Politik/Inland

"Zügel für Ungeimpfte straffer ziehen": Aus 3-G wird weitgehend 2-G

Die Bundesregierung stand vor dem heutigen Krisengipfel unter Zugzwang. Von Donnerstag auf Freitag wurden 9.388 Corona-Neuinfizierte gemeldet – ein Jahreshöchstwert.  356 Menschen wurden wegen Covid-19 auf Intensivstationen betreut.

Die Regierung hat angesichts der stark steigenden Infektionszahlen mit den Landeshauptleuten eine deutliche Verschärfung der Corona-Maßnahmen beschlossen. So wird bereits ab kommendem Montag eine 2G-Regelung in den meisten Bereichen des öffentlichen Lebens gelten, wo bisher 3-G gegolten hat. Dies bedeutet, dass man beispielsweise in die Gastronomie, Theater, Konzerte, Sportveranstaltungen oder zum Friseur nur noch geimpft oder genesen kommt. Am Arbeitsplatz sollen Tests als Alternative möglich bleiben, Antigentests sollen aber so schnell wie möglich durch PCR-Tests ersetzt werden.

Was den Stufenplan betrifft, werden am Montag die Stufen 2, 3 und 4 gleichzeitig in Kraft treten.

"Der Weg, die Welle zu brechen"

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) bezeichnete die Lage in der abendlichen Pressekonferenz als "ernst". "Wir wollen die Zügel für Ungeimpfte straffer ziehen", sagte Schallenberg - auch mit Blick auf die Weihnachtsfeiertage und die Tourismussaison. Im Auto schnalle man den Gurt an, beim Motorradfahren setze man einen Helm auf, und die Impfung sei in der Pandemie "schlicht der Sicherheitsgurt".

Die Impfung sei der "einfachste Weg, um füreinander zu sorgen", Schallenberg appellierte: "Machen Sie so bald als möglich einen Termin aus." Das gelte auch für den dritten Stich. "Gehen Sie in sich, das ist der Weg, um die Welle zu brechen".

Mückstein fordert Ende der "augenzwinkernden Wurschtigkeit"

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte, als seine Aufgabe habe er es immer gesehen, die Intensivstationen zu schützen und dieses Versprechen werde er einhalten. Auch appellierte er an die Menschen: "Meine Damen und Herren, wir sitzen in einem Boot. Hören wir auf mit der augenzwinkernden Wurschtigkeit." 

Auch die Handhygiene hob Mückstein hervor: "Jeder Desinfektionsspender ist ein Ort der Nächstenliebe."

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Grüner Pass nur noch neun Monate gültig

Der "Grüne Pass" soll  nur noch neun Monate ab der zweiten Impfung gelten, womit die Motivation für den dritten Stich erhöht werden soll. Die ursprünglich als Einmal-Immunisierung angelegte Impfung von Johnson&Johnson gilt nur noch bis 3. Jänner für den "Grünen Pass", sofern nicht nachgeimpft wurde.

Dort wo Maske getragen wird, also im Handel, Bibliotheken und Museen, soll bundesweit FFP2 der Standard sein. Bei Veranstaltungen gilt schon ab 25 Personen 2G.

Eine Erleichterung wurde für die Länder beschlossen. Die zuletzt umstrittenen, weil personalintensiven Ausreisekontrollen aus den Bezirken, die in Oberösterreich beinahe flächendeckend galten, fallen.

Fast einstimmig

Die Maßnahmen wurden laut Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) fast einstimmig beschlossen. Das Burgenland hatte schon im Vorfeld klar gemacht, dass man angesichts der hohen Impfquote im Land Verschärfungen ablehne.

Für 2G anerkannt wird in einer Übergangsfrist von vier Wochen auch schon die erste Impfung in Verbindung mit einem PCR-Test. Danach muss man jedenfalls doppelt geimpft oder im vergangenen halben Jahr genesen sein.

Platter: "Maßnahmen alternativlos"

Der Tiroler LH Günther Platter (ÖVP) sprach als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Er möchte schon "von einer sehr dramatischen Situation" sprechen, "wir müssen an einem Strang ziehen." Die Bundesländer hätten absolut Verständnis für diese Maßnahmen. Er räumte zwar ein, dass es "schon harte Maßnahmen, was die Ungeimpften betrifft" sind, aber: "Sie sind alternativlos." Denn nur durch die Impfung könne man die Pandemie besiegen. 

 

 

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Kaiser mit deutlicher Kritik an Kurz

"Überhaupt kein Verständnis" zeigte Platter dafür, wenn Politik polarisieren möchte. Dies ging in Richtung des FPÖ-Chefs Herbert Kickl, den auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) scharf für "gefährliche und nicht haltbaren Äußerungen" kritisierte. Kickl hatte zuletzt Vitaminpräparate und Grippemittel als wirksam gegen Covid-19 propagiert und von einem "Corona-Zwangsregime der Regierung" gesprochen.

Kaiser zeigte sich über das heutige Treffen "sehr froh", es hätte seine Erwartungen erfüllt. Man stünde heute nicht zuletzt deshalb vor dieser Situation, "weil es immer wieder Beendigungsankündigungen gab", die eventuell zu einer gewissen "Lässigkeit" im Umgang mit Corona geführt hätten. Der rote Landeschef erwähnte hier explizit den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

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Gegen den Fleckerlteppich

Wien war wieder einmal vorgeprescht: Am Donnerstag verkündete Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), dass in der Bundeshauptstadt ab Ende nächster Woche 2-G gilt. In die Gastronomie und zum körpernahen Dienstleister darf nur noch, wer geimpft oder genesen ist. Die Ampel-Kommission hat als Folge ganz Österreich wieder auf rot geschaltet – heißt: Im gesamten Bundesgebiet herrscht sehr hohes Risiko.

Angesichts der aktuellen Infektionszahlen stand die Regierung jedenfalls unter Zugzwang. Auch zahlreiche Wissenschaftler und Ärzte drängten auf schärfere Maßnahmen. Die Bundesregierung hielt im Vorfeld des Corona-Gipfels noch am bestehenden Stufenplan fest – und verwies auf die Möglichkeit regional strengerer Regelungen.

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Regional unterschiedliche Verordnungen führten in den vergangenen Tagen jedenfalls zu einem Fleckerlteppich an Maßnahmen. Die meisten Bundesländer befürworten deshalb einheitlichere, bundesweite Maßnahmen.

Ausnahme Doskozil

Eine Ausnahme bildete das Burgenland. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hatte sich bereits im Vorfeld des Bund-Länder-Treffens mit Verweis auf die höchste Impfquote gegen Verschärfungen in seinem Bundesland ausgesprochen. Es handle sich aber um Bundesregeln, und diese werde man umsetzen, hieß es Freitagabend zur APA.

Doskozil nahm via Videoschaltung an der Sitzung teil und dürfte sich dort kritisch zu den Verschärfungsplänen geäußert haben, war im Anschluss zu vernehmen. Statt Druck auf die Nicht-Geimpften auszuüben, will er eher auf Anreize setzen - wie die Impf-Lotterie, die nächste Woche ausgespielt wird.

 

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