1953 unterzeichnet wurde, kurz nach dem Ende des Nationalsozialismus.
Dies könne als Akt der Förderung des jüdischen Lebens in Österreich unmittelbar nach der Shoah interpretiert werden, so Marhold. Somit wäre die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, anders als beim Beschwerdeführer, der gegen den Karfreitag geklagt hatte: "Da liegen Welten zwischen einem atheistischen Detektiv und der Shoah."
Pfeil sieht - im Gegensatz zu Marhold - den weiterhin bestehenden jüdischen Sonder-Feiertag Jom Kippur als Problem. "Da haben wir dasselbe Problem wie mit dem Karfreitag für Protestanten und Altkatholiken", meint der Arbeitsrechtler: "Es könnte schon heute eine Klage eines nicht-jüdischen Arbeitnehmers kommen."
Pfeil: Streichung des Karfreitags politischer Wille
Arbeitsrechtler Pfeil weist die Behauptung der Regierung zurück, mit der Neuregelung nur die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umzusetzen. Die Streichung des Feiertags am Karfreitag sei keine Vorgabe des EuGH, sondern "politischer Wille".
"Den Zwang, den die Regierung suggeriert, gibt es nicht", betont Pfeil. Denn es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, die Ungleichbehandlung zwischen Protestanten und anderen Arbeitnehmern beim Karfreitag zu beseitigen. "Der EuGH hat gesagt, die Ungleichbehandlung ist nicht zulässig. Aber man kann die Ungleichbehandlung auf verschiedene Weise beseitigen. Es hätten auch alle freibekommen können", betont Pfeil.
Gewerkschaft prüft rechtliche Schritte
Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) geht davon aus, dass die von der Bundesregierung ins Auge gefasste Neuregelung rechtlich nicht wasserdicht ist. "Beim ersten Darüberschauen gehe ich davon aus, dass diese Regelung nicht halten wird und anfechtbar ist", ist der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz überzeugt.
"Wir werden uns genau ansehen, ob das hält" - etwa verfassungs-oder europarechtlich, sagte er. Man werde mit Hilfe von Experten die vorliegenden Pläne nun genau analysieren. Danach werde der ÖGB entscheiden, wann, wie und wo man klagen wird. Achitz betonte auch, dass es sich bei dem Vorhaben nicht nur um einen Eingriff in den General-Kollektivvertrag, sondern in alle Kollektivverträge handle.