Politik/Inland

40 Jahre Hainburger Au-Besetzung: Die holprige Genesis der Grünen

Die Besetzung der Hainburger Au gilt zurecht als Start der ökologischen Parteien in Österreich. Die Geschichte ist aber vielschichtig und verlief ziemlich holprig.

International gilt das „Earthrise“-Foto des US-Astronauten Bill Anders, der 1968 als erster Mensch in der Apollo-8-Raumkapsel den Mond umkreiste und einen noch nie zuvor gesehenen Blick auf die Erde festhielt, als Beginn der Umweltbewegung. Der Blick aus dem All auf die kleine, verletzliche und isolierte Erde im dunklen, endlosen All erschuf erstmals einen Perspektivwechsel in der Wahrnehmung der Erde.

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Wachstumsgrenzen

1972 folgte dann der Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“, war eine der alarmierenden Schlussfolgerungen.

Die erste national organisierte grüne Partei in Europa gründete sich im Januar 1973 in Großbritannien in der Stadt Coventry. Die Partei hatte aber keinen Erfolg.

Zwentendorf

Und genau zehn Jahre nach dem ikonischen NASA-Foto brodelte es auch bei uns erstmals richtig – wegen des Kernkraftwerks Zwentendorf. Schon während der Bauphase gab es erheblichen Widerstand von Bürgern, Umweltgruppen und Wissenschaftern. Das Thema Kernkraft war aber erst nach der (knappen) Volksabstimmung vom November 1978 vom Tisch – und ist es bis heute, geblieben ist die Erkenntnis, dass Umweltschutz breites öffentliches Interesse wecken kann.

Der große Erfolg führte jedoch nicht zur Gründung einer grünen Partei. Das eine Woche nach der Abstimmung als Siegesfeier veranstaltete erste bundesweite „Alternativentreffen“ in Graz offenbarte die deutlichen Unterschiede in den politischen Vorstellungen der Anti-Atom-Aktivisten, Naturschützer und linken Basisgruppen.

Aus der erfolgreichen Protestbewegung gegen Zwentendorf entstanden zwei grüne Parteien, die bei der Nationalratswahl 1983 erstmals, aber eben gegeneinander antraten. Während sich die Alternative Liste Österreichs (ALÖ) links positionierte, fanden sich bei den bürgerlich-konservativen Vereinten Grünen Österreichs (VGÖ) Teile der Öko-Bewegung zusammen. Doch sie scheiterten an der Vierprozenthürde, die ALÖ schaffte nur 1,4, die VGÖ 1,9 Prozent.

Deshalb gilt die Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 – sechs Jahre nach dem Plebiszit über die Kernkraft – sowohl als umweltpolitischer als auch als demokratiepolitischer Wendepunkt in Österreich (siehe Artikel links). Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren vom März 1985, das von 353.906 Personen unterzeichnet wurde, gab Rückenwind. Im Herbst dieses Jahres wurde von bekannten Au-Besetzern wie Günther Nenning, Gerhard Heilingbrunner und dem Anwalt Michael Mayrhofer erneut ein Versuch unternommen, wie man die zwar nicht geeinten, aber für das große Ziel Umweltschutz begeisterten Gruppierungen auf einen gemeinsamen politischen Weg bringen kann. Damals sagten zumindest Teile der Grün-Gruppierungen der Umweltschützerin Freda Meissner-Blau Unterstützung für die Bundespräsidentschaftswahl im Mai 1986 zu, die dann mit 5,5 Prozent zumindest einen Achtungserfolg erreichte.

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Erstmals im Parlament

1986 vereinten sich dann die VGÖ mit der ALÖ als „Grüne Alternative – Liste Freda Meissner-Blau“. Bei der Parlamentswahl im November schaffte Meissner-Blau 4,8 Prozent und damit erstmals den Sprung ins Parlament.

Die Grünen wurden auch immer wiedergewählt – bis 2017, als sie mit nur 3,8 Prozent der Stimmen aus dem Parlament flogen. Nur um 2019 mit 13,9 Prozent ein Rekordergebnis einzufahren, samt Regierungsbeteiligung.

Und heute? Grüne koalierten bereits in sechs Landesregierungen (OÖ, Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten und Wien) und von 2020 bis 2024 im Bund. Da gab es zuletzt den Absturz auf 8,2 Prozent direkt in die Opposition.

Im kommenden Frühjahr wird Parteichef Werner Kogler, der als junger Student auch schon bei der Au-Besetzung dabei war, die Führung abgeben. Wer dann übernimmt, ist noch nicht klar, der oberösterreichische Landesrat Stefan Kaineder und Klimaministerin Leonore Gewessler sollen gute Chancen haben. Es wäre wohl auch ein Generationenwechsel – Gewessler war bei der Au-Besetzung 1984 sieben Jahre alt und Volksschülerin in Sankt Marein bei Graz, Kaineder, Jahrgang 1985, noch nicht auf der Welt.