Politik/Inland

BMI-Beamtin über Postenbesetzungen: "Rot-weiß-rot ist Schwarz"

Während die erste Zeugenbefragung im BVT-U-Ausschuss am Mittwochvormittag nur rund eine Dreiviertelstunde gedauert hat, wurde bei der zweiten Auskunftsperson die Fragezeit beinahe vollends ausgereizt. Isabella F., eine frühere Mitarbeiterin aus dem Innenministerium (BMI), sagte zu den mutmaßlichen ÖVP-Netzwerken und zum Vorwurf politisch motivierter Postenbesetzungen im BMI aus.

Bereits zu Beginn gab die karenzierte Beamtin an, offenherzig antworten zu können und auch zu wollen, weil sie keine Abhängigkeiten zum BMI mehr habe.

"Das ganze BMI ist seit der Übernahme durch die ÖVP nur eine ausgelagerte Organisation des ÖVP-Klubs gewesen", behauptete F. Beweise blieb sie auf Nachfrage aber schuldig und berief sich auf den "Flurfunk".

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Schon am Vortag hatte sich eine frühere BVT-Mitarbeiterin beschwert, bei einer Postenbesetzung für eine Bekannte der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) übergangen worden zu sein. Laut Isabella F., die selbst nie im BVT arbeitete, hatte diese Vorgehensweise im Innenministerium System. Ihrer Darstellung zufolge war in der Regel schon vor der Ausschreibung bekannt, wer einen Posten erhalten soll. Drahtzieher sei der langjährige Kabinettchef Michael Kloibmüller gewesen. Besser qualifizierte Kandidaten hätten sich dann nicht bewerben dürfen, um die Vergabe nicht zu gefährden, schilderte sie: "Wer noch irgendwas werden wollte im BMI, hat es tunlichst unterlassen müssen, sich zu bewerben."

F.: Kaum schriftliche Unterlagen mehr im BMI

Geladen wurde Isabella F. auf Betreiben der NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper. Sie erhoffte sich von der langjährigen Beamtin, die seit 2005 im Ministerium gearbeitet hatte, Aufschluss darüber, warum das Innenministerium zum Thema der "schwarzen Netzwerke" kaum Unterlagen an den Ausschuss übermittelt habe. Die Zeugin berichtete, dass seit dem 2008 aufgeflogenen Postenschacher-Skandal auf schriftliche Unterlagen weitgehend verzichtet worden sei - nach dem Motto "jedes Schriftl ein Giftl": "Es ist nur noch telefoniert geworden."

2008 waren E-Mails zwischen dem früheren Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) und Kloibmüller aus der Zeit der schwarz-blauen Regierung bekannt geworden, in denen offen über Postenbesetzungen im Sinne der ÖVP gesprochen worden war - und zwar bis hinunter zum normalen Postenkommandanten. Die Affäre führte auch zu einem Untersuchungsausschuss, der im Innenministerium aber nichts geändert habe, wie Isabella F. beklagte. Im Gegenteil, die aus den E-Mails bekannte Wendung, ob der Kandidat denn rot-weiß-rot genug sei, sei im Ministerium weiterhin ein Chiffre für die Nähe zur ÖVP: "Grundsätzlich weiß das jeder: rot-weiß-rot ist schwarz."

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Isabella F. zitierte eine ganze Reihe von hochrangigen Postenbesetzungen im Bereich des Innenministeriums, die entweder ohne Hearing stattgefunden hätten oder bei denen ein weniger qualifizierter Kandidat zum Zug gekommen sei. Auch sie selbst sei derart übergangen worden und habe sich danach karenzieren lassen, obwohl sie eigentlich ÖVP-Ideologie mit der Muttermilch aufgesogen habe. Aber schwarz zu sein, habe oft nicht ausgereicht, man habe auch sonst irgendwie wichtig sein müssen, etwa die Frau vom Kabinettschef, so die Zeugin. Denn Kloibmüller habe sogar seine eigene Frau als Abteilungsleiterin durchgesetzt.

Knackige Aussagen

Im Wesentlichen präsentierte die Zeugin den Abgeordneten allerdings Hörensagen ("Flurfunk"), das aber ausschweifend und versehen mit knackigen Zitaten - etwa ihren Verdacht, wer das ominöse Konvolut mit Vorwürfen gegen das BVT verfasst haben könnte. Auf die Frage, ob sie denn Belege für diesen Verdacht habe, meinte sie schlicht: "Wir wissen, dass die Jungfrau Maria nicht vom Heiligen Geist empfangen hat, aber wir können es nicht beweisen." Wobei auch ÖVP-Fraktionschef Werner Amon für unfreiwillige Lacher sorgte, als er die Zeugin ausgerechnet an dieser Stelle unterbrach, um sie an ihre Wahrheitspflicht zu erinnern - freilich nicht zur Verteidigung der unbefleckten Empfängnis, sondern der von Isabella F. verdächtigten Verfassungsschützer wegen.

Außerdem versuchte Amon zu verhindern, dass Krisper alte E-Mails aus Strassers Zeiten vorliest, weil die ja nicht vom Untersuchungszeitraum erfasst seien. Im übrigen hielt er der Zeugin vor, dass ihre Aussage vorwiegend auf Hörensagen gründete und versuchte ihr mangelndes Faktenwissen nachzuweisen. So wies Amon Isabella F. darauf hin, dass jener Mitarbeiter des Ministerbüros, der laut ihren Angaben im Jahr 2017 das BVT-Konvolut überprüft hatte, bereits seit Ende 2016 in Tirol arbeitet.

Befragung zu "Fall Maurer" als Farce

Der BVT-U-Ausschuss zog am Mittwochvormittag das Untersuchungsthema "Maurer" vor. Da eine Zeugin zum Thema politische Netzwerke krankheitsbedingt abgesagt hat, kam nun ein Zeuge zum Komplex Datenverwendung im Fall Sigrid Maurer. Thomas Wallerberger war zusammen mit der früheren grünen Mandatarin im ÖH-Vorsitzteam.

Ähnlich wie beim Anwalt Gabriel Lansky geht es im Fall Maurer um den Vorwurf, dass Ermittlungsdaten nicht ordnungsgemäß gelöscht wurden. Die fraglichen Daten stammen aus der Zeit, in der die spätere Grüne Abgeordnete Studentenvertreterin in der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) war. Sie und drei ihrer damaligen Kollegen sollen quasi als Geschädigte im Ausschuss aussagen.

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Keine Fragen von der Opposition

Die erste Befragung zu diesem Komplex wurde allerdings zur Farce. Lediglich die FPÖ schien wirklich interessiert zu sein an dem möglichen Datenmissbrauch, aber auch an linken Netzwerken. Neos und Liste Jetzt  hielten keine einzige Frage für notwendig, die SPÖ stellte eine Verlegenheitsfrage. Auch der jetzige Koalitionspartner ÖVP stieg nach der ersten von drei Fragerunden aus. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer plädierte dafür, dieses Beweisthema abzuschließen, weil es nicht ergiebig sei.

Störaktion im Jahr 2010

Wallerberger, 2010 gemeinsam mit der späteren Grünen Abgeordneten Maurer Mitglied des ÖH-Vorstands, sollte auf Wunsch von ÖVP und FPÖ Auskunft geben, wie seine Daten im BVT gelandet sind. Dazu konnte der mittlerweile in den USA Studierende aber wenig beitragen.

Ins Visier des BVT geraten war Wallerberger, weil er gemeinsam mit anderen Studenten eine Protestaktion gegen das Sparbudget 2010 organisiert hatte: Bei der Budgetdebatte im Nationalrat enthüllten sie Transparente und warfen Flugzettel von der Besuchergalerie. Rangeleien oder gar Gewalt habe es nicht gegeben, betonte Wallerberger. "Ich kann mich erinnern, dass die FPÖ Sorge hatte, dass sich jemand schneidet an dem Flyer-Material, das runterfliegt", berichtete Wallerberger. Passiert sei aber nichts. "Es war nach zwei, drei Minuten vorbei und wir sind friedlich abgezogen." Einzige unmittelbare Folge: eine Verwaltungsstrafe wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" und ein Hausverbot für Maurer im Parlament.

Umso größer war dann aber die Überraschung, als die Aktivisten nach einer "ins Blaue hinein gestellten" Anfrage nach dem Datenschutzgesetz erfuhren, dass sie in der EDIS-Datenbank der Polizei erfasst waren. Anlass für die Anfrage gab es laut Wallerberger zwar keinen, wohl aber eine gewisse Verunsicherung der Zivilgesellschaft wegen des damals laufenden Tierschützerprozesses. Die Begründung der Datenspeicherung - nämlich die "Abwehr krimineller Organisationen" - sei zwar "absurd" gewesen. "Aber es war das, was wir befürchtet haben: die Kriminalisierung von politischem Engagement", so Wallerberger.