Politik/Inland

Faßmann verschiebt Matura und verleiht Schulärzte

KURIER: Herr Bundesminister, wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

Heinz Faßmann: Danke, soweit gut. Es ist wohl für alle eine schwierige Zeit.

Was können Sie denn von den Rückmeldungen aus den Schulen erzählen, wie läuft das Notprogramm?

Der Montag war sicher ein historischer Tag für unser Bildungssystem. Die Umstellung des Unterrichts von einem rein schulischen Unterricht zu einem Unterricht vor Ort, getragen letztlich von den Eltern, aber auch von den Lehrern.  Die haben diese Umstellung aus der festen Überzeugung gemacht, dass wenn man die Schule als eine wesentliche Kontaktinstitution von 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern nicht herunterfährt, die Infektionsrate von Tag zu Tag in der gleiche  Dynamik voranschreitet. Daher ist das Bildungssystem ein wesentliches Instrument, um die Dynamik aus diesem Mechanismus der Neuinfektionen herauszubekommen, um die Kurve abzuflachen.

Wie meinen Sie das?

Wir hatten in den ersten Wochen jeweils eine 30-prozentige Steigerung der Infektionen, wenn man das fortschreibt, sind wir am Ende des Monats bei 60.000 bis 70.000 Infizierten. Das ist eine ernsthafte Situation für unser Gesundheitssystem.

Es geht bei der Schulschließung also nicht primär um den Schutz der Kinder?

Neben den Kindern wollen wir damit vor allem die ältere Generation schützen. Kinder haben eine hohe Interaktion untereinander. Daher ist es wesentlich, dass wir die Schule als Stätte der Verbreitung des Virus heruntergefahren haben. Ich bin auch froh, dass dieses Runterfahren problemlos verlaufen ist, dank wirklich entschieden handelnder Schulleiter, Pädagogen und der Eltern, die flexibel waren, und sich in der Situation viel mehr geleistet haben, als manche geglaubt haben.

Aber was sagen Eltern und Lehrer?

Wir haben Befragung gemacht nach dem Eindruck des ersten Tages.  500 Eltern und 300 Lehrer. Die Zufriedenheit ist sehr groß. Die Schulschließungen stößt auf breite Akzeptanz. Es gibt auch ausreichend Lernmaterialen. Die Kommunikation der Schüler und Eltern mit den Lehrern läuft gut. Manche haben auch vielleicht zuviel Material mitbekommen, da fühlen sich manche Eltern schon wieder zu sehr unter Druck gesetzt. Das hat also aus meiner Sicht beachtlich gut funktioniert.

Dennoch, gab es auch Probleme? Die Server mit den Übungsunterlagen waren nicht immer erreichbar.

Der Zugriff auf Lernplattformen ist eine technische Herausforderung, wir bauen stetig die Serverkapazitäten aus, damit die Umstellung auf „distance learning“ gut funktioniert. Das ist das einzig nennenswerte Problem derzeit. Es kann natürlich sein, dass noch Probleme auftreten werden.  

Wie viele Schüler sind in Betreuung? Etwa fünf Prozent?

Weniger sogar. Wir wollen aber, dass die Schulen weiter als Institution funktionieren, auch als Örtlichkeit, wo man die Kinder hinbringen kann, wenn die Eltern berufliche Pflichten wahrnehmen müssen. Die Schulen bleiben für die Betreuung offen.

Fürchten Sie, dass Kinder aus bildungsfernen Familien jetzt besonders vor Problemen stehen, da die Eltern womöglich weniger helfen können?

Meine Devise war aber: Vertiefen vor Wissen erweitern. Die Kinder sollen Lesen, Lesen, Lesen und Schreiben, Schreiben, Schreiben. Und wenn es Unklarheiten gibt, stehen die Lehrer klarerweise zur Verfügung.

Welche Lehrer übernehmen das?

Das organisieren die Schulen autonom. Vorgegeben haben wir, dass es möglichst keine Pädagogen über 60 Jahre sein sollen, keine chronisch Kranken und natürlich auch keine Schwangeren. Die Lehrer an den Schulen wechseln sich ab, das finde ich nur fair.

Zu den Schulnoten: Wird die Heimschule als Mitarbeit bewertet?

Die Schule daheim soll nicht nur Spaß sein, sondern wird Teil der Notengebung sein. Insgesamt fließt das über die Mitarbeit in die Noten ein. Man muss das mit allem Ernst sagen, dass niemand glaubt, dieses Homeschooling abkürzen zu können, indem sie ein Beispiel von den Schulkollegen kopieren und als ihres abgeben. Das merkt jeder Lehrer sofort. Die Schüler sollten die Zeit nützen für eine Vertiefung des bisher Gelernten.

Wir die Matura verschoben?

Wir müssen uns die Situation Tag für Tag und Woche für Woche neu anschauen. Meine Botschaft für jene, die vor der Matura stehen, ist: vor Mitte Mai, vor dem 18.5. werden wir keine Matura ansetzen. Davor wird sicher nichts passieren. Was wir tun werden, ist die Zeit bis dahin nützen, um Übungsbeispiele vorzulegen. Das endgültige Datum werde ich rechtzeitig sagen, wir verschieben aber jedenfalls zwei Wochen nach hinten.

Aber kann es dann nicht sein, dass man zu spät für so manche Uni-Einschreibung ist?

Ich kann diese Sorge zu hundert Prozent nehmen. Ich bin ja auch mit den Unis in Kontakt. Die Termine werden mit den Unis akkordiert, und letztlich von mir vorgegeben werden, damit wir die Termine von Zentralmatura und Uni-Zulassungen koppeln können.

Was machen eigentlich die Schulärzte jetzt?

Wir haben 500 Ärzte im System, das sind rund 110 Vollzeitäquivalente. Klarweise brauchen wir die nicht in den Schulen. Wir werden sie den Landessanitätsdirektionen vermitteln, damit sie dort sinnvoll eingesetzt werden können.

Und noch zum Budget, das diese Woche hätte präsentiert werden sollen: Sind jetzt ihre großen Projekte wie Digitalisierung, Hilfe für Brennpunktschulen und mehr Supportpersonal abgesagt?

Dazu kann ich derzeit nichts sagen, weil es derzeit eine Priorität gibt, die Eindämmung der Pandemie. Alles andere werden wir dann sehen.