Politik/Inland

Diskussion: Der "ewige Junggeselle" und die "unzuverlässige Mitarbeiterin"

Europaministerin Karoline Edtstadler lud im Rahmen der von ihr veranstalteten "Zukunftslabore" am Frauentag eine Runde erfolgreicher Frauen zu sich ins Bundeskanzleramt. Mit dabei war etwa KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon, bekennende Skeptikerin der Frauenquote. "Wenn, dann brauchen wir eine Männerquote und eine Migrantenquote in bestimmten Berufsfeldern wie Bildung", sagt sie.

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Als Mittel, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, wird die (umstrittene) Lohntransparenz gesehen: Das heißt, dass privat geführte Unternehmen offenlegen müssten, wie viel jeder Mitarbeiter verdient. So würden Frauen es erfahren, wenn sie bei gleicher Qualifikation und Stellung weniger verdienen als ein Mann – und hätten die Chance, besser zu verhandeln.

Helga Rabl-Stadler, frühere Salzburger-Festspiel-Präsidentin und Ex-ÖVP-Politikerin, ist skeptisch: In Österreich gebe es nicht die Tradition, offen über das eigene Gehalt zu sprechen. Die Transparenz könnte Unruhe in ein Unternehmen bringen, die "Neidgesellschaft" sei in Österreich schon jetzt sehr ausgeprägt. Zudem ließe sich nicht immer anhand von harten Fakten messen und erklären, warum der eine Mitarbeiter mehr verdient als der andere, meint Rabl-Stadler.

Valerie Hackl, Geschäftsführerin von Austro Control, hingegen hält Transparenz für "zumutbar", denn: "Es ist die Aufgabe von Führungskräften, die Qualitäten ihrer Mitarbeiter zu kennen, Unterschiede erklären zu können und sensibilisiert zu sein."

Ähnlich sieht es Doris Schmidauer: "Es stimmt, dass wir in Österreich nicht die Tradition haben, offen über Geld zu sprechen. Ich glaube aber auch, dass es vertretbar ist, wenn Unternehmer die Unterschiede erklären müssen, und das ein Instrument ist, das zu mehr Gerechtigkeit führen würde."

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Ministerin Edtstadler sagt, sie habe persönlich "kein Problem" mit Transparenz – glaubt aber, dass die Lohnunterschiede häufig auch daher rühren, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen weniger forsch vorgehen als Männer. "Zu sagen: Das bin ich mir wert, fällt vielen schwer."

Wandel in den Köpfen nötig

Zweiter Punkt: die Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Karriere. Schmidauer macht darauf aufmerksam, dass es in der Pandemie Rückschritte gab: "Ich war erschrocken, wie schnell man in alte Rollenbilder, die man längst für überholt gehalten hat, zurückgefallen ist“, sagt sie. So hätten manche Frauen während der Pandemie ihre Arbeitszeit verkürzt, damit der Mann von Home Schooling und Haushalt "unbehelligt" blieb.

Rabl-Stadler hakt ein: "Es ist leider immer noch so: Ein Mann, der fünf Kinder hat, gilt im Berufsleben immer als Junggeselle. Eine Frau mit zwei Kindern gilt als unzuverlässige Mitarbeiterin."

Einig war sich die Runde darin, dass die Maßnahmen, die gerade auf EU-Ebene diskutiert werden, in der kleinsten Zelle – der Gemeinde – gelebt werden müssten. Und dass der Wandel auch in den Köpfen der Menschen stattfinden müsse.

Edtstadler als Jungmutter und Studentin

Dazu hat Edtstadler eine persönliche Geschichte: Die heutige Ministerin für Europa und Verfassung hat jung geheiratet und wurde schon nach dem ersten Abschnitt ihres Jusstudiums Mutter eines Sohnes, der heute 20 Jahre alt ist. "Ich habe meinen Sohn in eine Hängematte gelegt, ihn mit dem Fuß gewippt und nebenbei meine Jus-Unterlagen gestrebert", erinnert sie sich.

Ihr Sohn bekam rasch einen Platz in einem Kindergarten, der (und das war damals wie heute eher die Ausnahme) von 7 bis 17 Uhr geöffnet hatte. "Organisatorisch ist alles gut gelaufen, aber gesellschaftlich habe ich schon einen Druck gespürt", sagt Edtstadler. Heißt: Die Leute hätten sie schief angeschaut, weil sie ihr Kind zehn Stunden pro Tag in einem Kindergarten gelassen habe.

Was Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Job betrifft, böten sich einige Best-Practice-Beispiele aus Skandinavien an, sagt die Ministerin. Dort ist es selbstverständlich, dass Mütter rasch wieder in Vollzeit arbeiten. Diese Beispiele sollen in die EU-Diskussion einfließen.